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26. April 2023
„Das Thema Pflege muss auf den Tisch“

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„Das Thema Pflege muss auf den Tisch“

Ohne private Pflegevorsorge geht es nicht – Vermittler und Versicherer sind in der Pflicht, über die Kosten im Pflegefall zu beraten, so der künftige Vorstandsvorsitzende der IDEAL, die als Spezialist für biometrische Alters­risiken im Markt bekannt ist.

Interview mit Maximilian Beck, Vorstand Operations/IT und Marketing/Vertrieb bei der IDEAL Versicherungsgruppe
Herr Beck, die Pflege in Deutschland ist teuer – im Grunde für alle Beteiligten. Es scheint kein Land in Sicht. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Die Situation für die Pflege in Deutschland ist katastrophal, wir stehen vor einem Kollaps des Systems. Es mangelt an allem – an fachkundigem Personal, an Pflegekapazitäten und an der Finanzierung der explodierenden Kosten. Die sozialen Sicherungssysteme sind überfordert. Schon heute muss ein pflegebedürftiger Mensch im Schnitt etwa 2.440 Euro Eigenanteil im Monat für die Pflege aufbringen, Tendenz steigend. In der Pflege erwarten wir einen Inflationstsunami: Lohnsteigerungen, gestiegene Kosten für Gewerke, Dienstleister, Lebensmittel, Energie … Noch dazu leben wir in einer alternden Gesellschaft, sprich die Anzahl derjenigen, die heute und künftig Pflege benötigen, wächst stetig an.

Ein großes neues Pflegegesetz ­soll es richten, so die Ankündigung aus dem Bundesgesundheits­ministerium. Erwarten Sie einen großen Wurf?

Es gab ja schon einige Reformen in der Pflege, doch bisher haben alle das Ziel verfehlt, Pflege würdig und finanzierbar zu gestalten. Geradezu fatal waren die Botschaften der Politik, die eine „Vollkasko in der Pflege“ suggerierten. Und auch die neuen Pläne aus dem Bundesgesundheitsministe­rium ändern nichts an der riesigen Finanzierungslücke. Die geplanten Maßnahmen wie eine Dämpfung der Eigenanteile für Pflegeheimbewohner oder eine Erhöhung von Pflegegeldern sind nur Tropfen auf den berühmten heißen Stein, sorgen aber für keine Entlastung des Systems.

Die Pflegekassen erwarten aufgrund gestiegener Kosten Defizite in Milliardenhöhe und fordern Bundeszuschüsse, was wiederum zulasten der Steuerzahler gehen würde. Wir müssen uns in Deutschland der Wahrheit stellen, dass die gesetzliche Pflegepflichtversicherung immer nur einen Teil der Pflegekosten tragen wird und jeder Einzelne es in der Hand hat, sich zusätzlich für das Pflegekostenrisiko abzusichern.

Versicherer und Makler klären nun schon seit Jahren über mögliche finanzielle Nöte bei Pflegebedürftigkeit auf und verweisen auf eine notwendige Eigenvorsorge. Hören mittlerweile mehr Menschen zu?

Pflege ist in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen, gerade auch in den beiden letzten Jahren, die von stetiger Krisenstimmung geprägt waren. Doch genau wie die Renten­lücke in der Altersvorsorge wird auch das Pflegerisiko ignoriert und die meisten Menschen verfallen in eine Vogel-Strauß-Manier. Doch ewig verdrängen ändert nichts am Problem. Das Thema muss auf den Tisch und wir sind in der Pflicht, zur Absicherung der Kosten im Pflegefall zu beraten. Im Grunde müssen die 190.000 Vermittlerinnen und Vermittler in Deutschland das Potenzial erkennen, das im demografischen Wandel steckt. Mit unserer neuen Beratungsinitiative „Baby Boomer – boomt es auch bei Ihnen?“ haben wir genau das vor, um speziell die Generation Babyboomer zum Zuhören und Handeln zu aktivieren.

Und wollen oder können sich die Menschen – auch im aktuellen Umfeld – eine Pflegevorsorge leisten?

Sicher – eine Pflegeversicherung gibt es nicht umsonst. Aber das Pflegerisiko als ungelöstes Problem aufzuschieben, macht es nicht besser und kostet früher oder später das eigene Vermögen, das zur Begleichung von Pflegekosten aufgezehrt wird. Wir haben festgestellt, dass insbesondere in den beiden vergangenen Jahren tatsächlich die Bereitschaft, für die eigene Pflege vorzusorgen, geringer geworden ist. In der Pflegerente mussten wir einen Rückgang bei den Neuabschlüssen hinnehmen. Bei Pflegetagegeldern gab es keinen Rückgang im Neugeschäft. Doch das Problem nicht anzugehen, wäre ein fataler Fehler.

Wenn wir uns insbesondere die große demografische Kohorte der Babyboomer für die kommenden Jahre anschauen, sprechen wir hier, laut Statista, von etwa 13 Millionen Menschen, die einen riesigen Einfluss haben: auf unser Gesundheitssystem und auf unsere Pflege. Damit ist diese Generation „Problem“ und Lösung zugleich. Denn auch ca. 50% der Baby­boomer werden statistisch gesehen pflegebedürftig. Auf der anderen Seite hat genau diese Generation es aufgrund ihrer gefestigten finanziellen Situation und gebildeter Rücklagen in der Hand, privat für das eigene Pflegerisiko vorzusorgen.

Die IDEAL bietet seit 2021 auch ein Pflegetagegeld an. Das hat viele überrascht, kannte man die IDEAL doch als Pionier und Verfechter der Pflegerente. Wie kommt das Tagegeld an?

Pflegetagegeld und Pflegerente ergänzen sich unserer Meinung nach perfekt und ermöglichen jedem Kundenkreis, die für ihn passende Pflegeabsicherung zu finden. Vertrieblich ergeben sich große Potenziale, denn die Marktdurchdringung mit Pflegezusatzversicherungen ist nach wie vor sehr gering. So können Vermittler, die ein Pflegeprodukt vom Marktführer IDEAL anbieten möchten, auch Kunden mit geringerem finanziellen Spielraum bedienen. In Richtung unserer Vertriebspartner müssen wir hier in der Tat noch Überzeugungsarbeit leisten, denn manche von ihnen haben die Einführung des Pflege­tagegelds wohl eher als Kurs­wechsel und nicht als zusätzliche Option für die Pflegeabsicherung wahrgenommen.

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Ein Interview mit
Maximilian Beck