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28. September 2020
„Die aktuelle Immobilienpreisdynamik würde ich nicht als Blase bezeichnen“

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„Die aktuelle Immobilienpreisdynamik würde ich nicht als Blase bezeichnen“

Wie gefährlich ist die Corona-Krise für den Immobilienmarkt insgesamt?

Die Corona-Krise stellt einen dreifachen Schock dar. Es ist ein Angebotsschock, da Mitarbeiter über Monate nicht so arbeiten konnten, wie sie es gerne gewollt hätten, und Lieferketten wurden unterbrochen. Es ist gleichzeitig eine Nachfragekrise, weil viele Haushalte mit geringeren Einnahmen haushalten mussten. Und es ist schließlich ein Unsicherheitsschock, denn wir alle wurden aus unserem gewohnten Leben herausgerissen. Die höhere Unsicherheit dürfte die Nachfrage nach Immobilien tendenziell begünstigen, gerade für Wohnungen. Doch die anderen beiden Schocks wirken überwiegend negativ für Immobilien. Nun kommt es in den kommenden Monaten darauf an zu analysieren, in welcher Reihenfolge und mit welcher Wucht diese drei Schocks tatsächlich einwirken. Vor uns liegt noch viel Analysearbeit, wie wir die Buchstabensuppe aus V, W, L, U oder wie auch immer der Abschwung aussehen mag, zu löffeln haben.

Erwarten Sie nachhaltige Veränderungen des deutschen Immobilienmarkts aufgrund der Corona-Pandemie?

Die Pandemie hat wirklich alle Menschen betroffen. Das unterscheidet diesen Schock von der Dot-Com-Krise oder sogar der Finanzkrise, die für große Teile der Bevölkerung zum Glück weniger drastische Einschnitte erzwungen haben. Wie stark dies auch langfristige Verhaltensänderungen und damit Verschiebungen in der Immobiliennachfrage befeuert, hängt davon ab, wie lange die Unsicherheitsphase und Folgewellen noch anhalten.

Es wird einige weitere kurzfristige Folgeschocks geben, zum Beispiel wenn Banken in ihrer Kreditvergabe vorsichtiger werden müssen oder wenn einzelne größere Insolvenzen erfolgen. Langfristig gravierender ist aber sicherlich, dass Konsumverhalten und Arbeitsweisen stärker digitalisiert wurden als zuvor. Vorurteile wurden mitunter durch Erfahrungen ersetzt. Dort, wo diese positiv waren, werden sie zu verstetigtem Verhalten führen. Dies kann den Online-Konsum betreffen, die Zahl der Geschäftsreisen, den Anteil an Home-Office etc. All dies hat sicherlich langfristige Rückwirkungen für Immobilien. Dadurch entstehen auf der einen Seite Belastungen und auf einer anderen Seite mitunter auch Chancen.

Die eigene Immobilie ist nicht nur als Wohnraum beliebt, sondern auch die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen. Wie gut eignet sie sich tatsächlich als Altersvorsorge?

Immobilien eignen sich generell für die Altersvorsorge, weil die Verschuldungsnotwendigkeit stärker zur Ersparnisbildung motiviert als ein Kapitalmarktprodukt. Wir können Immobilien emotional aufladen, und auch dies motiviert zum Sparen, und wir können Eigenleistungen einbringen, und damit die Rendite bei hinreichender handwerklicher Begabung positiv beeinflussen. Dem stehen spezifische Nachteile gegenüber: Immobilien sind die größte Einzelanlage der meisten Menschen, sie sind ortsgebunden und können daher nicht einfach an den Lebenslauf angepasst werden. Kurz gesagt, Immobilien sind dann gut für die Altersvorsorge geeignet, wenn man sich dieser spezifischen Chancen und Risiken bewusst ist und eine genaue Due Diligence für sich und das mögliche Objekt der Begierde vornimmt.

Bild: © Андрей Яланский – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2020, Seite 70 f., und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Prof. Dr. Tobias Just