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8. Februar 2017
„Am wichtigsten ist die emotionale Annäherung an das Thema Pflege“

„Am wichtigsten ist die emotionale Annäherung an das Thema Pflege“

Die Beratung zur Pflegevorsorge ist umhüllt von unausgesprochenen Ängsten. Deshalb setzt das Thema neben Fachkompetenz auch Einfühlungsvermögen aufseiten der Vermittler voraus. Über ein Netzwerk kann dem Kunden im Ernstfall zudem umfassend geholfen werden. Darauf setzt auch Holger Rasch, Versicherungsmakler und Inhaber von pflegeversicherung-spezialisten.de.

Herr Rasch, verändert das PSG II Ihre Beratung?

Insgesamt darf zunächst konstatiert werden, dass der Be­ratungsprozess komplexer wird. Als reiner Fachmakler und Spezialist für Pflegeversicherungen haben wir in den Beratungsgesprächen der letzten Monate feststellen müssen, dass der Kunde nur unzureichend über die Pflege­reform informiert ist. Das heißt, wir müssen als erstes Aufklärung betreiben. Hier haben meiner Meinung nach der Gesetzgeber sowie die Presse zu wenig Aufklärung betrieben.

Wie gehen Sie ein Beratungsgespräch im Allgemeinen an?

Unser Beratungsgespräch ist individuell auf den Kunden angepasst, folgt aber einem sehr stringenten Prozess. Wir bekommen über unsere Internetseiten sowie von anderen Maklern Kontakte mit potenziellen Kunden geliefert.

Wir haben festgestellt, dass sich die Kunden in der dunklen und kalten Jahreszeit eher mit dem Thema Pflege beschäftigen wollen. Im Sommer, bei einer Temperatur von 24 Grad und Sonne ist die Bereitschaft geringer.

Als Erstes wird ein telefonisches Erst­gespräch durch unser Backoffice mit dem Kunden terminiert. Im ersten Gespräch arbeiten wir dann sehr viel über „Storytelling“. Wir haben ja schon einige traurige Fälle erlebt und aus den Erfahrungen kann man ja einiges ins Kundengespräch einbringen. Im Zuge der Geschichten erzählt uns der Kunde auch gerne seine eigene Geschichte. Hieraus ergeben sich meist schon viele wichtige Anhaltspunkte zur Beratung.

Dabei sprechen wir auch immer an, was passiert, wenn die eigenen Lebenspläne durch Krankheit oder Unglück ins Wanken geraten und die eigene Selbstbestimmung gefährdet ist. Hier raten wir dem Kunden, sich auch mit dem Thema Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen auseinanderzusetzen. Dafür unterstützen wir unsere Kunden mit einem professionellen Dienstleisternetzwerk. Wenn wir relevante Rahmenbedingungen vom Kunden erhalten haben, erhält der Kunde unser personalisiertes Pflegehandbuch mit einem individuellen Vergleich meist der Top Ten der Pflegeversicherungen.

Welche Kundengruppen betrifft das?

In der Beratung unterscheiden wir im Grunde drei Altersgruppen: einmal die Gruppe „jung“, das sind die Personen bis ca. 35 Jahre. Dann die „mittleren“ zwischen 35 und 60 Jahren und die 60plus. Wobei die Altersgruppe 60plus ca. 75% der gesamten Anfragen ausmacht.

Welche Art Pflegezusatzversicherung empfehlen Sie am häufigsten?

Zu den unterschiedlichen Arten der finanziellen Absicherung durch eine Pflegeversicherung gibt es sehr ambivalente Meinungen. Wir sind nicht auf eine Art der Pflegeabsicherung festgelegt, sondern nehmen die Lösung, die für den jeweiligen Kunden in seiner individuellen Situation am besten passt. Je älter ein Kunde ist, desto eher empfehlen wir eine Pflegetagegeldversicherung. Bei unserer größten Kundengruppe 60plus werden zu ca. 80% Pflegetagegeldversicherungen geschrieben. Sie ist als reine Risikoversicherung einfach günstiger. Zusätzlich sind die Pflegeleistungen garantiert und nicht an Überschüsse gebunden. Im Hinblick auf die aktuelle Niedrigzinsphase ist diese Gefahr nicht ganz unerheblich. Die Pflegekostenversicherung ist relativ selten vertreten. Sie hat zwar einige Vorteile, Nachteile sind aber der höhere administrative Aufwand im Pflegefall und die zweckgebundene Auszahlung.

Raten Sie auch schon mal ab?

Grundsätzlich versuchen wir den Wunsch des Kunden nach Absicherung im Pflegefall zu erfüllen. Manchmal macht es aber keinen besonderen Sinn für einen Kunden. Wenn bei älteren Kunden der Beitrag einen Großteil der Rente auffressen würde, dann rate ich also schon mal ab.

