Von Dr. Michael Wurdack, Partner der Kanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack
Nur Vermittler und Vermittlerbetriebe, die die maßgeblichen Eckdaten – beispielsweise aus der Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerechts oder aus der Rechtsprechung zu Beratungs- und Dokumentationspflichten – im Blick haben, können die Strukturen schaffen, um diese Vorgaben auch im Tagesgeschäft organisatorisch und vertrieblich zu meistern.
Anlegerschutz- und Finanzanlagenvermittlerrecht AnsFuG und gebundene Vermittler
Im April 2011 ist das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (AnsFuG) in weiten Teilen in Kraft getreten. Mit dem AnsFuG, genauer gesagt mit den am 01.11.2012 wirksam werdenden Regelungen des § 34 d Abs. 1 bis 5 WpHG (Gesetz über den Wertpapierhandel), ergeben sich wichtige Änderungen. „Tied agents“, das sind Vermittler, die sich als selbstständige Handelsvertreter unter ein Haftungsdach begeben haben oder begeben wollen, sollten sich unbedingt rechtzeitig darauf einzustellen.
Die sogenannten vertraglich gebundenen Vermittler (§ 2 Abs. 10 KWG – Gesetz über das Kreditwesen) können Anlageberatung und Abschlussvermittlung aller im KWG genannten Produkte (z. B. Investmentfonds oder Aktien) im Namen und für Rechnung des die Haftung übernehmenden Instituts betreiben. Zur Verbesserung des Anlegerschutzes werden künftig konkrete inhaltliche Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern gestellt, zu denen im Sinn des WpHG trotz ihrer Selbstständigkeit auch die gebundenen Vermittler gehören. Gemäß § 34 d Abs. 1 WpHG dürfen nur solche Mitarbeiter mit der Anlageberatung betraut werden, die sachkundig sind und über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss bei der BaFin ein entsprechendes Register einrichten und vor Aufnahme der Tätigkeit des gebundenen Vermittlers diesen dort anzeigen. Gleiches gilt u. a. für Vertriebsbeauftragte im Sinn des § 34 d Abs. 2 WpHG.
Die bereits vorgenommene Meldung als gebundener Vermittler nach den Vorschriften des KWG macht die künftige Meldung nach der Maßgabe der WpHG-Vorschriften nicht überflüssig. Einzelheiten dazu, zur Sachkunde und deren Nachweis- und Ausgestaltungsmöglichkeiten, zu Berufsqualifikationen als Sachkundenachweis sowie zur „WpHG-Alte-Hasen“-Regelung (seit 01.01.2006 weitestgehend ununterbrochen als Mitarbeiter in Anlageberatung oder Vertriebsbeauftragter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens tätig) finden sich im Entwurf der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom Juli des Jahres 2011.
„Tied agents“, die nicht in den Genuss der „Alte-Hasen-Regelung“ kommen, sollten sich zeitnah mit ihrem Haftungsdachgeber in Verbindung setzen, um die notwendigen Sachkundenachweise zu klären und erforderlichenfalls Qualifikationsmaßnahmen anzugehen. Zwar gibt die Übergangsregelung des § 42 d WpHG am 01.11.2012 tätigen gebundenen Vermittlern noch Frist, sich bis zum 31.05.2013 für die jeweilige Tätigkeit „nachzuqualifizieren“. Heute gilt aber immer noch, was schon die alten Römer wussten: Dass die Zeit oft (zu) schnell vergeht. Fehlt die erforderliche Qualifikation, hat der Haftungsdachgeber sicherzustellen, dass der Vermittler nicht tätig wird. Die BaFin kann dessen Tätigkeit untersagen.
§ 34 f GewO und FinVermV
Im Zuge der angestrebten Angleichung des Anlegerschutzes über die verschiedenen Vertriebskanäle hinweg gibt es auch für die bislang mit der Gewerbeerlaubnis des § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 GewO tätigen Vermittler Neuerungen, und zwar aus dem am 25.11.2011 verabschiedeten Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts.
