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12. Juni 2015
Versorgungsstärkungsgesetz: Hebammen bezweifeln Nutzen

Versorgungsstärkungsgesetz: Hebammen bezweifeln Nutzen

Neben Ärzten und Patienten sollen auch die Hebammen vom verabschiedeten Versorgungsstärkungsgesetz profitieren. Der Hebammenverband bezweifelt jedoch den Nutzen des gesetzlichen Regressverzichts und besteht weiterhin auf Prüfung eines Haftpflichtfonds. Indes steigen die Versicherungsprämien weiterhin an.

Das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz) sieht unter anderem auch eine Einschränkung des Regressanspruchs der Krankenkassen gegenüber freiberuflich tätigen Hebammen vor. Nach Aussagen des Gesetzgebers soll diese Maßnahme dazu beitragen, die Versicherungsprämien langfristig zu stabilisieren und den Versicherungsmarkt zu beleben. Dieser Ansicht widerspricht der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV). Mit einem Regressverzicht von Kranken- und Pflegekassen könne das Haftpflichtproblem nicht nachhaltig gelöst werden. Es sei derzeit völlig unklar, in wie vielen Fällen der Regressverzicht überhaupt greifen kann. Nach Aussagen des DHV bewerten die Versicherer den Effekt des Regressverzichts auf die Versicherungssummen als äußerst gering.

Verband befürchtet Prozesswelle

„Der Regressverzicht der Kranken- und Pflegekassen wird uns nicht entlasten. Vielmehr wird damit eine Prozesswelle auf die Hebammen zurollen“, so Martina Klenk, Präsidentin des DHV. Denn der Regressverzicht soll nicht bei einem sogenannten grob fahrlässigen Handeln der Hebammen mit Eintreten eines Schadenfalls greifen. Bisher wird nicht unterschieden zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit. Somit ist nicht klar, in wie vielen Fällen der Regressverzicht einsetzt. Auch muss der Begriff der Fahrlässigkeit erstmalig juristisch genauer definiert werden.

Hausgeburt zukünftig wohl immer „grob fahrlässig“

Die gesetzlichen Krankenkassen werden nach Einschätzung des Hebammenverbandes auch weiterhin alles daran setzen, möglichst hohe Schadensummen von den Hebammen zurückzufordern. Außerdem werde aktuell in den Verhandlungen deutlich, dass die Krankenkassen anstreben, den beruflichen Handlungsrahmen von Hebammen durch Vorschriften immer enger zu fassen. Dies sei unter anderem bei den vom GKV-Spitzenverband geforderten Ausschlusskriterien für Hausgeburten sichtbar. Treten diese in der derzeitigen Ausgestaltung in Kraft, handelt eine Hebamme in fast allen Fällen grob fahrlässig, wenn sie noch eine Hausgeburt durchführt. Tritt dann ein Schadenfall auf, können die Kranken- und Pflegekassen wie gewohnt den Regress für die Behandlungs- und Pflegekosten von der Hebamme zurückfordern. Zu dieser Frage haben die Hebammenverbände erst kürzlich die Verhandlungen mit den Krankenkassen abgebrochen und die Schiedsstelle angerufen.

Prämien steigen weiterhin

Die Haftpflichtprämie steigt ab Juli 2015 für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen erneut um 23% auf dann 6.274 Euro jährlich. Bereits in den vergangenen Jahren sind zunehmend Hebammen aus der freiberuflichen Geburtshilfe ausgestiegen, weil sie die Haftpflichtprämien nicht mehr erwirtschaften konnten. Dies betrifft Hebammen, die Hausgeburten, Geburten in Geburtshäusern und Beleggeburten in Kliniken betreuen. Grund sind nicht gestiegene Schadenzahlen, sondern immer höhere Kosten bei eingetretenen Schadenfällen, beispielsweise durch medizinische Behandlungen und Regresse von Kranken-, Pflege- und Rentenkassen sowie Kosten für die Wiedereingliederung und Schmerzensgeld. „Wir benötigen weiterhin eine langfristige Lösung der Haftpflichtproblematik und erwarten eine Prüfung des von uns vorgeschlagenen Haftpflichtfonds und alternativer Lösungen, wie einer Schadenregelung analog der gesetzlichen Unfallversicherung“, sagt Martina Klenk. (kb)

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