AssCompact suche
Home
Management & Wissen
27. Januar 2022
„Starkregen kann hierzulande jeden treffen – es ist eine Frage der Zeit“

1 / 2

Platzregen im Sommer mit Haus und Baum im Gegenlicht

„Starkregen kann hierzulande jeden treffen – es ist eine Frage der Zeit“

Wie sind die Starkregenereignisse des vergangenen Sommers in Deutschland aus meteorologischer Sicht einzuordnen? Welche Bedeutung haben diese Unwetterereignisse für die Versicherungswirtschaft? Darüber unterhielt sich AssCompact mit einem Experten beim Deutschen Wetterdienst.

Interview mit Dr. Thomas Deutschländer, Leiter des Referats Hydrometeorologische Beratungsleistungen beim Deutschen Wetterdienst (DWD)
Herr Dr. Deutschländer, es wird heißer und trockener. Gleichzeitig nehmen Starkregen- und Hochwasserereignisse zu. Wie passt das alles zusammen?

Das ist ein handfester physikalischer Zusammenhang. Je höher die globale Temperatur steigt, desto mehr Wärme und Energie sammelt sich in der Atmosphäre. Es muss also mehr Temperatur auf die Regionen der Welt verteilt werden: Es wird wärmer. Und genau dieser Zugewinn an Energie sorgt eben auch dafür, dass die Luft nach rein physikalischen Gesetzen mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann: Es wird nasser. Mit jedem Grad Temperaturerhöhung steigt die Aufnahmefähigkeit der Luft von Wasserdampf um etwa 7% an. Das kann man nicht ignorieren.

Seit wann ist denn überhaupt eine Zunahme von Starkregenfällen messbar?

Menschliche Wahrnehmung einerseits und nüchterne statistische Fakten andererseits kommen sich hier in die Quere. Gefühlt gibt es in den letzten 20 Jahren eine gewisse Tendenz zu einer Zunahme von Starkregen. Auf Basis statistischer Daten können wir aber noch keine endgültig belegte Trendzunahme durch den Klimawandel feststellen. Das Monitoring von Starkniederschlagsereignissen ist extrem schwierig, weil wir es mit einem grundsätzlich seltenen und dazu kleinräumigen Phänomen zu tun haben. Letztlich existieren daher erst seit 20 Jahren durch Einführung der flächendeckenden Niederschlagserfassung mittels Radars für derartige Auswertungen gut geeignete Daten.

Inwiefern waren die sturzflutartigen Regenfälle in Westdeutschland aus DWD-Sicht besonders?

Allein die Niederschlagsmengen, die dort gefallen sind, waren für die Region schon etwas sehr Besonderes. Solche Mengen sind dort von unseren Messtöpfen noch nicht gemessen worden. Auf ganz Deutschland betrachtet sind solche Mengen hingegen auch früher schon beobachtet worden.

Wie wird sich die Häufigkeit solcher Ereignisse in Zukunft entwickeln und worauf sollten sich künftige Bauherren bezüglich Hochwasser und Starkregen einstellen?

Je stärker und ungewöhnlicher das Ereignis ist, desto mehr nimmt dessen Häufigkeit in der Zukunft prozentual zu. Das betrifft Sommer und Winter gleichermaßen, wobei in der Sommersaison von April bis September eben vermehrt Starkregen und in der Wintersaison dann vermehrt Dauerniederschläge auftreten werden. Niederschlagsereignisse, die gegenwärtig einmal pro Sommer auftreten, erleben wir in der fernen Klimazukunft – also von 2071–2100 – etwa zweimal pro Sommer. Aber klar sollte sein, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten sehr wahrscheinlich schon eine steigende Tendenz geben wird. Regional betrachtet neigen die Klimamodelle auch ein Stück weit dazu, dass die Häufigkeit in Richtung Alpen sowie nach Südwestdeutschland tendenziell etwas stärker zunimmt. Künftige Bauherren sollten daher bevorzugt das höher gelegene Grundstück bebauen. Auch ein Blick auf den zum Grundstück nächsten Wasserlauf sowie in die amtlichen Hochwasserkarten kann sicher nicht schaden. Klar sollte sein: Am schnellsten und am meisten sammelt sich das Wasser in Senken. Das sollte man sich bei seiner Bau- bzw. Kaufentscheidung einfach bewusst machen.

 
Ein Interview mit
Dr. Thomas Deutschländer