AssCompact suche
Home
Investment
27. November 2018
Altersvorsorge: „Kosten sind nicht das einzige gute Argument für ETFs“

Altersvorsorge: „Kosten sind nicht das einzige gute Argument für ETFs“

Kosten gewinnen bei der Altersvorsorge zunehmend an Bedeutung. Auf der Produktseite punkten in dieser Hinsicht naturgemäß passive Investments wie Indexfonds. Doch für den Finanzexperten Thomas Lau sind die Kosten längst nicht der einzige Punkt, der für den Einsatz von ETFs in der privaten Altersvorsorge spricht.

Interview mit Thomas Lau, Buchautor und Inhaber der Aixpertio Honorarberatung GmbH & Co. KG.
Herr Lau, sind ETFs nur wegen der Kosten interessant für die Altersvorsorge?

Die im Vergleich zu anderen Anlageprodukten niedrigen Kosten sind ein gutes Argument für ETFs, aber keineswegs das einzige. Mindestens genauso spricht für Indexfonds, dass sie die Idee vom wissenschaftlichen Investieren nahezu idealtypisch umsetzen. Rein passives Investieren bedeutet nicht, schlechter zu performen als aktive Fonds. Vier von fünf aktiven Fonds schneiden nach Kosten nicht besser ab als ihr Vergleichsindex. Gerade Aktien-ETFs bieten eine gute Möglichkeit, breit gestreut und systematisch Vermögen aufzubauen und so fürs Alter vorzusorgen. Die Renditeperspektiven sind nachweislich besser als bei verzinslichen Anlagen oder klassischen Lebens- oder Rentenversicherungen. Beide Anlageformen leiden unter der anhaltenden Niedrigzinssituation und ermöglichen derzeit kaum einen realen Kapitalerhalt, geschweige denn eine Vermögensmehrung.

Sind sie auch in der bAV einsetzbar?

Im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (baV) gibt es inzwischen ebenfalls einige sehr exklusive ETF-basierte Lösungen. Dabei werden Honorartarife, auch Nettotarife genannt, angeboten. Das sind Tarife, die ohne die üblichen Abschlusskosten und Bestandsprovisionen kalkuliert sind und die üblicherweise nur über Honorarberater erhältlich sind. Es handelt sich um einen überschaubaren Markt. Beispiele für Netto-Direktversicherungen sind etwa InterRisk myIndex Police, MyLife, ALTE LEIPZIGER oder Condor.

Direktversicherungen mit Nettotarif-ETF-Policen bieten einen doppelten Kostenvorteil: durch den Provisionsverzicht, günstigere Verwaltungskosten und die niedrigen laufenden ETF-Kosten. Auch für Unternehmen mit Pensionszusagen existieren ETF-basierte Lösungen als Alternative zur klassischen Rückdeckungsversicherung. Mittlerweile gibt es viele mittelständische Unternehmen, die bereit sind, in ihre Mit­arbeiter zu investieren, und die bAV über Honorarberatung mit Nettotariflösungen anbieten.

Welche ETFs eignen sich besonders gut zur langfristigen Kapitalanlage?

Generell eignen sich solche ETFs besonders gut für einen langfristigen Vermögensaufbau, die eine Anlageklasse möglichst breit abdecken und daher ein besonders gutes Verhältnis von Rendite und Risiko bieten. Ein Dax-ETF bezieht sich zum Beispiel nur auf den deutschen Aktienmarkt, ein EuroStoxx 50-ETF nur auf die 50 größten europäischen Werte. Besser ist hier ein ETF mit MSCI-World-Bezug. Beim MSCI World werden mehr als 1.600 Titel aus 23 Industriestaaten berücksichtigt. Analog gilt dieses Prinzip unter anderem auch bei ETFs für Staats- oder Unternehmensanleihen. Für Vermögensaufbau sollten ETFs „in Reinform“ genutzt werden. Innovative ETF-Lösungen wie Smart-Beta-ETFs enthalten ein spekulatives Element und sind daher weniger geeignet.

Gleicht sich der Kostenvorteil nicht durch Servicegebühren oder Beratungshonorare aus?

Honorarberatung verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem nicht das Produkt, sondern die Zielsetzung und der Vorsorgebedarf des Anlegers im Fokus stehen. Sie ist dadurch per se zielgerichteter und effizienter als eine produktorientierte Beratung. Das Honorar-Modell rechnet sich für sehr viele Anleger – auch bereits bei niedrigeren Anlagesummen. Gerade die Nettotarife im Rahmen einer privaten Altersvorsorge können dazu beitragen, dass sich Honorarberatung rentiert. Grundsätzlich sollten Beratungshonorare nicht als „sunk costs“ verstanden werden, sondern als Kosten, denen ein echter Mehrwert gegenübersteht. Und provisionsbasierte Beratung ist nicht dadurch kostenlos, dass die Kosten nicht sichtbar sind.

Sind ETFs nur für Honorarberater geeignet oder gibt es auch Provisionsmodelle?

