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25. Oktober 2021
„Viele Bürger stehen Fondspolicen noch zu skeptisch gegenüber“

„Viele Bürger stehen Fondspolicen noch zu skeptisch gegenüber“

Hermann Schrögenauer, Vorstand der LV 1871, fordert eine Abkehr von der Niedrigzinspolitik und eine steuerliche Begünstigung der privaten Altersvorsorge. Bei Kunden und Vermittlern stellt er ein Umdenken fest, ermutigt aber, mehr Investment zu wagen. AssCompact hat nachgefragt.

Die Sondierungsgespräche sind zu Ende, eine Ampel-Koalition scheint nicht unwahrscheinlich. Was bedeutet die Entwicklung für Versicherer und Versicherungsmakler?

Ich rechne damit, dass es noch eine Weile spannend bleibt. Die inhaltlichen Differenzen zwischen den Parteien sind groß – insbesondere, wenn es um Themen der Versicherungsbranche geht. Besonders die Vorstellungen zwischen den Grünen und der FDP liegen hier weit auseinander. Ein Beispiel sind die Regulierungsthemen: Die Grünen wollen die Provisionen für Versicherungsvermittler abschaffen, die SPD setzt auf eine Deckelung, die FDP plant nichts in diese Richtung. Einig sind sich die Parteien immerhin beim Renteneintrittsalter – die Rente mit 67 will offenbar niemand antasten. Bis die Parteien hier und natürlich bei allen anderen Themen eine einvernehmliche Lösung gefunden haben, wird es noch eine Weile dauern.

Die Themen Altersvorsorge und Rente erlebten im Wahlkampf eine Achterbahnfahrt – manchmal heiß diskutiert, manchmal im Hintergrund verschwindend. Allzu viel mehr ist auch jetzt noch nicht sicher. Was erwarten Sie sich an dieser Stelle von einer neuen Regierung?

Obwohl die Altersarmut eines der drängendsten Probleme unserer Zeit ist, fällt den Parteien nicht wirklich etwas Neues ein. In den Wahlprogrammen war die Altersarmut kaum mehr als ein Schlagwort. Ein nachhaltiger Plan, der auch den Zeithorizont einer Rentenansparphase von mehr als 40 Jahren berücksichtigt, ist nicht ersichtlich – weder im „Bürgerfonds“ (Grüne) noch im Altersvorsorge-Depot der FDP, dem standardisierten Angebot der SPD oder der Generationenrente (CDU). Die Ansätze gehen in die richtige Richtung, sind aber zu halbherzig. Wir haben in Deutschland ein unterdurchschnittliches Rentenniveau im EU-Vergleich. Wir müssen uns jetzt dringend damit beschäftigen, das Rentenniveau anzuheben und die Frage der Altersvorsorge ganzheitlich zu betrachten, um die drohende Altersarmut abzuwenden. Denn auf Basis des demografischen Wandels wird das Rentenniveau nicht ausreichen, um allen Menschen einen würdevollen, angemessenen Lebensabend zu garantieren. Dabei ist es unbedingt ratsam und auch staatliche Aufgabe, ein niedrigschwelliges Angebot zur Verfügung zu stellen.

Und Ihre konkreten Vorschläge?

Die Politik sollte sich für eine Abkehr vom Wohlstandskiller der Niedrigzinspolitik einsetzen, damit sich mehr Bürger das private Investment leisten können. Denn: Sollte weder eine niedrigschwellige Vorsorge noch eine private Altersvorsorge für weite Teile der Bevölkerung möglich sein, wird die Altersarmut und damit die Schere zwischen Arm und Reich noch größer. Unser klarer Appell an die Politik ist daher die Abkehr von der Niedrigzinspolitik und eine steuerliche Begünstigung der privaten Altersvorsorge. Nur so kann sie als zukunftsfähiges Modell in den Köpfen der Deutschen verankert werden.

Die Politik gibt die Richtung vor. Die Entscheidung liegt aber auch in der Eigenverantwortung der Bürger und dort gibt es zwischen Wissen und Handeln immer noch eine Diskrepanz, wenn es um die Altersvorsorge oder mögliche finanzielle Lücken im Alter geht. Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus?

