AssCompact suche
Home
Assekuranz
11. Oktober 2023
„Erfahrenes und großes Netzwerk an eigenen Risikoingenieuren“
„Erfahrenes und großes Netzwerk an eigenen Risikoingenieuren“

„Erfahrenes und großes Netzwerk an eigenen Risikoingenieuren“

Die Allianz übt im Firmengeschäft eine hohe Zeichnungsdisziplin aus und sieht sich die Risikoqualität heute genauer an als früher. Ein großes Thema ist für den Ver­sicherer mittlerweile die Absicherung von erneuerbaren Energien. Zum Gewerbeprodukt „Unternehmensschutz“ kommt demnächst die Gebäudeversicherung hinzu.

Interview mit Ulrich Stephan, Firmenvorstand der Allianz Versicherungs-AG
Herr Stephan, wie sehr macht Ihnen die wirtschaft­liche Stagnation in Deutschland Sorgen?

Wenn wir auf die gesamtwirtschaftliche Situation sehen, dann haben wir in der Tat eine ganze Reihe an Sorgen. Die wesentlichen Treiber wie Inflation, Lieferkettenproblematik und politische Unsicherheiten sind ja bekannt. Zudem ist der ifo-Geschäftsklimaindex jetzt zum vierten Mal in Folge gesunken. Das ist für uns ein wichtiger Indikator, um zu verstehen, wie es unseren Firmenkunden geht.

Die Allianz verzeichnet im ersten Halbjahr eine positive Geschäftsentwicklung. Dabei profitieren wir wie der Markt auch von Preiseffekten, die wiederum von der Inflation getriggert werden. Aber die Konjunktur scheint sich weiter einzutrüben – wir sehen dies beispielsweise an der Anzahl der Insolvenzen.

Sind viele der Branchen, in denen die Allianz tätig ist, von Rückgängen betroffen?

Die Allianz ist ein Vollsortimenter. Wir stellen in allen Kundensegmenten ein wettbewerbsfähiges Angebot zur Verfügung. Mit unserem neuen Blockbuster-Produkt im Gewerbesegment, dem „Unternehmensschutz“, nehmen wir Betriebsarten und Kundengruppen in den Fokus, bei denen wir eine hohe Zahl an potenziellen Kunden als auch an Wachstum feststellen. Und wenn wir die Baubranche außen vorlassen, läuft es in den anderen Branchen ganz zufriedenstellend.

Wie reagieren Sie denn auf der Schadenseite? Auch hier spielt die Inflation eine bedeutende Rolle.

Wir haben im Firmengeschäft eine ganze Reihe an üblichen Maßnahmen getroffen, um zusammen mit unseren Vertriebspartnern das Portfolio in die richtige Richtung zu entwickeln. Die zweite wichtige Maßnahme ist, noch stärker als in der Vergangenheit auf Risikoqualität zu achten und zu schauen, dass die Risiken, die im Kollektiv sind, nicht nur adäquat bepreist sind, sondern vor allem Anforderungen an die Risikoqualität erfüllen.

Was heißt das?

Ein Unternehmen, das keinen adäquaten Brandschutz hat oder andere grundlegende sicherheitsrelevante Voraussetzungen nicht erfüllt, hat es heute sehr viel schwerer als noch vor vier oder fünf Jahren, einen adäquaten Versicherungsschutz zu finden. Das ist auch richtig so, weil am Ende das Kollektiv nicht dafür haften kann, dass sich Einzelne nicht ausreichend mit Risikoqualität und Schadenprävention beschäftigen.

Unterstützen Sie dann bei der Prävention?

