AssCompact suche
Home
Immobilien
24. März 2020
„Mit YouTube-Videos wird man noch lange kein guter Immobilieninvestor“

„Mit YouTube-Videos wird man noch lange kein guter Immobilieninvestor“

Immobilieninvestments sind gefragt wie nie. Die Immobilien Investment Akademie bietet seit 2009 Trainings für Immobilieninvestoren und solche, die es werden möchten. Die Geschäftsführer Jörg Winterlich und Michael Wiesendorf warnen vor leichtsinnigen Immobilienkäufen. Professionellen Investoren biete der Markt aber weiter Chancen.

Herr Winterlich, was macht einen Immobilieninvestor nachhaltig erfolgreich?

Jörg Winterlich: Zunächst einmal muss man zwischen Investoren und Kapitalanlegern unterscheiden. Der klassische Kapitalanleger lässt sich etwas verkaufen. Er kauft eine Immobilie nicht, weil er eine Immobilie haben will, sondern sieht darin eine Möglichkeit zur Altersvorsorge oder um Steuern zu sparen. Manchmal einfach auch nur aus dem Herdentrieb heraus. Er beschäftigt sich nicht wirklich damit, wie die Immobilie funktioniert. Er macht keine ernsthafte Risikoanalyse, sondern lässt sich etwas verkaufen, wo er der Meinung ist, dass es gut aussieht. In vielen Fällen ist es aber nicht gut.

Und der Investor?

Michael Wiesendorf: Der professionelle Immobilieninvestor versteht den Geschäftsprozess Immobilie. Er weiß, dass in jeder Immobilie Risiken stecken, und beschäftigt sich explizit mit diesen. Er schaut zunächst, dass er ein profitables Immobilieninvestment vor sich hat. Die ganzen Seitenvorteile wie Steuerersparnisse sind nur ein Zusatz für das gute Grundgeschäft. In den meisten Fällen verdient der klassische Anleger kein Geld mit Immobilien oder erst, wenn er wieder verkauft nach vielen Jahren, manchmal Jahrzehnten. Ein professionell agierender Investor schafft „Cash Today“ dagegen dauerhaft. Der Anleger legt, wie das Wort schon verrät, Geld an. Viele Leute wissen momentan nicht, was sie mit ihrem Geld machen sollen, und sind mit minimalen Renditen zufrieden. Sie haben zum Beispiel Geld aus einer auslaufenden Lebensversicherung und legen es dann irgendwie in das vermeintliche Betongold für „kleinste Renditen“ an. Was dann allzu oft zu hohen Kaufpreisen für den Veräußerer, aber nicht zu einem lukrativen Investment beim Käufer verhilft.

JW: Im Moment gibt es noch eine dritte Gruppe: die Möchtegern-Investoren. Animiert durch Videos auf YouTube und Tschakka-Veranstaltungen sind sie der Meinung, dass sie in ganz kurzer Zeit einen großen Bestand aufbauen können. Die wissen oft gar nicht, welche Probleme sie sich damit einkaufen. Im Moment sind ganz viele dieser übermotivierten, regelmäßig jungen Leute unterwegs, denen weisgemacht wurde, dass man mit Immobilien ganz einfach und schnell reich werden kann. Doch mit ein paar Videos von YouTube oder Facebook wird man noch lange kein guter Immobilieninvestor.

MW: Den Anlegern wird erzählt, dass Finanzierungen zu 100% oder gar 120% möglich sind, und die glauben, dass das geht. Das geht natürlich auch – für die ersten ein, zwei Immobilien. Danach laufen sie aber in eine Finanzierungsfalle hinein und bekommen keine weiteren Finanzierungen mehr.

Müsste die Bank solche Finanzierungen nicht stoppen?

JW: Die Leute glauben, dass die Bank auch die Preiswürdigkeit der Immobilie bewertet, wenn sie einem so viel Geld gibt. Das ist aber nicht so. Die Bank schaut auf die persönliche Leidensfähigkeit des Kreditnehmers. Wie gut ist er in der Lage, unter „persönlichen Schmerzen“ seinen Verpflichtungen gegenüber dem Bankhaus nachzukommen?

