Die Kfz-Versicherer stecken gerade in der Endphase der Kfz-Wechselsaison. Da sich die Mehrheit aller Kfz-Versicherungsverträge am Kalenderjahr orientiert, ist für wechselwillige Kunden eine Kündigung bis Ende November möglich. Aufgrund der deutlichen Prämienanpassungen – Vergleichsportal Verivox spricht von einer durchschnittlichen Steigung von 21% im Vergleich zum Vorjahr – die marktweit ins Haus stehen, dürften sich nicht wenige Kunden dieses Jahr auf der Suche nach einem günstigeren Tarif gemacht haben.
Müssen Kfz-Versicherer schwarze Zahlen schreiben?
Der Wettbewerb in der Kfz-Sparte definiert sich seit jeher vorwiegend über den Preis. Aber die Kfz-Versicherer schreiben rote Zahlen. Hohe Reparatur- und Ersatzteilkosten sowie steigende Löhne in Werkstätten haben sich in den letzten Jahren negativ auf die Bilanzen ausgewirkt. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) müssen die Kfz-Versicherer im laufenden Jahr mit einem Verlust von bis zu 2 Mrd. Euro rechnen – und das, nachdem sie bereits im Vorjahr ein Minus von über 3 Mrd. Euro eingefahren haben.
Bei den 50 größten Kfz-Versicherern hierzulande gab es laut dem Branchenmonitor der V.E.R.S. Leipzig GmbH im Jahr 2023 kein Unternehmen, das eine Schaden-Kosten-Quote von unter 100% vorlegen konnte – durchschnittlich über alle 50 Anbieter hinweg lag die Schaden-Kosten-Quote – auch Combined Ratio genannt – bei 112,24%. Das bedeutet, für jeden eingenommenen Euro gaben die Kfz-Versicherer im Jahr 2023 durchschnittlich 1,12 Euro aus. Doch „muss“ die Kfz-Versicherung überhaupt auskömmlich sein, solange der Versicherer „unter dem Strich“ ein Plus in den Finanzen stehen hat? Solange schlechte Ergebnisse aus der Kfz-Sparte von anderen, mehr erträglicheren Sparten ausgeglichen werden?
BaFin kritisiert Quersubventionierung
Der BaFin ist die hohe Combined Ratio der Kfz-Versicherer jedenfalls ein Dorn im Auge. Bereits in der Vergangenheit hatte die deutsche Finanz- und Versicherungsaufsicht Kfz-Versicherer aufgefordert, ihre Prämien nach oben anzupassen – und zwar deutlich. Vor einigen Wochen hat Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsaufsicht bei der BaFin, dies während einer Rede bei der Herbsttagung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) wiederholt.
„Der branchenweite Anpassungsbedarf bei den Prämien ist weiterhin hoch“, warnte Wiens während der Rede. In der Schaden- und Unfallversicherung seien die regulatorischen Vorgaben für die Prämienkalkulation zwar weniger streng als in der Personenversicherung – aber auskömmlich müssen die Prämien auch hier sein, so Wiens.
Bei der BaFin ist man also durchaus der Ansicht, dass die Kfz-Versicherung profitabel sein muss – auch als alleinstehende Sparte. „Quersubventionierung aus anderen Versicherungszweigen sind keine Dauerlösung“, betonte Wiens.
Versicherer stimmen BaFin zu
Auf AssCompact Anfrage bestätigten mehrere führende deutsche Kfz-Versicherer, dass sie die Meinung der BaFin teilen. „Bezüglich der Bewertung von Quersubventionierungen von Versicherungszweigen gehen wir mit der BaFin konform“, bestätigt beispielsweise die Allianz. Die VHV ist der gleichen Meinung: „Temporär kann es vorkommen, dass beispielsweise aufgrund von Elementarereignissen oder der aktuellen hohen Inflation einzelne Sparten nicht auskömmlich sind und daher eine gewisse Quersubventionierung entsteht. Aber unser Anspruch ist es, dass alle Sparten nachhaltig auskömmlich sind“, schreibt der Versicherer.
