AssCompact suche
Home
Immobilien
28. September 2020
„Die aktuelle Immobilienpreisdynamik würde ich nicht als Blase bezeichnen“

„Die aktuelle Immobilienpreisdynamik würde ich nicht als Blase bezeichnen“

Die Preise für Immobilien kennen seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. In Zukunft sollten Immobilienkäufer laut Prof. Dr. Tobias Just, Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie, aber genauer hinsehen und differenzieren. Eine Blase sieht er am deutschen Immobilienmarkt zwar eher nicht, wohl aber fundamentale Risiken.

Herr Prof. Dr. Just, die Immobilienpreise in Deutschland kennen vor allem im Bereich der Wohnimmobilien seit Jahren nur die Richtung nach oben. Dürfte sich das trotz der Corona-Krise fortsetzen?

Hier gilt es gleich in mehrfacher Hinsicht zu unterscheiden: Grundsätzlich gilt, dass die Wohnimmobiliennachfrage wesentlich stabiler ist als die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien, und innerhalb der Gewerbeimmobilien ließe sich weiter unterscheiden in die besonders betroffenen Hotel- und einige Handelsimmobilienformate und die sogar begünstigten Logistikimmobilien. Doch selbst auf den Wohnimmobilienmärkten lohnt Differenzierung, denn bisher sind viele gesamtwirtschaftliche Lasten der Corona-Pandemie durch das umfangreiche Bündel öffentlicher Rettungsmaßnahmen kompensiert worden. Wahrscheinlich werden in den kommenden Monaten die Zahl der Arbeitslosen und der Insolvenzen und dann auch die Herausforderungen für die Banken wachsen. All dies kann den Wohnungsmarkt beeinträchtigen. Richtig ist aber, dass aktuell viel Liquidität nach halbwegs stabilen Anlagemöglichkeiten sucht, und daher profitieren viele Wohnungsteilmärkte zu Recht.

Wie groß sehen Sie die Gefahr einer Blasenbildung am deutschen Immobilienmarkt?

Das, was wir aktuell an Preisdynamik auf den Wohnungsmärkten beobachten, würde ich nicht als typische spekulative Übertreibung, also eine Blase, bezeichnen, da die allermeisten Investoren sehr bewusst auf die vermeintlich kleineren Risiken zielen und nicht auf die vermeintlich gigantischen Wertänderungschancen. Die Investoren verhalten sich also insofern sehr rational, als sie dem Risiko aus dem Weg gehen. Das senkt die Ausschüttungsrenditen. Da die konjunkturellen Risiken noch nicht gebannt sind, hat sich zusätzlich wenigstens die –Mietänderungschance reduziert. Aktuell erachte ich diese konjunkturellen Risiken, also fundamentale Risiken, für – bedrohlicher als die Möglichkeit einer sich perspektivisch aufblähenden Blase.

Wie stabil ist die Lage in Deutschland im Vergleich mit anderen wichtigen Nationen?

Deutschland ist bisher insgesamt sehr gut durch die Pandemie gekommen. Die gesundheitlichen Belastungen hielten sich in Grenzen, die kurzfristigen wirtschaftlichen Lasten wurden durch staatliche Maßnahmen und dank zuvor starker Wachstumsjahre recht gut geschultert, und das Finanzierungsumfeld für Immobilien ist durch intensiven Wettbewerb gekennzeichnet. Zwar ist Deutschland mit dieser Mischung keineswegs allein. Auch Korea, Finnland, Norwegen oder Uruguay kamen bisher gut durch die Pandemie. Aber viele dieser Länder sind ehrlich gesagt entweder zu klein, zu weit von den üblichen Investorentrampelpfaden oder institutionell noch nicht für große Investoren geeignet, als dass sie ähnliche internationale Bedeutung für Immobilieninvestitionen erlangen könnten wie Deutschland.

Besteht zumindest regional wie etwa in München eine Blasengefahr?

2019 hat die schweizerische Bank UBS eine Studie publiziert, gemäß der München der weltweit am stärksten überhitzte Wohnungsmarkt sein soll. Ich teile diese Einschätzung nicht. Allerdings sollten Anleger die Risikofaktoren in München ernstnehmen: Die Mietrenditen sind in allen Asset-Klassen über Jahre gesunken, gleichzeitig ist München von der wirtschaftlichen Abkühlung betroffen und die geografische Lage Bayerns hat auch die direkte Betroffenheit im Rahmen der Pandemie erhöht. All das setzt dem Preisänderungspotenzial in München enge Grenzen. Das betrifft freilich eher den Gewerbeimmobilienmarkt als den Wohnungsmarkt. Doch darf nicht vernachlässigt werden, dass die Diskussion über stärkere regulatorische Eingriffe auf den Wohnungsmärkten auch in München intensiv geführt wird. Ein Mietendeckel à la Berlin wäre aktuell für den Münchener Wohnungsmarkt wohl das größte Preisrisiko.

