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27. Oktober 2020
Abschied vom Klein-Klein

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Abschied vom Klein-Klein

Risikoscheu überwinden

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer Anlagekultur ist die Risikoscheu. In Österreich und Deutschland etwa gelten Anlagen in Wertpapiere und Fonds als besonders riskant. Dabei wird verkannt, dass die Ertragsrisiken bei Sparbüchern oder Festgeldkonten gegenwärtig deutlich höher sind als auf den Kapitalmärkten. Inflation und Negativzinsen führen in der Regel dazu, dass hier am Ende real weniger Geld zur Verfügung steht, als eingezahlt wurde. Mit Blick auf das Vertrauen kommt hinzu, dass geringe Finanzkompetenz und eine hohe Risikoscheu sich gegenseitig verstärken. Je geringer das Verständnis und je weniger das Vertrauen in Finanzdienstleistungen, desto geringer ist die Bereitschaft, die mit Kapitalanlagen verbundenen Risiken einzugehen.

Was ist zu tun?

Die Verhaltensökonomie legt nahe, dass den Menschen Stolpersteine aus dem Weg genommen werden müssen, damit sie Kapitalanlagen in Erwägung ziehen. Leider gibt es keine Patentlösung. Sicher ist jedoch, dass es einer radikal geänderten Arbeitsweise innerhalb der Branche bedarf. Wir müssen beim Einzelnen ansetzen und eine Bereitschaft zu Ge­sprächen entwickeln. Und zwar mit den Menschen und nicht über sie hinweg, über Lösungen anstelle von Produkten, über Kommunikation anstelle von Pflichtinformation. Es geht um die Befähigung anstelle der rein technischen Informationsvermittlung. Dieses Ziel kann nur durch eine qualitativ gute Beratung und nicht über bloße Vertriebsmaßnahmen erreicht werden. Mit Blick auf die Anlagekultur geht es nicht darum, jeden zu Anlageexperten zu machen. Anlagekultur bedeutet vielmehr, sich der Möglichkeit bewusst zu sein, dass die Kapitalmärkte zur Deckung finanzieller Bedürfnisse genutzt werden können. Anlagekultur heißt darüber hinaus auch, die Fähigkeit, einem Gespräch mit dem Finanzberater folgen zu können, die Informationen in den vorgeschriebenen Offenlegungen zu verstehen und Vertrauen in die eigene Entscheidung zur Anlage zu haben.

Abschied vom Klein-Klein

Anlageberater in zentraler Rolle

Anlageberatern kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Sie sind ein zentraler Baustein beim Aufbau einer Anlagekultur. Dabei geht es nicht nur darum, ein Anlageprodukt zu empfehlen. Vielmehr steht die Beurteilung der Finanzlage und künftigen Finanzziele einer Person im Vordergrund. Erst dann stellt sich die Frage, mit welchen Lösungen sich diese Ziele am wahrscheinlichsten erreichen lassen. Vor allem findet die Beratung auch dann noch statt, wenn die Investition bereits erfolgt ist. Beispielsweise indem kommuniziert wird, wie eine Lösung umgesetzt wird und ob sie auch unter gegebenenfalls veränderten Lebensumständen noch die richtige ist. Wichtig ist, dass Berater Anlegern helfen können, ihre Verhaltens­tendenzen zu verstehen und mit ihnen umzugehen, um so schlechte Entscheidungen und Frustrationen zu vermeiden.

Technologie als ein Schlüssel zum Erfolg

Auf dem Weg hin zu einer Anlagekultur kann der Einsatz internetbasierter Technologien sinnvoll sein – gerade dann, wenn es darum geht, jüngere Zielgruppen anzusprechen. Ein Beispiel: In der Global Investor Study von Schroders ließ die überwiegende Mehrheit der Befragten ihr Interesse an einer konsolidierten Plattform für Finanzinformationen erkennen. Open Banking kann hier als Vorbild dienen, wie die notwendigen Informationen leicht zugänglich an einem Ort zusammen­geführt werden können. Hierin besteht eine große Chance. Denn unterschiedliche Informationen zu Produkten, Strategien und Hintergründen aus verschiedenen Quellen und Formaten verringern die Motivation der Menschen, sich mit dem Thema Finanzwirtschaft zu befassen. Doch Vorsicht: Ent­sprechende offene Plattformen sollten vorrangig nicht dem Marketing dienen. Das Ziel lautet vielmehr, die Menschen durch neue Technologien in ihrer Befähigung zu stärken. Technik als „Enabler“ lautet das Stichwort.

Diesen Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2020, Seite 60f., und in unserem ePaper.

Bild: © suriyapong – stock.adobe.com

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