Der Gesetzgeber hat bei der „gewerberechtlichen Lösung“ des Finanzanlagevertriebs berücksichtigt, dass nach § 1 Abs. 2 Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) künftig insbesondere Anteile an geschlossenen Fonds („grauer Markt“) Finanzinstrumente im Sinn des KWG (§ 1 Abs. 11 Satz 1 KWG) sind. Dementsprechend ist im Zuge der Novellierung des Finanzanlagenvermittlerrechts die Regelung zur Bereichsausnahme (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG) abgeändert worden. § 34 f GewO berücksichtigt die bislang in § 34 c Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewO genannten Anlagen und erweitert diese auf Vermögensanlagen im Sinn des § 1 Abs. 2 VermAnlG. Ist das Gesetz noch in 2011 im Bundesgesetzblatt verkündet worden, so kommen mit dem dann am 01.01.2013 in Kraft tretenden § 34 f GewO neben den bisherigen Anforderungen des § 34 c GewO – Zuverlässigkeit und geordnete Vermögensverhältnisse – künftig auch Berufshaftpflichtversicherung und Sachkundenachweis sowie Registrierung im Vermittlerregister hinzu. Diese Voraussetzungen dürften für Versicherungsvermittler mit Erlaubnis gemäß § 34 d Abs. 1 GewO vertraut klingen. Dennoch gilt es, einige Besonderheiten im Blick zu haben:
Die Erlaubnis des § 34 f GewO kann nach aktuellem Stand dreigeteilt beantragt werden, je nach Wahl und Sachkundenachweis für die Bereiche Investmentfonds, geschlossene Fonds in Form einer KG oder sonstige Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 VermAnlG. Neu ist, dass Finanzanlagenvermittler im Sinn des § 34 f GewO direkt bei der Beratung und Vermittlung mitwirkende Personen nur beschäftigen dürfen, die selbst über einen Sachkundenachweis verfügen und deren Zuverlässigkeit sie in eigener Verantwortung überprüft haben. Analog zum WpHG sind gewerberechtlich Einzelheiten unter anderem zum Sachkundenachweis in der bislang nur als Diskussionsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vorliegenden Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (FinVermV – Stand Juni 2011, Aktualisierung in Arbeit) geregelt. Ist der Vermittler bereits im Besitz einer Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO, entfällt der praktische Teil der Sachkundeprüfung als Finanzanlagenvermittler.
Nach langem Ringen gibt es eine gewerberechtliche „Alte-Hasen“-Regelung: Wer seit dem 01.01.2006 ununterbrochen als Anlagevermittler oder -berater(in) selbständig oder unselbstständig nachweisbar tätig war, bedarf keiner Sachkundeprüfung. Selbstständig Tätige haben die ununterbrochene Tätigkeit durch Vorlage ihrer Erlaubnis und lückenlose Prüfberichte nachzuweisen.
Alternativqualifikation
Klären sollte man die Frage von Alternativqualifikationen. Als sachkundig werden Absolventen betriebswirtschaftlicher Studiengänge mit Fachrichtung Bank, Versicherungen und Finanzdienstleistungen, Bankfachwirte, Fachwirte für Versicherung und Finanzen, Investmentfachwirte, Fachwirte für Finanzberatung, Bank- oder Sparkassenkaufleute oder Investmentfondskaufleute angesehen. Mit entsprechender Berufserfahrung sollen auch Qualifikationen als Kaufleute für Versicherungen und Finanzen „Fachrichtung Versicherung (mit zusätzlicher mindestens einjähriger Berufserfahrung im Bereich Finanzanlagenberatung und -vermittlung) oder als Fachberater(in) für Finanzdienstleistungen (IHK) mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung im Bereich Finanzanlagenberatung und -vermittlung anerkannt werden. Insbesondere für Vermittler, die beabsichtigen, Alternativqualifikationen mit Berufserfahrung zu erwerben, gilt es, die Übergangsregelungen und Fristen zu beachten.
Übergangsregelungen
Selbst „Alte Hasen“ müssen die Umschreibung der Erlaubnis nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GewO O auf § 34 f GewO innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Inkrafttreten (wahrscheinlich 01.01.2013) vornehmen lassen und dazu selbst aktiv werden. Das betrifft auch die Berufshaftpflicht. Denn die alte § 34 c-Erlaubnis erlischt nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist automatisch. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Erlaubnis für andere Tätigkeiten nach § 34 c GewO, beispielsweise Darlehens- oder Immobilienvermittlung, bleibt unberührt. Für „jüngere“ Finanzanlagevermittler mit § 34 c-Erlaubnis gelten gestaffelte Fristen. Zum einen ist unbedingt die sechsmonatige Umschreibungs-Frist (Antrag!) und Berufshaftpflichtversicherung zu beachten. Zum anderen ist die Umschreibung Voraussetzung, um den Zweijahreszeitraum ab Anfang 2013 für den Erwerb eines Sachkundenachweises nutzen zu können. Ohne erfolgreiche Sachkundeprüfung oder Erwerb einer Alternativqualifikation erlischt die umgeschriebene § 34 f-Erlaubnis automatisch zwei Jahre nach Inkrafttreten des § 34 f GewO.