Dies liege zudem auch „langfristig im Interesse“ der Kunden und Vertriebspartner, erklärt die AXA. Nur wenn Versicherer ihr Geschäft profitabel betreiben, seien sie auf lange Sicht „stabile und verlässliche Partner“.
Sanierung und Digitalisierung als Sparmaßnahmen
Neben Prämienerhöhungen ergreifen Versicherer auch andere Maßnahmen, um die Sparte im Unternehmen wieder auf einen grünen Zweig zu bringen. Schon vor einigen Monaten hatten mehrere Anbieter Konsequenzen gezogen: So hatte beispielsweise die HDI Versicherung die Prämien einiger Bestandskunden mit „besonders schadenlastigen Risiken“ um 50% erhöht, und die Rhion und die DEMA haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit im Kfz-Geschäft aufgrund drastisch gestiegenen Schadenaufwendungen zu beenden.
Bei der Alte Leipziger zum Beispiel hat man vor allem im Flottengeschäft weitere Maßnahmen eingeleitet, wie der für die Kfz-Versicherung verantwortliche Vorstand Kai Waldmann gegenüber AssCompact schildert. „Im Flottensegment sind wir den erforderlichen Schritt der Sanierungsmaßnahmen gegangen, bis hin zur aktiven Trennung von Risiken. Dort, wo wir nicht individuell sanieren, begegnen wir den Flotten-Risiken über eine allgemeine Beitragsanpassung.“ Auch bei Vermittlern schaut der Versicherer genau hin: „Auch die Zusammenarbeit mit Vermittlern haben wir überprüft und dort beendet, wo die Schadenverläufe überdurchschnittlich hoch waren.“
Auch Digitalisierung spielt eine Rolle, um Kosten niedrig zu halten und zu drücken. „Um den Kostenanstieg entgegenzuwirken, betreiben wir ein aktives Schadenmanagement, in dem wir unter anderem die Schadenprozesse weiter konsequent digitalisieren, z.B. durch das automatische Auslesen von Daten sowie digitale Begutachtungs- und Meldeprozesse“, schreibt die VHV.
Kfz-Versicherung weiterhin zukunftsfähig
Ob die Maßnahmen Wirkung zeigen, bleibt abzuwarten. Bei der Alte Leipziger strebt man mit den genannten Sanierungsmaßnahmen das Ziel an, im Jahr 2025 „ein auskömmliches Ergebnis, mindestens eine ‚schwarze Null‘, zu erreichen“. Die Kfz-Versicherung sei „eine ambitionierte Sparte mit weiterhin enormem Kostendruck für die gesamte Branche“, so Waldemann.
Neben den externen Faktoren, die hier eine Rolle spielen, erfordern zusätzlich die „zunehmende Digitalisierung und neue Anforderungen an die Kraftfahrtversicherung durch die Veränderungen in der Mobilität hohe Investitionen“, schreibt die VHV. „Das könnte einen Konsolidierungseffekt auslösen“, so der Versicherer weiter.
Trotz den aktuellen – und wohl auch künftigen – Herausforderungen halten die Versicherer zunächst an der Sparte fest, genauso wie an der Überzeugung, dass es möglich ist, diese gewinnbringend zu betreiben. So etwa die AXA: „Wir sind davon überzeugt, dass die Kfz-Sparte ein wichtiges und sinnvolles Geschäft ist, das auch langfristig erfolgreich betrieben werden kann.“ (js)
Bild: Igor Link – stock.adobe.com
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Leserkommentare
Comments
Muss die Kfz-Versicherung profitabel sein?
Ich bin schon der Meinung, dass jede Sparte sich selbst tragen muss. Es macht keinen Sinn, dass z.B. der Kunde mit seiner Unfallversicherung die Kfz-Versicherung saniert, obwohl er vielleicht gar kein Auto hat. Vielleicht sollte man auch über unsere Rechtsprechung nachdenken, denn bei kleinsten Schäden gibt es hohe Gutachten, die auch von den Gerichten gestützt werden. Wird nicht alles erneuert, sondern repariert, sind die Kosten pft nur 1/3 des Gutachtens. Lieber bei der Wertminderung ein paar Euro mehr zahlen.
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