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27. Oktober 2020
„Wir sind angetreten, die bAV einfach zu machen“

„Wir sind angetreten, die bAV einfach zu machen“

Interview mit Martin Bockelmann, Gründer und Vorstandsvorsitzender der xbAV AG. Bei xbAV handelt es sich um eine unabhängige Plattform zur Vereinfachung der betrieblichen Altersversorgung. Das „x“ steht dabei für die vier adressierten Parteien: Arbeitgeber, Mitarbeiter, Versicherer und Vermittler. Beim Ausbau der Plattform rücken weitere betriebliche Vorsorgeformen in den Fokus.

Herr Bockelmann, xbAV ist angetreten, die bAV zu digitalisieren. Wie weit sind Sie bisher gekommen?

Wir sind angetreten, um die bAV einfach zu machen. Wir verstehen die Digitalisierung als Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen. 2007 habe ich die xbAV gegründet, die ersten Jahre waren natürlich am härtesten. Der Durchbruch kam 2012 mit dem ersten volldigitalen Produkt, dem Formularportal. 2014 folgte der Launch der ersten vollautomatisierten Bestandsverwaltung für Arbeitgeber. Diese haben wir stetig weiterent­wickelt und immer mehr Gesellschaften angeschlossen. 2015 kam der Bereich des Neugeschäfts hinzu.

Letztlich war und ist unser Antrieb eine Studie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der als das große Hemmnis für die bAV-Verbreitung der Administrations- und Informationsaufwand auf Arbeitgeberseite genannt wurde. Immer mehr in den Fokus rückte dann, dass wir die bAV nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Mitarbeiter und für die Vermittler einfacher machen wollen.

Bringt der Einsatz digitaler Tools eine höhere Durchdringung?

Auf jeden Fall. Vermittler, die mit der Plattform arbeiten, haben 50% mehr Abschlüsse. Zudem ist die durchschnittliche Beitragshöhe etwa doppelt so hoch im Vergleich zum Marktdurchschnitt. Im Self-Service, wo der Kunde selbst rechnen kann, zusammen mit der Beratung – also das hybride Modell – stellen wir fest, dass wir eine doppelte Durchdringung pro Arbeitgeber erzielen, auch hier im Vergleich zum Marktschnitt.

Das sind Zahlen, mit denen wir zeigen können, dass Technologie bei der bAV-Verbreitung hilft und der Vermittler mehr bAV-Geschäft macht. Das Geschäft ist zudem bestandssicherer. Wir sehen geringere Stornoquoten, wenn die Beratung einem Prozess folgt und der Mitarbeiter über alle Fragen aufgeklärt wird. Und wir sehen, dass der Vermittler deutlich mehr Zeit für seine Beratungsleistung hat, da er sich bei den wesentlichen Schritten – zum Beispiel der Anlage des Kunden, dem Zeichnen von Anträgen durch die elektronische Unterschrift oder der Generierung von Dokumenten – immens Zeit spart. Wir sprechen hier von rund 40% Zeitersparnis.

Heißt das, dass der Berater zuvor keine Zeit für die Beratung hatte?

Es sind mehrere Punkte. Die Durchdringung geht hoch, weil der Vermittler in der Lage ist, aufgrund eines geführten Prozesses näher an das Thema heranzukommen, und es damit auch seinen Kunden leichter zugänglich macht. Die Arbeitnehmer erhalten transparente Informationen. Es gibt auf offene Fragen verständliche Antworten auf Basis von rund 170.000 Beratungen, die über die Plattform bereits abgewickelt wurden. Wir kennen die kritischen Punkte wie zum Beispiel die Nachsteuerbetrachtung, die Abzugs­situation der Sozialversicherung in der Rentenphase oder die Darstellung der bAV auf dem Gehaltszettel. Und natürlich ist der Arbeitgeber eine wichtige Schnittstelle in der Verbreitung der bAV. Wenn der Mitarbeiter aus der Personalabteilung in der bAV eher Aufwand sieht, ist seine Reaktion bei Nachfrage aus der Belegschaft eine andere, als wenn das Thema weitgehend automatisiert ist.

Sie müssen vor allem auch Bewegung auf die Plattform bringen. Wer zieht hier wen nach?

