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14. Mai 2019
„Personal zu finden, ist hoher Aufwand“ – Ein Headhunter gewährt Einblicke

„Personal zu finden, ist hoher Aufwand“ – Ein Headhunter gewährt Einblicke

Versicherern und Vermittlern fällt es immer schwerer, passende Fach- und Führungskräfte zu finden. Vielfach beauftragen Unternehmen daher einen Spezialisten wie Jan Hauke Krüger. Er ist Headhunter in der Versicherungsbranche und erzählt im Interview, worauf es bei der Mitarbeitersuche ankommt.

Herr Krüger, wie würden Sie aktuell die Personalsituation in der Versicherungswirtschaft beschreiben?

Aus Arbeitgebersicht gibt es bei Angestellten zwischen 50.000 und 150.000 Euro Jahresbrutto eine höhere Nachfrage, als der Markt bietet: Verrentung, Abgänge, Wachstum und neue Funktionalitäten etc. sind hier auslösende Faktoren. Das vorherrschende Ungleichgewicht rührt aus einer Diskrepanz von fachlicher Qualifikation, Regionalität und Gehaltsrahmen.

In welchen Bereichen zeigt sich denn die höchste Fluktuation?

Die obersten Entscheiderebenen sind kaum betroffen, wohingegen obere und mittlere Führungsebenen die langfristigen Auswirkungen von Lean-Management-Gedanken und eine zunehmende Spezialisierung spüren. Die unteren Einkommensebenen bauen dagegen eher auf, spätestens bis eine Digitalisierung komplett greift. Die technische Entwicklung hat gravierende Auswirkungen bis in die Geschäftsmodelle ganzer Vertriebe hinein. Im Underwriting erleben wir sowohl Standardisierung als auch Individualisierung.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Gründe für einen Wechsel vonseiten des Arbeitnehmers?

Ein Jobwechsel erfolgt häufig, um inhaltlich spannende Aufgaben anzunehmen, veraltet erscheinende Strukturen zu verlassen und attraktive Angebote zu nutzen. Auch fehlende Chancen zur Weiterentwicklung fördern Wechselgedanken und der finanzielle Aspekt hat hohe Bedeutung: Nur eine neue Stelle ermöglicht den Gehaltssprung. Ob es der oft zitierte „schlechte Vorgesetzte“ ist, der den Wechsel zu Großteilen auslöst, bezweifle ich.

Sie sind langjährig auf das Segment der Gewerbe- und Industrieversicherung spezialisiert. Wie schwer ist es, Fachkräfte bzw. Wechselwillige zu finden?

Die meisten, die mit mir einen Change vollziehen, spreche ich aktiv an, das heißt, sie sind potenziell wechselbereit und erwarten, angesprochen zu werden. Nur wenige suchen selbst aktiv, auch weil es ihnen eigentlich gut geht. Teilweise sind es sachliche Gründe, die den realen Wechsel verhindern. Personal zu finden, ist hoher Aufwand, die Ansprache eine Frage der Erfahrung, die Kommunikation spannend. Man sollte schon wissen, was die Person kann, wohin sie passt und wann sie wozu bereit ist. Den Menschen dort abholen, wo er steht, und sich gegen den Markt durchsetzen, das ist die Herausforderung.

Können sich denn gerade Industriespezialisten derzeit vor Jobangeboten kaum retten?

Auch gute Fach- und Führungskräfte haben nur bedingt die Chance, sich den Arbeitgeber aussuchen zu können: Es bedarf des Abgleichs der Fakten mit der individuellen Persönlichkeit. Viele gute Kandidaten sind vakant oder kurzfristig verfügbar, ohne große Auswahlmöglichkeiten vorzufinden, manche arrangieren sich eben. Der Markt ist beidseitig transparenter geworden, das hat seine Vor- und Nachteile.

Was gibt dann Ihrer Meinung nach bei der Entscheidung für das eine Unternehmen meist den Ausschlag?

Nach meiner Erfahrung suggerieren die Versicherer derzeit mehr Sicherheit. Einige Maklerhäuser müssen sich aktuell neu finden. Die Erfolgskriterien beim Wechsel: In welchem Kundensegment agiert das suchende Unternehmen, wie hoch ist die fachliche Kompetenz des Kandidaten, in welcher Region wird gesucht, wie breit ist der Gehaltsrahmen, wie positiv der veröffentlichte Brand der Company.

Sie kennen den Markt als Personalberater und als Versicherungsexperte. Hilft Ihnen die eigene Erfahrung, um die richtigen Köpfe für die richtige Position zu finden?

