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9. Mai 2021
Aktuelle Entwicklungen in der industriellen Haftpflicht

Aktuelle Entwicklungen in der industriellen Haftpflicht

Die Möglichkeit, offene Vermögensschadendeckungen im Rahmen der erweiterten Produkthaftpflicht abzudecken, blieb bislang meist Großunternehmen vorbehalten. Die Gothaer bietet Mittelständlern in ihrer neuen Industriehaftpflicht die Option, diese Deckung einzuschließen.

Ein Beitrag von Marcel Wilms, Leiter Produktmanagement Haftpflicht der Gothaer Allgemeine Versicherung

Der industrielle Haftpflichtmarkt verändert sich derzeit teilweise deutlich. Ver­sicherungssummenkapazitäten sinken, gleichzeitig steigen die Prämien für exponierte Risiken. Dies betrifft nicht nur Großunternehmen, die internationale Versicherungsprogramme einkaufen, sondern auch mittelständische Unternehmen bestimmter Branchen wie beispielsweise Kfz-Zulieferer oder Unternehmen der chemischen Industrie. Nach Jahren der Preisredu­zierungen steigen die Prämien bei exponierten Risiken stark an, aber auch bei weniger exponierten industriellen Risiken ist der Trend der Preisreduzierungen gestoppt.

Änderungen bei den Versicherungsbedingungen

In den Versicherungsbedingungen sieht man erste Einschränkungen. So werden etwa unter dem Eindruck der Corona-Krise Pandemieausschlüsse für gewisse Branchen diskutiert. Insgesamt steigt der Informationsbedarf der Versicherer bei komplexeren Risiken deutlich an. Entgegen diesem Trend der sich verengenden Bedingungswerke wird insbesondere ein Thema auf Produktseite im Markt diskutiert: die sinnvolle Weiterentwicklung der Produkthaftpflichtversicherung. In jeder Produkthaftpflichtversicherung ist das von den Produkten eines versicherten Unternehmens ausgehende Personen- und Sachschadenrisiko ver­sichert. Das Vermögensschadenrisiko kann seit Anfang der 70er-Jahre darüber hinaus im Rahmen der erweiterten Produkthaftpflicht versichert werden. Der Versicherungsschutz wird hierbei nicht für alle denk­baren Vermögensschäden geboten, sondern für explizit genannte Tatbestände. Die Musterbedingungen des GDV zur erweiterten Produkthaftpflicht wurden seit ihrer Einführung mehrfach überarbeitet, geändert hat sich jedoch nicht, dass ausschließlich bestimmte Sachverhaltstypen wie Einbau mangelhafter Erzeugnisse und bestimmte Kostenarten, zum Beispiel Austauschkosten, versichert sind.

Offene Vermögensschadendeckung bisher nur für wenige Kunden

Weitergehende Versicherungslösungen blieben bisher meist Großunternehmen vorbehalten, die diese mit ihren Versicherern individuell verhandelten oder in anderen Märkten, insbesondere im angloamerikanischen Versicherungsmarkt, einkauften. Die Bemühungen der Maklerschaft, die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung zu öffnen und sogenannte offene Vermögensschadendeckungen einer breiten Kundenklientel anbieten zu können, stießen auf Versichererseite überwiegend auf wenig Gegenliebe. Die Versicherer waren bei der Gestaltung des erweiterten Produkthaftpflichtmodells sehr bewusst den Weg einer enumerativen Nennung der versicherten Kosten gegangen.

Offene Vermögensschadendeckungen für Hersteller und Handelsbetriebe gelten seit jeher als sehr exponiert und schwer kalkulierbar, umfasst ihr Deckungsschutz doch sämtliche unfreiwilligen Vermögenseinbußen, die der Abnehmer im Zusammenhang mit dem hergestellten oder gehandelten Produkt erleidet. Insbesondere Betriebsunterbrechungen beim Abnehmer des Versicherungsnehmers durch ein mangelhaftes Erzeugnis oder eine mangelhafte Leistung des Versicherungsnehmers können empfindliche Schäden verursachen.

Offene Vermögensschadendeckung jetzt auch für KMU

Die Gothaer bietet ihren mittelständischen Kunden nun erstmals in ihrer neuen Industriehaftpflichtpolice die Möglichkeit, dieses Risiko optional einzuschließen. Dies geschieht in Form einer Zusatzklausel, sodass der gewohnte Rahmen der erweiterten Produkthaftpflichtversicherung nicht verlassen, sondern sinnvoll ergänzt wird. Der Versicherungsschutz wird hiermit erweitert auf Schadensersatz neben der Leistung und Aufwendungsersatz, welche der Versicherungsnehmer im Falle einer mangelhaften Erfüllung zu leisten hat, und umfasst damit insbesondere auch Betriebsunterbrechungsschäden beim Vertragspartner des Versicherungsnehmers. „Verstehen“ kommt für die Gothaer vor „Versichern“. Deshalb wird jedes Risiko individuell betrachtet, wobei die Gothaer auch ihr eigenes Risk Engineering einsetzt. Hierfür sind auch spezifische Risikoinformationen erforderlich.

Zusammenführung von UHV und USV

Ebenfalls recht neu im Markt sind zudem die ersten Versicherungsprodukte, die der unverbindlichen Empfehlung des GDV zur Umwelt­risikoversicherung folgen. Die neue Umweltrisikoversicherung (URV), wie sie auch in der Gothaer Industriehaftpflichtpolice enthalten ist, vereint die Umwelthaftpflicht- (UHV) und die Umweltschadensversicherung (USV) und bildet sämtliche Umweltrisiken in einer Deckung ab. Dopplungen entfallen, die Versicherungs­bedingungen werden kundenfreundlicher. Durch die Zusammenführung der Umwelthaftpflicht- und der Umweltschadensversicherung sind inhaltliche Änderungen erfolgt.

Das Produktumwelthaftpflichtrisiko wird im Rahmen der neuen URV vollständig versichert. Damit ist zukünftig neben dem qualifizierten auch das nicht qualifizierte Produktumwelthaftpflichtrisiko Gegenstand der URV. Das nicht qualifizierte Produktumwelthaftpflichtrisiko ist nach den alten Versicherungskonzepten innerhalb der Produkthaftpflichtversicherung abgedeckt. Vom qualifizierten Produktumwelthaftpflichtrisiko spricht man, wenn Produkte ersichtlich für Umwelt­anlagen im Sinne des Umwelthaftpflichtgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes oder sonstiger dem Umweltschutz dienender Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, wohingegen sich das nicht qualifizierte Umweltproduktrisiko auf alle übrigen Produkte bezieht.

Was ist bei der Umstellung zu beachten?

Bei der Umstellung auf die neue URV sollte auf folgende Eckpunkte geachtet werden:

  • Ob und wie ändern sich die Deckungssumme und die Jahresmaximierung, also die Höchst­ersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres, bezogen auf das Umwelthaftpflicht- und das Umweltschadenrisiko?
  • Ob und wie ändern sich Selbstbehalte für das Umwelthaftpflicht- und Umweltschadenrisiko?
  • Da auch das nicht qualifizierte Produktumwelthaftpflichtrisiko Gegenstand der URV ist, sollte der Versicherungsnehmer auf eine Änderung der Versicherungsfallzuweisung von Schadenereignis auf Manifestation hingewiesen werden.
  • Ob und wie ändert sich der Selbstbehalt für das Produktumwelthaftpflichtrisiko, das bislang in der Produkthaftpflicht mitversichert war?

Diesen Artikel lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition „Gewerbeversicherung“ und in unserem ePaper.

Bild: © Andrei Merkulov – stock.adobe.com