Natürlich kommen ETFs nicht nur im Rahmen der Honorarberatung zum Einsatz. Auch Banken und andere Finanzdienstleister bieten Vermögensverwaltung und -beratung mit ETFs an – allerdings auf Provisionsbasis, das heißt ohne den Einsatz von Nettotarifen. In vielen Fällen kommt dies unter dem Strich deutlich teurer.

Wie oft sollte die grundlegende Altersvorsorgestrategie überdacht werden?

Keine Anlage- oder Altersvorsorgestrategie sollte statisch und „für alle Zeit festgeschrieben“ sein. Denn die Rahmenbedingungen, unter denen Vermögensbildung stattfindet, können sich im Zeitablauf ebenso ändern wie die persönlichen Zielsetzungen. Deshalb empfiehlt es sich, die eigene Strategie in gewissen Zeitabständen einer Revision zu unterziehen. Dabei ist zu prüfen, ob die ursprünglichen Zielsetzungen weiter Bestand haben und ob die Voraussetzungen, unter denen die Strategie einst entwickelt wurde, noch stimmen. Bei Abweichungen sollte eine Strategieanpassung erfolgen. Natürlich ist es nicht notwendig, sich permanent damit zu befassen. Es reicht, einmal im Jahr eine Revision durchzuführen. Regelmäßigkeit ist wichtiger als Häufigkeit.

Braucht es für passgenaue Altersvorsorge nicht flexible aktive Lösungen?

Dass es viele gute Gründe für ETFs gibt, bedeutet nicht, vollständig und immer auf aktive Fonds zu verzichten. Tatsächlich können aktive Lösungen in interessanten Teilmärkten durchaus besondere Chancen bieten. Dabei kommt es auch auf die „Marktlage“ an. In volatileren Zeiten können aktive Fonds tendenziell besser performen als bei einer stabilen Aufwärtsentwicklung. Die sogenannte Core-Satellite-Strategie hat sich auch im Hinblick auf die Altersvorsorge bewährt. Dabei besteht das Gros der Vermögensanlagen aus ETFs und ein kleinerer Teil aus aktiven Fonds, um überdurchschnittliche Chancen in Marktnischen zu nutzen. Solche Nischen können zum Beispiel Small und Mid Caps, Value-Titel oder bestimmte regionale Märkte sein. Beim Einsatz aktiver Fonds sind natürlich stets die Risikoeinstellung und die Präferenzen der Anleger ausschlaggebend.

Wie wichtig ist, dass ETFs das Portfolio real und nicht synthetisch nachbilden?

„Echte“ ETFs mit realer Index-Nachbildung sind für Anleger transparent und gut nachzuvollziehen. Synthetisch replizierte ETFs erreichen den Indexbezug dagegen sozusagen auf Umwegen. Trotzdem ist die synthetische Nachbildung manchmal die technisch elegantere und auch kostengünstigere Lösung. Allerdings besteht hier ein gewisses Kontrahentenrisiko, das aber auch nicht überschätzt werden sollte. Der Trend ging in den letzten Jahren mehr in Richtung echter ETFs. Für das Vorsorgevermögen ist die Frage „real oder synthetisch“ eher von untergeordneter Bedeutung. Ich persönlich würde aber tatsächlich voll replizierende ETFs bevorzugen, damit ich auch die Wertpapiere bekomme, die ich haben möchte.

Wie viele ETFs sind für eine gute Streuung notwendig?

ETFs basieren wie Investmentfonds generell per se auf dem Prinzip der Risikostreuung. Ein breit gestreutes Vermögensportfolio sollte mehrere Anlageklassen umfassen. Wie viele ETFs dafür erforderlich sind, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das hängt natürlich wesentlich von der Auswahl der jeweiligen ETFs ab. Wer zum Beispiel die Anlageklasse Aktien breit gestreut abbilden will, kann das unter anderem mit einem ETF realisieren, der sich auf den MSCI World bezieht, oder mit mehreren ETFs, die die wichtigsten Aktienmärkte auf dem Globus abbilden. Grundsätzlich ist es möglich, bereits mit einem Portfolio von einem Dutzend geeigneter ETFs – oder sogar weniger – eine gute Streuung zu erzielen.

Inwiefern sind ETFs auch in der Auszahlphase attraktiv?

Im Prinzip lassen sich auch Auszahlpläne mit ETFs gestalten. Dies kann gerade bei Aktien-ETFs wegen der höheren Renditeerwartung attraktiv sein, weil dann mehr Geld für Entnahmen zur Verfügung steht. Das Problem sind mögliche Wertschwankungen im Zeitablauf, sodass sich ein solcher ETF-basierter Auszahlplan nicht so exakt kalkulieren lässt wie bei verzinslichen Anlagen. Es gibt aber „Näherungslösungen“ wie Stufenpläne, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das bieten, was erreicht werden soll. Hier ist eine gute Finanzberatung besonders gefordert.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2018, Seite 56 f.

 
Ein Artikel von
Thomas Lau