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12. April 2024
„Am Ende zählt: ‚Produktwahrheit, Produktklarheit‘“

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„Am Ende zählt: ‚Produktwahrheit, Produktklarheit‘“

Da ist die Frage nach dem „Greenwashing“ nicht weit. Viele Fondsgesellschaften, aber auch Berater klagen über unklare Standards und Definitionen beim Thema Nachhaltigkeit. Wie siehst du das?

Gibt es denn in der finanziellen Perspektive klare Standards? In meinen Augen ist die Aufgabe der Regulatorik lediglich, Transparenz sicherzustellen. Wird die Taxonomie eines Tages tatsächlich mit den realwirtschaftlichen Daten befüllt, sind Taxonomie-Quoten sicher großartige Informationen. Aber es gibt auch jetzt schon zahlreiche Informationen wie die bereits erwähnte Studie zur Stimmrechtsnutzung.

Zu Beratern würde ich sagen: Arbeiten Sie mit dem, was Sie haben. Der Ecoreporter bietet eine super Weiterbildung, wenn man sich dazu schulen lassen möchte. Ansonsten kann man natürlich auch in den Finance-4Future-Podcast reinhören. Wir als WertWende überlegen sogar, auch einen Kurs zu entwickeln – aus der Praxis für die Praxis.

Kann man denn auch bei der Anlage in ETFs eine nachhaltige Wirkung erzielen? Haben hier nicht die Fondsanbieter, also BlackRock, Vanguard und Co. die Stimmrechte in den Unternehmen?

Natürlich und ja, bei der Wahl eines Fonds wandert das eigene Stimmrecht an den Fondsanbieter. Aber warum nicht einfach die Fondsanbieter wählen, die die Stimmrechte nachweislich positiv nutzen? BlackRock hat in 2023 in 92% aller Fälle der untersuchten Stichproben im Voting-Matters-­Report von ShareAction gegen Nachhaltigkeit gestimmt; Vanguard sogar in 97 % aller Fälle. Für mich ist das ein klares Kriterium zum Ausschluss dieser Gesellschaften. Im Gegensatz dazu nutzen z. B. Amundi und BNP Paribas ihre Stimmrechte sehr positiv – und bieten ja oft die gleichen Anlageprodukte an.

Direkt gefragt: Unterscheidet sich eine Anlageauswahl anhand deiner Kriterien auch wirklich von denen, die sich an ESG-Siegeln orientieren?

Absolut. Ein ESG-Siegel gibt es in der Form ja nicht. Wer z. B. ein maximales ESG-Rating von 30 nach dem Rating von MSCI in seinem Anlageprodukt fordert, kann leicht bei einem Fonds von BlackRock landen, der in den Ölkonzern TotalEnergies investiert (ESG-Score 27,1/100, Stand 10.02.2024).

Wer sich am geläufigen FNG-Siegel orientiert, dem wird zumindest das nicht passieren. Aber auch dort plädiere ich dafür, das Siegel nicht als finale Entscheidungsmetrik zu nutzen, sondern auch in die umfassenderen FNG-Nachhaltigkeitsprofile hineinzuschauen. Dort ist Stimmrechtnutzung rudimentär ebenfalls ein Teil.

Gibt es für dich als Berater im Bereich Impact Investing besondere Pflichten?

Im Endeffekt verspreche und verkaufe ich neben finanzieller Rendite noch eine positive Wirkung der Geldanlage. Damit geht einher, dass ich ehrlich und seriös bleiben muss. Nicht jede Aktionärsinitiative wird direkten Erfolg haben – und wenn, ist der schwierig zu erfassen, erst recht quantitativ.

Ebenso muss ich sicherstellen, dass unsere Anlageempfehlungen dauerhaft unseren Ansprüchen gerecht werden. Das Angebot nachhaltiger Anlagemöglichkeiten wächst stark. Da wir unsere Anlagestrategien nach moderner Portfolio-Theorie aufbauen, arbeiten wir in manchen Segmenten auch mit unperfekten Lösungen – gerade wenn wir im Rentenversicherungsmantel eingeschränkte Fonds­auswahl haben. Um diese laufende Pflege sicherstellen zu können, arbeiten wir mit Musterportfolios, die wir zentral für alle investierten Mandant:innen pflegen können.

Nachhaltigkeit ist ein komplexes Feld. Würdest du mit deinem jetzigen Wissen in deiner bisherigen Laufbahn etwas anders machen?

1. Gar nicht erst Fonds von Anbietern wie den oben genannten anfassen, die ihre Stimmrechte so destruktiv einsetzen. Gerade von Dimensional habe ich anfänglich viel gehalten aufgrund ihres empirisch fundierten Ansatzes mit Value- und Small-Cap-Prämien.

2. Keinen Alleingang machen. Entweder direkt die Weiterbildung zum Eco-Anlageberater vom Ecoreporter machen, die ich anfangs gar nicht kannte, oder mich von Anfang an in meiner täglichen Arbeit mit entsprechender Kompetenz umgeben. Leider kann ich die Beratungsfirmen und Solo-Beratenden, die das bieten, an einer Hand abzählen. Wir von der WertWende freuen uns natürlich über Zuwachs, ansonsten kann ich auch den Verein Ökofinanz-21 empfehlen. Dort kommen zweimal im Jahr unabhängige Beratende zusammen, um sich auszutauschen und Erfahrungen zu teilen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Niklas Krämer, Finance 4Future

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Ein Interview mit
Niklas Krämer