MW: Im Rahmen meiner 30 Jahre Abwicklungstätigkeit für viele Banken musste ich schätzungsweise über 28.000 Abwicklungsverfahren begleiten. Und ich sehe heute klare Parallelen zu Vertriebsmaßnahmen der 80er- und 90er-Jahre, als die Menschen massenhaft wegen Steuervorteilen in Immobilien investiert haben. Heute ist nur der Motor ein anderer. Heute ist es das billige Geld statt der Steuervorteile. Jungen Leuten werden zudem Flausen in den Kopf gesetzt. Sie müssten zukünftig nicht mehr arbeiten, wenn sie ein paar Immobilien kaufen.

JW: Ihnen werden Versprechungen gemacht wie: in sechs Monaten schuldenfrei, in zwölf Monaten zum Millionär. Das ist durchaus möglich – aber nur auf der Schuldenseite, nicht beim Vermögen. Man wird nicht Immobilieninvestor und ist dann auf einmal reich. Die Wahrheit weicht gravierend von dem ab, was im Internet präsentiert wird.

MW: Bei einer so hohen Nachfrage wie derzeit bekomme ich alles verkauft. Überspitzt gesagt: Spätestens wenn sich Hausmeister, Putzfrau und Gärtner über ihre nächsten Immobilieninvestments unterhalten, ist es für mich als professionellen Immobilieninvestor der richtige Zeitpunkt, um auszusteigen. Und was passiert gerade?

Kann man in so einem Markt überhaupt noch in die Welt der Immobilieninvestments einsteigen?

JW: Es gibt natürlich auch heute noch gute Chancen am Immobilienmarkt. Man muss halt ein bisschen mehr suchen und mehr Problemlösungskompetenzen mitbringen. Wir empfehlen jedem angehenden Investor, vorsichtig anzufangen. Klein anfangen mit einer Immobilie in guter Lage und ohne größere Probleme. Erfahrungen sammeln und dann Stück für Stück ein Immobilienportfolio aufzubauen. Mit Problem­immobilien ist man am Anfang völlig überfordert. Das ist wie in der Fahrschule. Am Anfang steige ich ja auch nicht in einen Sportwagen, sondern muss erst mal schauen, wie ich ein Auto überhaupt bei unterschiedlichen Bedingungen auf der Straße halte. Im Moment überschätzen sich viele Anfänger und geben zu viel Gas. Wer meint, im ersten Jahr direkt 40 oder 50 Wohnungen kaufen zu müssen, dürfte mit seinen Investments schneller am Baum landen, als ihm lieb ist.

Braucht es neben Fachwissen auch ein gutes Netzwerk?

JW: Das Netzwerk ist auch wichtig, denn die guten Deals stehen oft nicht bei ImmobilienScout24 oder Immowelt. Bei sog. „Offmarket-Immobilien“ sollte man aber auch vorsichtig sein. Der Begriff wird immer öfter missbraucht und kursiert durch das Internet, um überteuerte Immobilien an den Mann zu bringen.

Können Sie Anfängern einen konkreten Tipp für ihre ersten Investments mitgeben?

MW: Sie sollten sich zum Beispiel genau Gedanken darüber machen, an wen sie ihre Immobilien zu welchem Preis vermieten. Die spontane Antwort lautet in der Regel: idealerweise so hoch wie möglich. Doch die Leute, die die höchsten Mieten bezahlen, sind meist die, die schnell wieder weiterziehen oder Mietausfälle produzieren. Die Immobilien Investment Akademie hat extra einen Fünf-Punkte-Mietercheck entwickelt, um das Risiko eines falschen Mieters zu minimieren. Den geben wir unter anderem an die Teilnehmer unserer Trainings weiter.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2020 auf Seite 66f und in unserem ePaper.