Wie kritisch sehen Sie die Lage bei Baufinanzierungen angesichts der massiven wirtschaftlichen Unsicherheiten aufgrund der Corona-Pandemie?

Aktuell gibt es noch sehr intensiven Wettbewerb unter Baufinanzierern, das heißt, die Konditionen bleiben erst einmal vorteilhaft für Kunden. Doch die Banken werden nach vorne schauend sicherlich stärker differenzieren müssen. Gerade für Kunden mit geringem Eigenkapital könnte es dann zu höheren Zuschlägen kommen als 2019.

Wie gefährlich ist die Corona-Krise für den Immobilienmarkt insgesamt?

Die Corona-Krise stellt einen dreifachen Schock dar. Es ist ein Angebotsschock, da Mitarbeiter über Monate nicht so arbeiten konnten, wie sie es gerne gewollt hätten, und Lieferketten wurden unterbrochen. Es ist gleichzeitig eine Nachfragekrise, weil viele Haushalte mit geringeren Einnahmen haushalten mussten. Und es ist schließlich ein Unsicherheitsschock, denn wir alle wurden aus unserem gewohnten Leben herausgerissen. Die höhere Unsicherheit dürfte die Nachfrage nach Immobilien tendenziell begünstigen, gerade für Wohnungen. Doch die anderen beiden Schocks wirken überwiegend negativ für Immobilien. Nun kommt es in den kommenden Monaten darauf an zu analysieren, in welcher Reihenfolge und mit welcher Wucht diese drei Schocks tatsächlich einwirken. Vor uns liegt noch viel Analysearbeit, wie wir die Buchstabensuppe aus V, W, L, U oder wie auch immer der Abschwung aussehen mag, zu löffeln haben.

Erwarten Sie nachhaltige Veränderungen des deutschen Immobilienmarkts aufgrund der Corona-Pandemie?

Die Pandemie hat wirklich alle Menschen betroffen. Das unterscheidet diesen Schock von der Dot-Com-Krise oder sogar der Finanzkrise, die für große Teile der Bevölkerung zum Glück weniger drastische Einschnitte erzwungen haben. Wie stark dies auch langfristige Verhaltensänderungen und damit Verschiebungen in der Immobiliennachfrage befeuert, hängt davon ab, wie lange die Unsicherheitsphase und Folgewellen noch anhalten.

Es wird einige weitere kurzfristige Folgeschocks geben, zum Beispiel wenn Banken in ihrer Kreditvergabe vorsichtiger werden müssen oder wenn einzelne größere Insolvenzen erfolgen. Langfristig gravierender ist aber sicherlich, dass Konsumverhalten und Arbeitsweisen stärker digitalisiert wurden als zuvor. Vorurteile wurden mitunter durch Erfahrungen ersetzt. Dort, wo diese positiv waren, werden sie zu verstetigtem Verhalten führen. Dies kann den Online-Konsum betreffen, die Zahl der Geschäftsreisen, den Anteil an Home-Office etc. All dies hat sicherlich langfristige Rückwirkungen für Immobilien. Dadurch entstehen auf der einen Seite Belastungen und auf einer anderen Seite mitunter auch Chancen.

Die eigene Immobilie ist nicht nur als Wohnraum beliebt, sondern auch die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen. Wie gut eignet sie sich tatsächlich als Altersvorsorge?

Immobilien eignen sich generell für die Altersvorsorge, weil die Verschuldungsnotwendigkeit stärker zur Ersparnisbildung motiviert als ein Kapitalmarktprodukt. Wir können Immobilien emotional aufladen, und auch dies motiviert zum Sparen, und wir können Eigenleistungen einbringen, und damit die Rendite bei hinreichender handwerklicher Begabung positiv beeinflussen. Dem stehen spezifische Nachteile gegenüber: Immobilien sind die größte Einzelanlage der meisten Menschen, sie sind ortsgebunden und können daher nicht einfach an den Lebenslauf angepasst werden. Kurz gesagt, Immobilien sind dann gut für die Altersvorsorge geeignet, wenn man sich dieser spezifischen Chancen und Risiken bewusst ist und eine genaue Due Diligence für sich und das mögliche Objekt der Begierde vornimmt.

Bild: © Андрей Яланский – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2020, Seite 70 f., und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Tobias Just