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15. September 2020
Altersvorsorge trotz Insolvenz erhalten

Altersvorsorge trotz Insolvenz erhalten

Wenn Kunden die Insolvenz droht, müssen Vermittler aktiv Maßnahmen zur Sicherung der Altersvorsorge ergreifen. Corona, Insolvenz, Altersvorsorge – das ist der Dreiklang, der jetzt bei jedem Vermittler einen Handlungsimpuls auslösen muss. Zumal bei denjenigen, die sich auf die Fahne geschrieben haben, in guten wie in schlechten Zeiten an der Seite ihrer Kunden zu stehen. Von Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des VOTUM Verbands e.V.

Die Corona-Pandemie hat viele Kleinunternehmen und Selbstständige aus den massiv betroffenen Branchen Event, Gastronomie und Reiseveranstaltung, um nur einige zu nennen, in schwieriges finanzielles Fahrwasser gebracht. Die Hilfsangebote des Bundes können hier tatsächlich nicht jeden retten und auch Sonderregelungen für Heizpilze werden in der kalten Jahreszeit nicht alle Gaststätten am Leben erhalten. Die Aussage von Bundeswirtschaftsminister Altmaier, „kein Arbeitsplatz muss wegen Corona verloren gehen“, klang schon im März wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde und war sicher einer der Misstöne im Krisenmanagement. Ob er dabei auch an Unternehmer und Selbstständige gedacht hat, bleibt fraglich. Viele Bestandteile der Hilfspakete scheinen auf Großunternehmen zugeschnitten zu sein.

Die betroffenen Kleinunternehmer und Selbstständige sind aber auch Versicherungsnehmer, die in guten Zeiten durchaus namhafte Beträge für ihre Altersvorsorge angespart haben. Diese gilt es nunmehr – schnellstmöglich – für die Betroffenen im Fall einer drohenden Insolvenz zu sichern. Zu Beginn der Pandemie wurde die Insolvenzantragsfrist zunächst ausgesetzt und es gab die Möglichkeit, Mietzahlungen in den Monaten April – Juni bis Mitte 2022 zu stunden. Jetzt aber sind Mieten schon längst wieder voll zu zahlen und ab dem 01.10.2020 droht der nächste massive Einschnitt. Zwar soll die Sonderregelung zur Entbindung von der Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, zunächst bis zum Ende des Jahres verlängert werden, dies gilt jedoch nur für den Insolvenzgrund Überschuldung. Beruht die Insolvenzsituation auf einer ab dem 01. Oktober bestehenden Zahlungsunfähigkeit, lebt die Pflicht zur Antragsstellung wieder auf.

Lebensversicherungsverträge umstellen

Es ist also höchste Zeit zu handeln. Noch können Lebensversicherungsverträge auf Antrag so umgestellt werden, dass sie den Unpfändbarkeitsanforderungen des § 851c Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechen. Hierzu gehört, dass unwiderruflich und verbindlich eine Auszahlung nur in regelmäßigen Raten, frühestens ab dem 60. Lebensjahr vereinbart wird. Zudem muss geregelt sein, dass

  • über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,
  • die Bestimmung eines Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigtem ausgeschlossen ist und
  • die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde.
Vereinbarungen zur Umstellung

Die Versicherungsunternehmen verfügen üblicherweise über entsprechende Muster für Umstellungsvereinbarungen. Durch eine solche Vereinbarung können bis zu 256.000 Euro für die Altersvorsorge des insolventen Versicherungsnehmers gerettet werden. Guthaben, die sonst durch den Insolvenzverwalter gepfändet und zur Insolvenzmasse gezogen werden.

Die Vereinbarungen können wirksam bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und sogar noch nach dem Insolvenzantrag geschlossen werden, ohne dass ein Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat, die Umwandlung anzufechten. Zudem hat die Umwandlung Wirkung für den angesparten Kapitalstock und nicht nur für danach erfolgende Zahlungen. Beides hat unter anderem das Oberlandesgericht Stuttgart mit seinem Urteil vom 15.12.2011 zum Az. 7 U 184/11 bestätigt. Es führt zur Begründung auch die Intention des Gesetzgebers an:

„Der durch die Umwandlungserklärung bzw. den abgeschlossenen Umwandlungsvertrag bewirkte Pfändungsschutz gemäß § 851c Abs. 2 ZPO erfasst entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur etwaige nach dem Umwandlungsbegehren neu angesparte Teile des Deckungskapitals, sondern auch den bereits zuvor angesparten Kapitalstock. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck des Pfändungsschutzes gemäß § 851c ZPO. Es geht darum, dem Schuldner Mittel für eine angemessene, selbstverantwortete Altersversorgung zu belassen und vor dem Pfändungszugriff seiner Gläubiger zu schützen. Nach der Gesetzesbegründung zielen die Regelungen des § 851c ZPO u. a. darauf ab, durch den Schutz von Vermögenswerten, die der privaten Sicherung der Altersvorsorge dienen, eine vollstreckungsrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber öffentlich-rechtlichen Renten- oder Versorgungsleistungen zu beseitigen und Selbstständigen, die anders als Arbeitnehmer oder Beamte keine öffentlich-rechtlichen Rentenleistungen beziehen, vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen den Erhalt existenzsichernder Einkünfte im Alter oder bei der Berufsunfähigkeit zu sichern. Zugleich soll damit der Staat dauerhaft von Sozialleistungen entlastet werden (vgl. insg. BT-Drucks. 16/886, S. 7).“

Bestätigung des Versicherers muss rechtzeitig vorliegen

Unbedingt zu beachten ist jedoch, dass die Vereinbarung mit dem Versicherer geschlossen ist, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das bloße Umwandlungsverlangen des Versicherungsnehmers führt noch nicht zum Pfändungsschutz. Es muss daher rechtzeitig die Bestätigung des Versicherers vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen. Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 22.07.2015 zum Az. IV ZR 223/15 ausführlich begründet.

Für Versicherungsvermittler gilt es daher zwei Dinge zu beachten: Es muss das richtige und vollständige Umwandlungsverlangen mit allen Inhalten nach § 851c ZPO gestellt werden und es muss kontrolliert werden, dass der Versicherer dies auch unverzüglich bestätigt. Insbesondere für Versicherungsmakler, die einen entsprechenden Kundenwunsch umsetzen, droht sonst eine mögliche Inanspruchnahme auf Haftung durch den Kunden, wie ein aktueller Fall, mit dem der Verfasser betraut ist, belegt. Es einfach zu unterlassen, seine Kunden auf die dargelegten Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, könnte im Rahmen einer dauerhaften Geschäftsbeziehung jedoch auch eine Haftung auslösen.

Aktiv auf Kunden zugehen

Die Devise lautet daher klar: Vermittler sollten auf ihre Kunden zugehen. Wer Hilfe anbieten kann, darf auch unangenehme Themen ansprechen. Der Gesetzgeber wird für Betroffene zudem Erleichterungen umsetzen. Für denjenigen, der erst nach dem 01.10.2020 einen Insolvenzantrag stellt, verkürzt sich die Wohlverhaltensphase bis zum Erreichen der vollständigen Schuldbefreiung auf drei Jahre, ohne die Einhaltung von Vorgaben wie etwa eine Mindestbefriedungsquote, und wird damit gegenüber dem bisherigen Status quo halbiert. Für Ihre betroffenen Kunden eine gute Nachricht in schlechten Zeiten.

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