Diese zeitlich etwas vertrackte Mechanik sollte auch von Vermittlern im Blick behalten werden, die aktuell keine Erlaubnis nach § 34 c Abs. 1 Nr. 2 oder 3 GewO haben, aber überlegen, sich im Finanzanlagenbereich zu diversifizieren. Sie können sich im Laufe des Jahres 2012 noch unter den einfacheren Voraussetzungen des § 34 c Abs. 1 Nr. 2 und 3 GewO (Zuverlässigkeit und geordnete Vermögensverhältnisse) die Erlaubnis holen. Nur so besteht für diese Vermittlergruppe die Möglichkeit, sich mit der vereinfachten Umschreibung ab 01.01.2013 einen zusätzlichen zweijährigen Qualifikationszeitraum (Sachkundeprüfung oder Alternativqualifikation mit entsprechender Berufserfahrung) zu eröffnen.
Umgang mit Beratungs- und Dokumentationspflichten, Beweislast und Haftung
Die Verpflichtungen zur Beratung und Dokumentation steigen durch Rechtsprechung und Gesetzgebung ständig. Für Versicherungsvermittler sind sie in den §§ 61 ff. VVG (Versicherungsvertragsgesetz) festgeschrieben. Die durch die Rechtsprechung entwickelten Pflichten, Kunden anlage- und anlegergerecht zu beraten und nur geeignete Finanzanlageprodukte zu empfehlen, finden sich bereits im WpHG (§ 31 Abs. 4 a WpHG). Auch die Finanzanlagenvermittler des § 34 f GewO müssen künftig Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten beachten. Konkretisierungen dazu finden sich in dem Entwurf der FinVermV.
Trotz dieser Verschärfungen ist immer wieder festzustellen, dass Dokumentationen nicht oder nur unzureichend geführt werden. Vermittler, die Dokumentation nur als lästiges Übel und nicht als Handwerkszeug begreifen und deren Einsatz in den Beratungs- und Verkaufsprozess nicht eingepasst haben, verschenken nicht nur Chancen für kompetentes Auftreten gegenüber Kunden. Vernünftige Dokumentation bringt zusätzliche Sicherheit vor Haftungssituationen.
Enthält ein Protokoll aber „nur vorformulierte Angaben über den Ablauf des Gesprächs, die durch Ankreuzen zu bestätigen sind, so ist es nicht geeignet, den hier erforderlichen konkreten Sachvortrag über die Art und Weise der Beratung zu ersetzen.“ (LG Wuppertal, Urteil vom 04.08.2011, Az.: 9 S 99/10). Auch das OLG Saarbrücken hat in zwei Entscheidungen (Urteil vom 04.05.2011, Az.: 5 U 502/10 und Urteil vom 27.01.2010, Az.: 5 U 337/09) ausgeführt, dass von einem wegen eines Beratungsfehlers in Anspruch genommenen Versicherungsvermittler zu erwarten ist, dass er – regelmäßig durch Vorlage seiner Dokumentation – darlegt, wie er den Versicherungsnehmer beraten hat. Es hat weitergehend und sehr streng ausgeführt, dass der Vermittler dann, wenn er keine oder nur eine unzulängliche Dokumentation vorlegen kann, die Beweislast für einen tatsächlich korrekt erfolgten Rat trägt. Auch wenn der Kunde die sogenannte primäre Darlegungs- und Nachweislast für den Beratungsfehler trägt, belegen diese Entscheidungen zusammen mit den neuen Beratungs- und Dokumentationspflichten im Bereich der Finanzanlagen beispielhaft, welche Wichtigkeit eine ordnungsgemäße Dokumentation und deren prophylaktische Aufbewahrung über mindestens zehn Jahre im Streitfall hat.
Interessant ist im Kontext des vom Gesetzgeber geforderten Verbraucherschutzes, was im Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24.10.2011 (Provisionsabgabeverbot zu unbestimmt, BaFin hat Sprungrevision beim BVerwG eingelegt) zu lesen ist: Der Kläger hatte zur Rechtfertigung der Provisions- abgabe ausdrücklich darauf hingewiesen, die Kunden erkauften sich die Abgabe der Vergütung – so der Kläger wörtlich – „durch den Verzicht auf die normalerweise geschuldeten Beratungsleistungen.“ Man darf auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein.

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