Wir haben heute deutlich über 40 Ver­sicherer und große Vertriebe auf der Platt­form. HDI war der erste Ver­sicherer, der die gesamte Plattform bei uns erworben hat und ist auch heute noch einer der Versicherer, die alle Funktionalitäten und Module lizenziert haben. Das haben wir noch nicht bei allen 40 erreicht. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dass bei allen Versicherern nicht nur Bestandsverwaltung oder Neugeschäft funktionieren, sondern dass wir vollumfänglich die Funktionalität, die die Plattform bietet, im Versicherermarkt ausrollen können. Dann wird der Effekt für die Vermittler, die Unternehmen und die Beschäftigten selbst noch einmal deutlich besser.

Wie kommt das Tool zum Vermittler?

Makler oder Mehrfachagenten beziehen den Plattformzugang direkt bei uns. Die Ausschließlichkeit wird direkt von der Vertriebsorganisation oder der Versicherungsgesellschaft ausgestattet. Dann gibt es dazwischen noch Vertriebe und Pools, die ihren Vermittlern ein besonderes Paket zur Verfügung stellen, die das aber ebenfalls direkt bei uns beziehen.

Haben Sie während der Corona-Zeit Auswirkungen festgestellt?

Auf jeden Fall. Wir spüren in der Tat, dass es eine deutliche Beschleunigung der Digitalisierung gibt. Es finden aktuell kaum noch Präsenzberatungen statt. Insbesondere in der bAV kann ich heute nicht mehr durch die Firmen ziehen und als Vermittler im Stundentakt Einzelgespräche anbieten oder gar eine Mitarbeiterveranstaltung machen. Hier haben wir beispielsweise das Thema Videoberatung auf der Plattform unterstützt – denn die funktioniert vor allem dann, wenn Sie im Hintergrund eine digitale Beratungsstrecke haben.

Zunächst gab es einen Rückgang in den Neugeschäftszahlen, seit Juni, Juli gibt es aber eine starke Erholung, seit August sind die Zahlen wieder auf Vorkrisenniveau und der September war erfreulicherweise unser stärkster Monat seit Firmengründung Aber natürlich bringt die Krise für die Kunden eine große Unsicherheit. Und nur wenn es unseren Kunden gut geht, kann es uns gut gehen.

Es gibt inzwischen weitere Anbieter von bAV-Plattformen. Wird das Wettbewerbsumfeld intensiver?

Wettbewerb ist ein gutes Zeichen. Ich würde mir Sorgen machen, wenn es keinen gäbe – dann hätten wir etwas über­sehen. Ich glaube, ein Unterschied ist: Wir verstehen uns als unabhängige bAV-Plattform. Wir bedienen alle vier Stakeholder – dafür steht auch das x in unserem Namen –, den Ver­sicherer, den Vermittler, den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer, die wir über eigene Oberflächen abholen und denen wir jeweils eine eigene, nutzerzentrierte Anwendung bieten, die auf der Plattform miteinander vernetzt sind. Anfangs hatten wir ein reines Arbeitgeberportal und dort stehen heute viele unserer Mitbewerber. Grundsätzlich ist genug Platz für mehrere Plattformen. Wir sind gut aufgestellt, nicht nur wegen unserer Größe und des Zeitvorsprungs.

Welche Ideen treiben Sie aktuell an?

Der Fokus im letzten Jahr lag auf den Mitarbeitern. In diesem Jahr auf den Unternehmen, also beispielsweise die Integration der Plattform ins HR-System. Was wir jetzt vor uns haben, ist, den Nutzen für alle vier Stakeholder zu erweitern. Wir haben mit dem Thema betriebliche BU-Versicherung angefangen und sind gerade mittendrin im Thema bKV. Die Überschrift lautet „Vorsorge für alle Beteiligten einfacher machen“. Da bewegen wir uns ein Stück aus der reinen bAV hinaus.

Sie haben vor einem halben Jahr eine weitere Finanzierungsrunde hinter sich gebracht. Wohin soll es mit xbAV gehen?

Zusammen mit der letzten Finanzierungsrunde liegt das Investment insgesamt bei 50 Mio. Euro. Wir arbeiten an weiteren Funktionen, die Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der bAV helfen. Außerdem binden wir kontinuierlich weitere Versicherungsgesellschaften und Produktanbieter an unsere Plattform an und arbeiten an einer Schnittstelle direkt in die Personalsysteme. Damit wird die Verwaltung für die Personalabteilungen noch leichter. Wir konzentrieren uns auf unser Ziel: Vorsorge einfach machen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2020, Seite 88f., und in unserem ePaper.

Bild: © sdecoret – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Martin Bockelmann