Wir sind sehr stolz darauf, dass wir ein sehr erfahrenes und großes Netzwerk an eigenen Risikoingenieuren haben, die wir schon bei der Zeichnung der Risiken einsetzen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Risikoqualität im Detail aussieht. Da verlassen wir uns nicht auf Vorversicherer, Firmenangaben oder Gutachten, die seitens des Kunden vorgelegt werden. Unsere Experten haben auch den Auftrag zu prüfen, was getan werden kann, um die Risikoqualität zu verbessern – beispielsweise beim Brandschutz oder Einbruchschutz. Also, Prävention ja, aber natürlich geht das nicht bei jedem Kleinstrisiko.

Wenn wir von Zeichnungsdisziplin reden: Wie steht es um die Cyberversicherung?

Unsere Kunden nehmen Cyberrisiken als eine große Bedrohung wahr, was sich mit unserer Einschätzung deckt. Wir wissen von Kunden, die eine vielstellige Anzahl von Cyberangriffen erfahren haben – von einfachen Spam-Mails bis hin zu größeren Attacken mehrmals am Tag. Wir sehen aber auch, dass bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen vielerorts die Fähigkeit, sich gegen Cyberangriffe zu schützen, nicht immer maximal ausgeprägt ist. Wir wollen an der Seite unserer Kunden sein, aber wir sehen uns die Risiken genau an. So nehmen wir vor der Zeichnung gemeinsam mit dem Kunden Risk Assessments vor, geben Hinweise zur Prävention und zur Verbesserung der Cyberabwehr. Auch bei der Höhe der Deckung sind wir nicht mehr bereit, alles zu zeichnen.

Bleibt es trotzdem ein Wachstumsmarkt?

Ja. Aber ein Wachstumsmarkt mit Herausforderungen und einer, bei dem wir uns als Versicherer und auch explizit als Allianz noch weiterentwickeln müssen. Ich persönlich glaube beispielsweise, dass Risk Assessment und auch die langfristige Begleitung eines Risikos durch einen stetigen Check der Cybersicherheit Dinge sind, welche die Zeichnungsfähigkeit von Cyber deutlich verbessern werden. Und darin investieren wir als Allianz. Übrigens auch gemeinsam mit der AGCS im Rahmen von Allianz Commercial.

Im Firmengeschäft gibt es auch aufgrund des Klimawandels zahlreiche Herausforderungen. Was tun Sie hier?

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für unsere Branche, aber zuallererst auch für unsere Kunden. Wir erleben, dass die Häufigkeit und die Wucht der Naturereignisse zunehmen und dass der Absicherungsgrad unserer Kunden steigt. Insofern hat man immer mehr dieser Risiken in den Büchern. Wir werden weiter an der Seite unserer Kunden stehen und gleichzeitig alles rund um den Klimawandel – beispielsweise im Hinblick auf erneuerbare Energien – unterstützen.

Wenn wir beispielsweise über Themen wie Photovoltaik, Windenergie oder CO2-Speicherung bis hin zu neuen Technologien wie beispielsweise Wasserstoffpyrolyse sprechen, dann sehen wir uns als Allianz als einen der großen Anbieter in der qualitativen Versicherung dieser Risiken. Durch die Allianz Esa, unseren Spezialisten in der Technischen und Transportversicherung, sind wir Vorreiter in der Begleitung unserer Kunden in der Nachhaltigkeitstransformation durch die Absicherung der innovativen Technologien.

Denn wenn diese Risiken nicht versichert werden, wird die Wirtschaft auch nicht in ihre Entwicklungen investieren. Wir sehen uns hier in der Rolle, nicht nur das klassische Klimawandelrisiko zu versichern, sondern sehen auch die Energiewende als Teil unseres Kundenauftrags.

Aber gerade auch an dieser Stelle dürfte es eine hohe Zeichnungsdisziplin verlangen?

Ja, natürlich mit einer hohen Zeichnungsdisziplin. Aber wir reden nicht mehr über Nischengeschäfte, sondern wir verzeichnen beispielsweise bei der Allianz jeden Tag eine dreistellige Zahl an Photovoltaikabschlüssen.

