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1. Juni 2020
Aus Wetterphänomenen lernen: Versicherer können Akzente setzen

Aus Wetterphänomenen lernen: Versicherer können Akzente setzen

Als Sturmtief Sabine im Februar über das Land fegte, war schnell von Hunderten Millionen Euro Schaden die Rede. Gefragt waren die Versicherer, die für den Großteil der Schadenbilanz aufkamen. Sabine gab auch Anlass zur Diskussion, ob extreme Wetterphänomene dem Klimawandel geschuldet sind.

Ein Gastbeitrag von Dr. Christian Schareck, Leiter des Insurance Management Beratungsgeschäft in Deutschland und Partner bei KPMG

Schon die bisher beobachteten Klimaveränderungen in Deutschland führen zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse, die Teile unserer Gesellschaft vor große Herausforderungen stellen“ – so die Einschätzung des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz. Ob Hochwasser, Sommerbrände, Winterstürme: Die Kapriolen des Wetters haben enorme Auswirkungen auf Menschen und Natur – und sie führen zu hohen materiellen Schäden.

Umso wichtiger ist es, im Umgang mit Wetterrisiken Ansätze zu finden, die eine fundierte Einschätzung von Risiken und deren Auswirkungen ermöglichen. Die Versicherungswirtschaft kann hierzu einen grundlegenden Beitrag leisten. Denn in ihrer Funktion als Risikoträger und Risikomanager analysieren Versicherer seit jeher die Risiken aus wetterbedingten Ereignissen und sichern daraus resultierende finanzielle Schäden ab.

In der Risikobewertung global denken

Welche Ereignisse treten mit welchen Wirkmechanismen ein? Für Versicherer ist diese Fragestellung elementar in der eigenen Risikobewertung. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass in den Modellen zur Risikobewertung die Analyse historischer Zeitreihen zu kurz greift. Vielmehr sind Ansätze gefragt, die aus vielen Variablen unterschiedliche Szenarien und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten berechnen. Predictive Modeling wird dieser Ansatz genannt. Er verknüpft extrem viele Daten in neuronalen Netzen und lässt über Algorithmen auswerten, wie sich Veränderungen einzelner Variablen auf verschiedene Szenarien auswirken. Je besser die Datenbasis und je umfassender die vielfältigen Einflussfaktoren von Elementar- und Naturereignissen über Variablen abgedeckt werden, umso aussagekräftiger sind solche Modelle.

Deshalb ist es erforderlich, in globalen Dimensionen zu denken. Große, international agierende Versicherer sind dabei klar im Vorteil. In Deutschland gibt es viele Versicherer mit regionalem Fokus. Für sie wird es immer entscheidender, sich über Plattformen auszutauschen, über Kollaborationen zu vernetzen und an globale Modelle mit einer größeren Datenbasis anzudocken.

Klimadiskussion versachlichen

Die Szenarioanalysen und daraus abgeleitete Risikoeinschätzungen sind für Versicherer grundlegend für deren Risikomanagement, deren Preisgestaltung und auch insgesamt für deren Geschäftsmodelle. Das in den Modellen und Analysen gebündelte Know-how kann aber eine noch weitaus größere Wirkung erzielen. Denn der sehr strukturierte und analytische Umgang mit Trends und Veränderungen rund um Wetterentwicklungen kann zu einer Versachlichung in der oft emotional geführten Diskussion zum Klimawandel beitragen.

So ließen sich faktisch fundierte Vermeidungs- und Vorsorgekonzepte im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen entwickeln. Diese könnten auch Einfluss auf die regulatorische Diskussion nehmen und dem Gesetzgeber helfen, die richtigen Themen zu priorisieren sowie konkrete Impulse zu setzen, die nachhaltig Wirkung zeigen. Dies alles ist freilich keine primäre Aufgabe der Versicherungsunternehmen, aber ihre Expertise kann eine fundierte und verlässliche Orientierungshilfe geben.