Klar ist: Das Thema Altersvorsorge ist nicht sexy und niemand kauft eine Versicherung aus einer Laune heraus. Altersvorsorge wird immer ein Produkt bleiben, bei dem es wichtig ist, den Bedarf zu erkennen und die damit verbundene Beratungsleistung anzunehmen. Wichtig ist deshalb, dass die Beratung unabhängig und individuell erfolgt. One-Size-Fits-All-Lösungen sind bei der privaten Vorsorge der falsche Weg. Die Angebotspalette muss genauso individuell sein wie die Bedürfnisse der Kunden. Wir brauchen unabhängige Makler, die – weil sie auf der Seite des Kunden stehen – differenziert beraten und passgenaue Lösungen anbieten.

Aktuell wird viel über das neue Investment-Engagement der Deutschen gesprochen. Stellen Sie tatsächlich fest, dass mehr Renditeorientierung gewagt wird?

Fest steht: Die Bundesbürger müssen umdenken. Viel zu viele stehen Investmentlösungen wie beispielsweise Fondspolicen noch eher skeptisch gegenüber. Und das ist verständlich: Auf eine Gesellschaft, in der jahrzehntelang das Sparschwein oder das Girokonto die Mittel der Wahl waren, wirkt das vermeintlich risikoreichere Börsenumfeld erst einmal unsicher und wenig planbar. Gerade in der Niedrigzinsphase kann eine Altersvorsorge jedoch nur dann eine angemessene Performance erreichen, wenn man ihr renditestarke Investments wie Aktien und Unternehmensanleihen beimischt. Deshalb wird es Zeit, dass wir mehr Investment wagen – die Tendenz dazu sehen auch wir bereits an unserem Neugeschäft.

Das erfordert auch eine stetige Erweiterung des Wissens auf Vermittlerseite. Eine höhere Volatilität macht Kunden und Berater nervös, das kennen wir von früheren Ereignissen. Ändert sich da auch gerade etwas?

Ein gutes Beispiel ist hier die Digitalisierung, die ebenfalls viele Veränderungen für den Berufsstand des Maklers mit sich brachte und bringt. Auch hier müssen Vermittler reagieren und ihre Geschäftsmodelle adaptieren, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Wir beobachten aber, dass Vermittler sich dessen bewusst sind und oft auch schon weiter sind, als wir Versicherer denken. Wichtig ist es, dass wir sie dabei unterstützen – denn genau daraus besteht eine Partnerschaft. Und das gilt natürlich nicht nur für die Digitalisierung, sondern ebenso, wenn es um Produktneuheiten oder -veränderungen, oder auch wichtige Inhalte für die Beratung geht. Wir stehen unseren Geschäftspartnern verlässlich zur Seite, um sie bei der Kundenansprache und -beratung bis hin zum Abschluss zu unterstützen. Ihre Rolle sehen wir dabei als umfassende Vorsorgeberater, nicht als reine Verkäufer von Produkten.

Die Versicherungswirtschaft fordert, dass die 100%-ige Beitragserhaltungsgarantie in der Lebensversicherung, auch in der bAV fallen soll. Erwarten Sie, dass es so kommt und wie wird die LV 1871 reagieren?

Die Abschaffung der Beitragsgarantie ist in unseren Augen ein wichtiger Schritt in Richtung Modernisierung der Altersversorgung in Deutschland. So kann das Thema Lebensversicherungen in Deutschland langfristig wieder als zukunftsorientierte Anlageform in den Köpfen der Verbraucher verankert werden. In der Branche weiß man schon lange, dass eine 100%-ige Garantie bei Altersvorsorge, die über Jahrzehnte läuft, wenig Sinn macht und für den Kunden hohe Opportunitätskosten, nicht investiert zu sein, mit sich bringt. Eine angemessene Performance gibt es in einer Niedrigzinsphase nur, wenn man renditestarke Anlageklassen wie Aktien und Unternehmensanleihen beimischt. Dabei ist eine breite Streuung verbunden mit langer Laufzeit der risikominimierende Faktor schlechthin. Genau das bieten unsere fondsgebundenen Rentenversicherungen. Dabei können sehr individuell die Risikoneigung des Kunden sowie die Investmentvorlieben berücksichtigt werden – beispielsweise Nachhaltigkeit, ETFs oder gemanagte Varianten, wo man sich um nichts kümmern muss. Natürlich kann das auch mit Garantie kombiniert werden, da unser Deckungsstock sehr gut dasteht und eine bis zu 100%-ige Absicherung weiterhin möglich ist. Hier lohnt es sich immer, auf einen finanzstarken Anbieter zu setzen.

Bild: © LV 1871