Spüren Sie denn, wie Vermittler und Makler aktiv mit diesen Themen auf Sie zukommen?

Absolut, sowohl Vermittler als auch Kunden. Wir haben übrigens ein spannendes Wachstumsfeld, das wir aktuell angehen: Das ist die Agri-Photovoltaik, in der Landwirte über ihre Feldflächen eine Photovoltaikanlage bauen. Für die Landwirte ist dies ein neues Umsatzsegment, indem sie neben Korn oder Hopfen auch Strom produzieren und verkaufen. Die Allianz ist einer der Partner, der mit innovativen Versicherungslösungen dem Landwirt eben nicht nur seine landwirtschaftlichen Versicherungen oder die klassische Haftpflicht- und Inhaltsversicherung bietet, sondern der auch die Photovoltaik abdeckt.

Vorhin haben Sie Ihr Produkt „Unternehmensschutz“ angesprochen. Versucht man mit Produkten mit starker Bündelung verschiedener Bereiche nicht auch eine starke Standardisierung?

Das hängt davon ab, wie Sie das Produkt und die entsprechenden Antragsstrecken gestalten. Wir haben beim neuen Unternehmensschutz, der mit Betriebs- und Berufshaftpflicht- und Inhaltsversicherung bereits live ist und wo im Herbst die Gebäudeversicherung folgt, ein Modell geschaffen, das Standardisierung und Individualisierung gleichzeitig ermöglicht.

Wir haben in jedem der Produkte ein Vier-Linien-Modell, das von einer eher günstigen Basisabsicherung bis zu einem vollumfänglichen Premiumschutz reicht. Da kann man in vier verschiedenen Ausprägungen agieren. Zudem lässt sich eine Reihe an Bausteinen und an Anpassungen bei Deckungssummen oder Sublimits anfügen.

Wir haben sowohl in Haftpflicht als auch in Inhalt von Franke und Bornberg ein FFF+ für den Unternehmensschutz ab der zweiten Linie erhalten. Insofern bieten die Linien eine Top-Absicherung und eine große Flexibilität. Wenn der Vermittler in seiner Beratungsleistung noch Anpassungen oder Erweiterungen haben will, hat er die Möglichkeit, dies in der gleichen Antragsstrecke und im gleichen Prozess durchzuführen.

Die Inflation macht manches teurer. Trotzdem sind Sie bei Ihrem Angebot zuletzt günstiger geworden.

Wir haben uns noch mal mit spitzem Bleistift an unsere Preisgestaltung gemacht und haben tatsächlich bei ungefähr 60% der Risiken in Haftpflicht und Inhalt die Preise um 10% und mehr gegenüber den Vorgängerprodukten senken können. Wir haben aber keine Preissenkung „über alles“ gemacht: Es gibt auch eine ganze Reihe an Risiken, die etwas teurer geworden sind.

Greifen Vermittler und Kunden denn gern auf das komplette Bündel zu oder dann doch eher auf die einzelnen Sparten?

Wir bieten jedes Produkt einzeln an. Insofern wird jedes Produkt einzeln gerechnet und kann dann mit weiteren Verträgen kombiniert werden. Es ist kein vorkonfektioniertes Bündel oder gar ein Zwangsbündel. Und die positiven Rückmeldungen bestätigen, dass dies das richtige Konzept ist – nicht nur aus dem Maklermarkt, sondern interessanterweise auch aus den anderen Kanälen, wo insbesondere die mittelgroßen Gewerbekunden den Ansatz fahren, nicht jedes Produkt vom selben Versicherer zu nehmen.

Welcher Bereich läuft besser? In den AssCompact Umfragen schneidet die Haftpflichtversicherung bei Maklern besser ab.

