AssCompact suche
Home
Assekuranz
18. Dezember 2025
„Wir machen den Preiswettbewerb bewusst nicht mit“

1 / 2

„Wir machen den Preiswettbewerb bewusst nicht mit“

„Wir machen den Preiswettbewerb bewusst nicht mit“

Für BU-Versicherer stellen Anfragen von Kunden mit psychischen Vorerkrankungen eine Herausforderung dar. Wie die Alte Leipziger trotzdem versucht, solchen Kunden eine BU anzubieten, und welche Auswahlkriterien abseits vom Preis wichtig sind, erläutert ALH-Vertriebsvorstand Frank Kettnaker.

Interview mit Frank Kettnaker, Vertriebsvorstand der ALH Gruppe
Herr Kettnaker, zum Ende des Jahres werden Sie nach über 40 Jahren in der Branche in den Ruhestand gehen. Blicken Sie kurz auf Ihre lange Karriere zurück. Was empfinden Sie als Highlights?

Im November 2007 bin ich mit Anfang 40 Vertriebs- und Marketingvorstand von Alte Leipziger und Hallesche geworden. Das heißt, ich habe mit der Finanzkrise gestartet und weitere Krisen und Marktumbrüche folgten, zuletzt mit Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation. Rückblickend haben wir diese herausfordernden Zeiten für das Unternehmen sehr gut gemeistert. Mehr als das: Im Ranking der Lebensversicherungen hat sich die Alte Leipziger auf Rang 5 weit nach vorne gearbeitet. In der Krankenversicherung haben wir mit den Budgettarifen den Markt geprägt und eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Diese Dinge machen mich stolz. Vor fünf Jahren haben wir den Schritt gewagt und Alte Leipziger und Hallesche unter der Dachmarke „ALH Gruppe“ zusammengefasst. Auch das war ein Meilenstein für das Unternehmen.

Was waren Ihrer Meinung nach die bedeutendsten Veränderungen in der Branche in den letzten Jahrzehnten, im positiven wie als auch im negativen Sinne?

Sehr prägend war sicherlich die Ausweitung der Regulatorik in allen Bereichen. Ich sage nur: Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, Insurance Distribution Directive, Offenlegungs- und Transparenzvorgaben bezüglich Nachhaltigkeitsrisiken oder DORA zur Bewältigung von IT-Risiken. Die Branche ächzt unter den Anforderungen. Wir müssen wieder ein vernünftiges Maß finden und den „Value of Regulation“ stärker hinterfragen. Kommen sehen haben wir die Konsolidierung am Maklermarkt. Doch die Wucht und Geschwindigkeit, mit der sie kam, das hat mich schon sehr überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass der deutsche Versicherungsvertrieb zum Wagniskapital für ausländische Investoren wird.

Worauf freuen Sie sich besonders im neuen Lebensabschnitt?

Ich bin vierfacher Vater und seit Kurzem zweifacher Großvater, ab Ende Januar sogar dreifacher. Ich freue mich auf Zeit mit der Familie, auf Reisen und auf eine selbstbestimmte Tagesplanung. Als Vertriebsvorstand hat man einen sehr durchgetakteten Kalender. Das habe ich zwar auch geliebt, aber nur mit dem Wissen, dass es nicht immer so bleibt. Jetzt kommt die Zeit für mehr Freiraum. Ich sage immer: Ich muss nicht in den Ruhestand gehen, sondern ich darf.

Einige Branchenkollegen haben sich ja zu einer Beratertätigkeit bei Konsolidierern entschieden. Ist das auch für Sie eine Möglichkeit?

Sag niemals nie. Aber ich bin von Natur aus ein Typ Mensch, der das, was er tut, zu 100% macht. Im Moment bin ich noch zu 100% Vertriebs- und Marketingvorstand der ALH Gruppe. Meine Energie fließt derzeit voll und ganz in den erfolgreichen Abschluss des Vertriebsjahres 2025, die Vorbereitungen für 2026 und in den Übergang von mir zu Christian Pape. Er ist als mein Nachfolger bereits an Bord und es ist großartig, dass wir einen nahtlosen Übergang gestalten können.

Kommen wir zum Fachlichen. Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit. Trotzdem haben Menschen mit Vorerkrankungen es häufig noch schwer, eine BU abzuschließen. Warum tut sich die Versicherungsbranche mit psychischen Erkrankungen immer noch so schwer?

Bei einem gebrochenen Bein lässt sich der Heilungsverlauf zuverlässig voraussagen. Bei psychischen Erkrankungen ist das nicht der Fall. Das macht es für uns als Versicherer schwieriger, risikoadäquate Prämien zu kalkulieren, und deshalb arbeiten Lebensversicherer mit Ausschlüssen oder Ablehnungen bei psychischen Vorerkrankungen. Verschärft wird das Kalkulations- und Prognoseproblem dadurch, dass bei psychischen Erkrankungen oft auch nach einer Therapie ein erhöhtes Rückfallri­siko besteht.