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9. September 2020
„Würde es Covid-19 nicht geben, hätten wir es eigentlich erfinden müssen“

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„Würde es Covid-19 nicht geben, hätten wir es eigentlich erfinden müssen“

Wie kritisch ist die konjunkturelle Situation?

Die Lage ist hinsichtlich quantitativer Merkmale kritisch. Die qualitativen Kriterien sind weitaus unkritischer. Wir sehen eine dynamische Erholung in den Bereichen, die politisch administriert wieder geöffnet werden. Das impliziert für mich Zuversicht nach vorne. Wir haben heute in der Weltwirtschaft das größte Konjunkturprogramm, das je aufgelegt worden ist. Es hat zwei Elemente. Beide davon sind wichtig. Das erste ist das konsumtive Element. Die tragenden Säulen der Ökonomie werden während der politisch administrierten Rezession über diverse Interventionen des Staates erhalten. Das ist wichtig, damit die Wirtschaft später wieder Vollgas geben kann. Wären die Strukturen kaputt, müssten diese erst wieder mühsam aufgebaut werden. Dann wäre eine schnelle und nachhaltige Wirtschaftserholung nur schwer möglich.

Und das zweite Element?

Wir investieren mit den geplanten nationalen und supranationalen Konjunkturprogrammen massiv in neue Strukturen. Gerade diese Investitionen dürften ab 2021 eine positive Wirkung entfalten, zumal all das durch Unternehmenstätigkeit gestemmt werden muss. Und Unternehmenstätigkeit heißt nichts anderes als Bilanzwachstum, Skaleneffekte und erhöhte Gewinnpotenziale. Das ist ein Aspekt für die zügige Erholung, den die Märkte erkannten und erkennen.

Also die Krise als Chance für starke Unternehmen?

Vollkommen richtig. Ich bin für die mittel- bis langfristige Konjunkturlage sehr optimistisch. Ab 2021 sehe ich für die meisten Wirtschaftsräume dieser Welt ein Wachstum am oberen Rand des Potenzials, und das bei einem fortgesetzten Anlagenotstand, denn die enormen Programme, die jetzt aufgesetzt werden, erfordern die Fortsetzung des Niedrigzinsniveaus. Würde es Covid-19 nicht geben, wir hätten es eigentlich erfinden müssen. Nehmen Sie das Beispiel USA. Wir hatten in den USA im letzten Jahr ein riesiges Problem: gut 2% Wachstum bei einem Haushaltsdefizit von mehr als 5% der Wirtschaftsleistung. Das heißt nichts anderes, als dass es keine selbsttragenden Kräfte in der Ökonomie gab. Das ist eine Katastrophe. Die USA brauchten das extreme Niedrigzinsniveau, um Handlungsfähigkeit zu erhalten und mit Covid-19 haben die USA genau das bekommen.

Wie gefährlich sind hohe Staatsschulden?

Entscheidend ist nicht die Brutto­verschuldung, sondern die Schuldentragfähigkeit. Der japanische Yen war in den letzten Jahren trotz eines Verschuldungsgrads Japans von ca. 240% des BIP eine Fluchtwährung. Wenn man wie Deutschland zu einem Zins von null finanziert, hat man eine unendliche Schuldentragfähigkeit. Wenn wir dann die öffentlichen Mittel für sinnvolle Investitionen einsetzen, dann ist das eine gute Politik.