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Steuern & Recht
7. September 2020
Angemessene Wohnkosten: Mietspiegel nicht einziges Kriterium

Angemessene Wohnkosten: Mietspiegel nicht einziges Kriterium

Angemessenheit bei Wohnkosten darf nicht ausschließlich durch einen Mietspiegel definiert werden. Gerichte müssen immer das Angebot an Wohnraum zu den veranschlagten Kosten berücksichtigen. Das geht aus zwei Urteilen des BSG hervor, die nun an das zuständige Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Mietwohnungen zu akzeptablen Preisen sind in deutschen Großstädten Mangelware. Gerade für Geringverdiener ist es trotz Mietpreisbremse schwierig bezahlbaren Wohnraum zu finden. In Berlin hat dieser Umstand sogar dazu geführt, dass die Landesregierung den verfassungsrechtlich fragwürdigen Mietendeckel eingeführt hat.

Jobcenter übernimmt nur angemessene Wohnkosten

Doch die finanziell Schwächsten der Gesellschaft können ihre Mietzahlungen häufig überhaupt nicht selbst leisten und sind auf die Unterstützung durch das örtliche Jobcenter angewiesen. Die Behörde begleicht jedoch nur Ansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe. Reicht ein qualifizierter Mietspiegel in so einem Fall, um festzulegen, was eine angemessene Miethöhe ist und was nicht? Das musste nun das Bundessozialgericht (BSG) in zwei Verfahren entscheiden, die Familien gegen das Jobcenter Berlin-Mitte führten.

Jobcenter leistet nur anteilig

Die eine Familie musste für ihre Wohnung 725 Euro Warmmiete bezahlen, erhielt vom Jobcenter jedoch nur 542 Euro. Die andere Familie musste für ihre Wohnung sogar 966 Euro bezahlen, erhielt vom Jobcenter aber lediglich 669 Euro – bzw. nach einer Härtefallanerkennung einige Monate später 778 Euro. Beide Familien klagten gegen das Jobcenter auf höhere Zahlungen. Eine Klage hatte teilweise Erfolg, die andere wurde abgewiesen. Interessant wurde es jedoch erst im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg.

LSG bestimmt Angemessenheit durch einfachen Mietspiegel

Das LSG wies die Berufungen in beiden Fällen zurück. Das Gericht begründete das damit, dass die Mieter nur Anspruch auf besagte Leistungen in angemessener Höhe hätten. Dafür zog das Gericht den Berliner Mietspiegel heran und bestimmte einen Wert von fünf Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung zwischen 60 und 90 Quadratmetern als angemessen. Sollte die aktuell bezogene Wohnung zu teuer sein, könnten die Mieter die Differenz aus eigener Tasche begleichen oder wahlweise eine neue Unterkunft suchen.

Verfügbarkeitsprüfung ist unerlässlich

Dagegen richteten sich die Mieter mit ihrer Revision vor dem BSG. Die Revision hatte Erfolg. Die Sozialgerichte dürften nicht einfach einen Mietspiegel heranziehen und anhand dessen angemessene lokale Mietkosten bestimmen. Vielmehr müssten sie sich davon überzeugen, dass Wohnraum zu dem festgesetzten Wert überhaupt verfügbar ist. Denn ein Mietdurchschnitt lasse keine Rückschlüsse darauf zu, ob und wie häufig derart angemessener Wohnraum überhaupt zur Verfügung steht. Das BSG hat die beiden Verfahren an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur erneuten Beurteilung zurückverwiesen. (tku)

BSG, Urteile vom 03.09.2020, Az.: B 14 AS 37/19 R; B 14 AS 40/19

Bild: © K.-U. Häßler – stock.adobe.com