Über innovative Produkte Einfluss nehmen

Die Versicherungswirtschaft kann folglich die gesellschaftliche Entwicklung unterstützen – und zudem mit innovativen Produktkonzepten nachhaltiges, klimaschonendes Verhalten fördern. Das Thema Mobilität ist hierfür ein prädestiniertes Beispiel: Vorstellbar ist, dass mit der Gestaltung im Tarifwerk und in der Bepreisung von Versicherungen jene Verhaltensweisen von Versicherten goutiert werden, die auch im Einklang mit der Regulatorik besonders wünschenswert sind.

Zukunftsweisende Mobilitätskonzepte könnten über entsprechend ausgestaltete Versicherungsbausteine gefördert und mit steuerlichen Vorteilen verknüpft werden. Wichtig ist dabei, nicht in kurzfristigen Aktionen zu denken, sondern umfassende Konzepte zu entwickeln, die nachhaltige Anreize setzen und in die richtige Richtung wirken. Neue Ideen lassen sich nicht nur zum Thema Mobilität finden. In nahezu allen Versicherungsbereichen können Produkte so weiterentwickelt werden, dass sie den gestiegenen Umweltanforderungen, neuen Technologien und auch sich ändernden Kundenbedürfnissen Rechnung tragen.

Anlagestrategien nachhaltig ausrichten

Während innovative Konzepte bei den Sachversicherungen auf das Verhalten der Versicherten einwirken sollen, können die Versicherer selbst wichtige Impulse setzen: etwa bei Versicherungen zur Alters- und Vermögensvorsorge, indem sie die Anlagestrategien in ihren Produkten auf Nachhaltigkeit ausrichten. Versicherer investieren große Volumina am Kapitalmarkt. Sowohl mit der Ausgestaltung ihrer Anlagestrategie als auch mit der Definition von Ausschlusskriterien können sie eine enorme Wirkung entfalten. Ein Ausschluss von Unternehmen, die auf klimaschädliche Energieerzeugung – etwa aus Kohle – setzen, ist nur eines von vielen Beispielen. Große Versicherer wie die Allianz haben die Umsetzung nachhaltiger Anlagestrategien zu einem der zentralen Unternehmensziele erklärt. Dass sich mit einem verstärkten Fokus der Versicherungsunternehmen auf Nachhaltigkeit die Regeln verschärfen, nach denen zukünftig investiert wird, ist zu erwarten. Klimaschutz wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Klimafreundliche Unternehmen, Produkte und Entwicklungen werden mehr Aufmerksamkeit finden, weil die Nachfrage aufseiten der Versicherer steigt.

Klimaschutz als Unternehmensziel

Was für die Kapitalanlage gilt, ist gleichermaßen die Vorgabe für die Unternehmensführung der meisten Versicherer. Ein Großteil hat sich bereits zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. So steigt die Zahl derer, die die von den Vereinten Nationen unterstützten Principles for Responsible Investment (PRI) unterzeichnet und sich damit einem Rahmenwerk zur nachhaltigen Kapitalanlage angeschlossen haben. Ein Beispiel: Erst kürzlich ist der Verband öffentlicher Versicherer – die dort vereinten 40 Einzelunternehmen sind als Gruppe die Nummer zwei auf dem deutschen Markt – geschlossen beigetreten. Ökonomische, ökologische sowie soziale Kriterien spielen inzwischen eine große Rolle in der Versicherungswirtschaft und werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Versicherer haben Schlüsselfunktion

Auf dem Weg zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit können Versicherer auf verschiedenen Ebenen eine Schlüsselfunktion einnehmen: indem sie ihre Produkte und Geschäftsmodelle nachhaltig ausrichten und indem sie den öffentlichen Dialog sachlich unterstützen. In allen Fragen der Ausrichtung der Nachhaltigkeitsstrategie eines Versicherers unterstützt KPMG mit innovativen Ansätzen und erprobten Methoden – und kann so einen Beitrag leisten, vernetzte Lösungen auf globaler Basis zu finden.

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2020 und in unserem ePaper.

Bild: © sabphoto – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Christian Schareck