Wir sind wie in jedem Prozess der Produkteinführung in unterschiedlichen Stadien. Die Haftpflicht war das erste Produkt, das wir letzten Frühsommer eingeführt haben, die Inhaltsversicherung folgte einige Monate später. Wir sehen in beiden Produkten eine ähnliche Wachstumskurve, die leicht zeitversetzt ist. Von der Attraktivität der Produkte sehen wir keinen Unterschied. Natürlich haben wir die Resultate in der AssCompact zu unseren Sachversicherungen wahrgenommen. Unser Anspruch ist durchaus, dass wir in der nächsten oder spätestens übernächsten Studien-Ausgabe noch weiter vorne stehen.

Was bringt der neue Gebäudeschutz, der demnächst kommt?

Wir nehmen für uns als Allianz in Anspruch, dass wir im Hinblick auf Elementarrisiken ein besseres Risikoverständnis haben als der ein oder andere Mitbewerber am Markt. Das führt dazu, dass wir unsere Preise stärker differenzieren können. Und das wird man spüren. Wir haben zudem darauf geachtet, Nachhaltigkeitsthemen sehr stark zu integrieren, sowohl in der Gestaltung des Standardprodukts als auch im sogenannten Nachhaltigkeitsbaustein, der noch mal eine Reihe zusätzlicher Deckungen bietet, etwa eine deutliche Erhöhung der Schadenzahlung, wenn das Gebäude nach einem Schadenfall anhand nachhaltiger Kriterien wieder aufgebaut wird.

Wie gestaltet sich denn insgesamt der heutige Wettbewerb in der Gewerbeversicherung?

Der Wettbewerb ist hoch, sowohl was die Angebote der Versicherer angeht als auch der Wettbewerb, den sich die Makler um die Kunden liefern. Das finden wir durchaus gut, weil Wettbewerb zu Innovationen und zu einer intensiveren Beschäftigung mit den Risiken führt.

Wie erleben Sie denn die Konsolidierung am Maklermarkt? Wie sehr sind Sie davon betroffen?

Wir spüren eine gewisse Auf­regung am Markt, die wir aber eher auf der vertrieblichen Seite sehen als in der Beziehung zu den Ver­sicherern. Wir selbst sind überzeugt davon, dass wir eine sehr zielgerichtete, zukunftsfähige Aufstellung haben, um mit den Maklern zusammenzuarbeiten. Aber wir gehen davon aus, dass sich die Veränderungen in diese Richtung fortsetzen werden. Das hat aber für die Deckung der Einzelrisiken und auch für die tagtägliche Zusammenarbeit nur bedingt Auswirkungen.

Sie haben vorhin einmal die Allianz Commercial erwähnt. Wie grenzt sich Ihr Geschäftsbereich davon ab?

Die Allianz definiert das Gewerbesegment bis 5 Mio. Euro Umsatz in der Haftpflicht und 10 Mio. Euro Ver­sicherungssumme in der Sachversicherung. Darüber sehen wir das MidCorp-Geschäft, und das ist das Geschäft, in dem wir künftig sehr viel enger mit der AGCS zusammenarbeiten werden unter dem Trade-Brand Allianz Commercial.

Wir werden keine gemeinsame Organisation bilden oder unsere Einheiten fusionieren, sondern wir werden sicherstellen, dass wir jeweils den für den Kundenbedarf passenden Partner zur Verfügung haben. Diese engere Zusammenarbeit äußert sich zum einen darin, dass wir eine ganze Reihe von Koordinierungsaktivitäten gestartet haben, unter anderem auch die Einsetzung von Hans-Jörg Mauthe als unseren Managing Director für Allianz Commercial. Das bedeutet auch, dass wir beispielsweise unseren Risikoappetit, unsere Produktdefinition, unsere Bedingungen näher aneinander führen. Und es gibt uns außerdem die Möglichkeit, gemeinsam in Dinge zu investieren, für die selbst eine Allianz Versicherungs-AG oder eine AGCS nicht groß genug gewesen wäre.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Ulrich Stephan, Allianz

 
Ein Interview mit
Ulrich Stephan