Neben dem Abschluss gehört auch die Kundenbetreuung zu Ihrer Tätigkeit. Begleiten Sie Ihre Kunden auch im Pflegefall?

Das ist einer der wichtigsten Punkte. Hier macht sich natürlich unsere Spezialisierung auf die private Pflegeversicherung bemerkbar. Wir haben mittlerweile ein enges Netzwerk an professionellen Dienstleistern rund um die Pflegeversicherung aufgebaut. Zum Beispiel erhalten alle unsere Kunden eine kostenlose juristische Erstberatung, falls es bei der Pflegeeinstufung zu Problemen kommt. Außerdem haben wir Partner, die eine kostenlose Pflege­begutachtung vor Ort machen.

Wie werden Sie dafür vergütet?

Unser Geschäft ist die Vermittlung von privaten Pflegezusatzversicherungen. Mit unseren Dienstleistern haben wir keine monetären Vereinbarungen. Wir profitieren von den Empfehlungen in deren Netzwerken.

Müsste sich die Versicherungs­wirtschaft noch mehr in Richtung Assistance-Leistungen entwickeln?

Ein ganz klares Ja. Die Serviceleistungen bieten für den Kunden einen echten Mehrwert und sind meiner Meinung nach obligatorisch. Eine sinnvolle private Pflegeversicherung besteht aus der Kombination von Pflegegeldern und Serviceleistungen. Diese Leistungen sollten auch mehr in den Vordergrund gestellt werden, denn oftmals werden nur die reinen Tagegelder verglichen, nicht aber die zusätzlichen Serviceleistungen. Es gibt deutschlandweit agierende professionelle Dienstleister in diesem Bereich – hier sollten die Versicherer weitere Partnerschaften aufbauen und diese Leistungen mit anbieten.

Müssten insgesamt alle in der Pflege Beteiligten mehr vernetzt sein?

Sie sprechen hier ein grundsätzliches Problem in unserer Dienstleistungsgesellschaft an. Jeder sieht nur seinen eigenen Bereich. Und oft fehlt die Zeit, sich mit strategischen Dingen zu beschäftigen. Auch gibt es natürlich rechtliche Hürden, wie zum Beispiel den Datenschutz, der den Austausch von personenbezogenen Daten schwer macht. Hier wünsche ich mir in Zukunft eine Verbesserung zum Wohle der Kunden.

Warum haben Sie sich eigentlich auf die Pflege spezialisiert und was würden Sie Ihren Maklerkollegen raten?

Ich bin seit 2003 im Versicherungsbereich selbstständig. Erst in einem Großvertrieb und seit 2012 als Makler. Ich hatte schon immer eine hohe Affinität zur Produktgruppe mit biometrischen Risiken. In der privaten Pflegeversicherung habe ich ein sehr interessantes und gesellschaftlich wichtiges Thema gefunden. Ich habe feststellen dürfen, dass ein sehr hoher Grad fachlicher Kompetenz mit einem hohen Einfühlungsvermögen unabdingbar ist.

Als Rat kann ich geben: Beim Thema Pflege sollten Kollegen sich auch immer die Angehörigen mit an den Tisch holen. Denn das Thema Pflege ist ein generationenübergreifendes Problem. Dann sollten die üblichen Pflege-Irrtümer ausgeräumt werden. Sie wissen schon: Viele glauben, sie betrifft das nicht, oder meinen, die gesetzliche Pflege reicht. Und dann muss die Frage folgen: „Den meisten Menschen sind das selbstbestimmte Leben und die Unabhängigkeit sehr wichtig! Wie ist es bei Ihnen?“

Grundvoraussetzung, zum Thema Pflege zu beraten, ist natürlich die fachliche Kompetenz und die Aufklärung. Als am wichtigsten erachte ich aber die emotionale Annäherung an das Thema Pflege. Makler könnten mal einen Tag einen ambulanten Pflegedienst begleiten oder ein Pflegeheim in der Nähe besuchen. Das wird die Einstellung zu diesem Thema schlagartig ändern. Also, mein Tipp in Richtung Leser: „Sehen Sie Pflegeberatung nicht als Produktverkauf, sondern helfen Sie den Menschen, ihr Vermögen zu sichern und die Selbstbestimmung zu bewahren.“

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2017, Seite 36 f.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Ulrich Welzel am 08. Februar 2017 - 18:53

Das Herr Rasch mit seiner Art der Beratung Erfolg hat, ist klar und freut mich ausserordentlich. Der letzte Satz gefällt mir sehr gut. Ergänzend zur Vermögenssicherung und Selbstbestimmung kommt noch die Wahrung der Menschenwürde hinzu.
Wer zu den 21 -25% Menschen gehört, die im letzten Lebensabschnitt ins Pflegeheim umziehen müssen, erleben oft massive Verletzungen der Menschenwürde. Deshalb ist es gut, solang wie möglich zuhause und finanziell abgesichert leben zu können.