Eindeutig ja. Bei Stabsfunktionen sind auch nichtspezialisierte Personaldienstleister erfolgreich. Generell dominieren wenige Einzelunternehmer und eingespielte Teams der großen Player seit Jahrzehnten die Mehrheit der Transaktionen. Brancheninsider zu sein, ist eine gute Voraussetzung für langjährigen Erfolg.

Wann kommen Sie bei der Personalsuche der Marktteilnehmer ins Spiel?

Der Aufwand der Personalsuche wird unterschätzt, die eigene Kompetenz überschätzt. Es ist also fast wie beim Fußball-Bundestrainer. Manche Unternehmen nutzen mich seit Jahren von Beginn an, manche nach den ersten nicht gelungenen Erfahrungen. Das Miteinander ist eine Frage der Kommunikation, des Vorgehens, psychologischer Kenntnisse und beidseitigen Vertrauens. Veränderungen im Markt und die Bewerbersituation müssen wahr- und angenommen werden, damit Erfolg entsteht.

Welche Unternehmen performen in Bezug auf das Recruiting?

Es sind diejenigen Unternehmen, wo sich die Führungsebene selbst, gemeinsam mit mir, um die Personalsuche kümmert. Recruiting ist aufgrund der Vielfalt an Störgrößen eine komplexe und sehr fragile Aufgabe.

Wie gehen Sie bei der Suche vor? Personal anzusprechen bzw. abzuwerben ist ja doch eine heikle Angelegenheit.

Heikel war es in den 1950er-Jahren, als erste Pioniere diese Tätigkeit in Deutschland definierten. Heute gibt es in Konzernen ganze Teams, die nichts anderes tun. Die Branche der Personalberatung ist sehr bunt und unterschiedlich professionell. Wir sprechen Kandidaten über die sozialen Netzwerke an, sehr gerne telefonisch, über gemeinsame Bekannte, auf Empfehlung, per Anzeige, tun also alles, was machbar ist, wobei von Beginn an transparent und auf Augenhöhe kommuniziert wird, egal auf welcher Hierarchie­ebene wir suchen. Bei höheren Positionen gehe ich meistens verdeckt an den Markt, die Menge geeigneter Kandidaten ist überschaubar.

Begleiten Sie die beiden Parteien – Unternehmen und Bewerber – auch nach der Vermittlung noch weiter?

Wir begleiten von der ersten Ansprache bis zur Unterschrift, gemeinsam mit dem Arbeitgeber bis zum Beginn des Arbeitsverhältnisses, oft auch während der ersten Monate, immer abhängig von den individuellen Gegebenheiten.

Wie unterstützen Sie Ihre Kunden über die aktuelle Vakanz hinaus rund um das Thema Personalsuche?

Ich biete zum Beispiel Tagesworkshops an, in denen wir jeden einzelnen Schritt, jede Kommunikation, ganz intensiv besprechen, um die Erfolge des firmeneigenen Recruitings zu erhöhen.

Wie in vielen anderen Branchen fehlt es auch in der Assekuranz vor allem an qualifiziertem Nachwuchs. Wie erleben Sie die Situation derzeit?

Aus meiner Erfahrung ist der qualifizierte Nachwuchs in erheblicher Anzahl vorhanden, wenn wir von den brancheninternen Junioren sprechen. Überraschend sind die erheblichen Differenzen, was fachliche Selbstwahrnehmung, mögliche erste Verantwortlichkeiten sowie gehaltliche Erwartungen betrifft. Ob sich die Nachfolgegenerationen – Kommunikationsmuster klammern wir hier jetzt mal aus – so eklatant hinsichtlich Karriere, Führung, Gehaltserwartung und zeitlichem Engagement etc. von ihren Vorgängern unterscheiden, wird sich zeigen. Aus meiner Sicht wird die Altersgruppe der 35- bis 50-Jährigen aktuell am stärksten und dringendsten nachgefragt.

Die Digitalisierung verändert nicht nur Geschäftsmodelle, wie Sie eingangs schon erwähnten, sondern wirkt sich ja auch auf Arbeitsplätze aus. Viele Versicherer haben auch schon Stellen abgebaut. Wie lautet Ihre Prognose für den Personalmarkt der Zukunft?

Ich hatte vermutet, dass der Stellenabbau rasant verläuft. Die große Welle steht wohl erst noch bevor. Aktuell wird Personal an verwandte Dienstleistungsbranchen verloren, das liegt auch am Image der Assekuranz. Trotz einer positiven globalen Branchenprognose werden bundesweit weniger Stellen, dafür vermehrt andere Arbeitsinhalte besetzt werden.

Bild: © svetazi – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2019, Seite 94 f. oder in unserem E-Paper.

 
Ein Artikel von
Jan Hauke Krüger