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9. September 2020
„Würde es Covid-19 nicht geben, hätten wir es eigentlich erfinden müssen“

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„Würde es Covid-19 nicht geben, hätten wir es eigentlich erfinden müssen“

Ist die „whatever it takes“-Politik der EZB nicht doch gefährlich?

Ganz im Gegenteil. Aus der Betrachtung der letzten zehn Jahre wissen wir, dass die Eurozone mit ihrer Reformpolitik die größten Fortschritte aller großen westlichen Industrienationen gemacht hat. Hätte es „whatever it takes“ nicht gegeben, dann wäre die Eurozone zerfallen, die auf einem guten Reformweg war. Die einzelnen europäischen Länder hätten sich dann nach dem Zerfall Wirtschaftszonen untergeordnet, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, wie zum Beispiel die USA. Das wäre irrsinnig gewesen. Die „whatever it takes“-Politik war richtig. Sie funktionierte auch, weil man den Weg zum Niedrig- und Nullzinsniveau einschlug, der die stark belastenden Zinseszinseffekte nivellierte oder neutralisierte.

Drohen dadurch aber nicht Exzesse?

Das sehe ich in Breite und Tiefe nicht, weil sie durch Regulierungen bei Eigenkapital- und Solvenzregeln verhindert werden. Durch sie werden die negativen Folgen einer solchen Zins­politik weitestgehend ausgeschlossen. Wir halten auch keine Zombieunternehmen am Leben, wie von Gegnern der Niedrigzinsen oft argumentiert wird. Schlechte Unternehmen erhalten auch in diesem Zinsumfeld keinen Nullzins. Sie zahlen auch heute noch 7, 8 oder 9%. Zombieunternehmen werden also keinesfalls zum Nulltarif mit durchgeschleppt.

Wie haben Sie die Portfolios in diesem Umfeld ausgerichtet?

Wir haben derzeit eine Aktienquote von etwa 70%. Zudem setzen wir auf eine breite regionale Streuung. Hinzu kommt eine Cash-Quote von um die 10%, um Opportunitäten wahrnehmen zu können, wenn sie sich ergeben. Darüber hinaus haben wir einen Anteil an Edelmetallaktien und auch an Gold direkt.

Gold boomt 2020 wie nie zuvor. Ist dieser Boom berechtigt?

Ich habe schon um die Jahrtausendwende herum darauf hingewiesen, dass das Weltfinanzsystem Krebs hat. Und genau deshalb brauchen wir Asset-Klassen außerhalb des Systems. Dazu zählt auch Gold. Und heute hat das Weltfinanzsystem mehr Krebs als 2000/2001, weil sein Epizentrum, die USA, in einer prekären Lage ist. Die USA untergraben durch ihre Politik den Status des Dollars als Weltleitwährung. Das ist einer der Primärkatalysatoren für den Boom von Gold.

Zudem werden die USA wirtschaftlicher zunehmend unbedeutender. Lag ihr Anteil an der Weltwirtschaft mal bei 25%, so liegt er mittlerweile unterhalb von 15%. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Zentralbanken der Welt von dem System eman­zipieren und Reserven in Form von Gold aufstocken. Einen weiteren Anstieg auf 2.300 Dollar innerhalb der nächsten Monate halte ich vor diesem Hintergrund noch für eine konservative Prognose. Und auch darüber hinaus dürfte sich Gold als Portfoliobeimischung bewähren. (mh)

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2020 und in unserem ePaper.

Bild: © m.mphoto – stock.adobe.com