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10. Mai 2023
BaFin nimmt Liquidität der Lebensversicherer ins Visier
Business Auditor Using Magnifying Glass For Paperwork Fraud Investigation

BaFin nimmt Liquidität der Lebensversicherer ins Visier

Die Finanz- und Versicherungsaufsicht BaFin hat ihren Jahresbericht 2022 vorgelegt. Demnach erweist sich das Finanzsystem trotz der Turbulenzen hierzulande als stabil. Dennoch kündigte die Aufsicht an, die Zahlungsfähigkeit unter den Lebensversicherern schärfer zu beobachten. Die meisten Beschwerden gingen bei der BaFin dagegen im Bereich Kfz ein.

Aus Sicht der nationalen Finanz- und Versicherungsaufsicht BaFin war 2022 für die Finanz- und Versicherungsbranche ein Jahr der Herausforderungen. So hatte die abrupte Zinswende größere Korrekturen auf den Immobilien- und Finanzmärkten zur Folge. Dazu gesellten sich Cyberrisiken in immer größerem Ausmaß sowie Nachhaltigkeitsrisiken wie Greenwashing. Und über allem schwebte die dynamische Inflationsentwicklung.

Nichtsdestotrotz erweise sich das deutsche Finanzsystem aus Sicht der BaFin bisher als stabil. Das betonte BaFin-Präsident Mark Branson bei der Jahrespressekonferenz der Behörde am 09.05.2023 in Frankfurt am Main. „Seit März durchlebt das weltweite Finanzsystem eine Art Stresstest in Echtzeit,“ sagte Branson. Dabei sei eigentlich immer klar gewesen, dass der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik Turbulenzen auslösen würde. Und aus Sicht des BaFin-Präsidenten ist es noch nicht ausgemacht, dass diese schwierige Phase bereits vorbei ist: „Stressphasen entwickeln sich oft in Schüben“, erklärte Branson.

Inflation und Zinsanstieg beeinflussten im Jahr 2022 aber nicht nur die Geschäftsbanken, sondern auch die Versicherungswirtschaft. Das belegt der im Rahmen der Jahrespressekonferenz veröffentlichte BaFin-Jahresbericht. Doch welche Entwicklungen erwartet die BaFin infolge der Turbulenzen auf den Kapitalmärkten in den einzelnen Versicherungssparten? Und wie krisenfest sind die Versicherer aufgestellt?

Leben: Liquiditätsmanagement hat zentrale Bedeutung

Im Bereich Leben erwartet die Aufsichtsbehörde überwiegend positive Auswirkungen des Zinsanstiegs auf die wirtschaftliche Lage und die Solvenz der Unternehmen. Allerdings weise die Kapitalanlage und insbesondere die festverzinslichen Anlagen infolge der Zinswende branchenweit hohe stille Lasten auf, heißt es im Jahresbericht. Doch müssten diese meist nicht realisiert werden, da die Kapitalanlage in der Regel bis zur Endfälligkeit gehalten werden könnten. Allerdings könnte genau das künftig schwieriger werden, wenn Kapitalanlagen verkauft werden müssten, etwa weil aufgrund eines erhöhten Stornos von Versicherungsverträgen höherer Liquiditätsbedarf entstehe. Die BaFin werde daher das Liquiditätsmanagement der Lebensversicherer aufmerksam beobachten.

Kranken: Beitragsanpassungen stabilisieren Situation

Bei den privaten Krankenversicherern erwartet die Aufsichtsbehörde wegen der langfristigen Anlagen zunächst keine wesentlichen Auswirkungen. Der Zinsanstieg sei für die Krankenversicherer aus ökonomischer Sicht tragbar, bewertete die BaFin die Finanzlage. Auch habe sich die gestiegene Inflation bisher nicht nennenswert auf die Höhe der Versicherungsleistungen und Kosten ausgewirkt. Außerdem hätten die Versicherer entsprechend reagiert und für rund 41% der Versicherten mit einem Tarifbaustein in der privaten Krankenvollversicherung die Beiträge angepasst – im Schnitt um 5,2%, wobei es auch vereinzelt zu Beitragssenkungen kam.

Schaden/Unfall: Versicherer haben angemessen reagiert

Die dynamische Inflationsentwicklung 2022 hatte indes größere Auswirkungen auf die Schaden- und Unfallversicherer. Besonders betroffen waren laut BaFin die zweige Kfz, Feuer, Wohngebäude und Hausrat. Hinzu komme laut Aufsicht, dass die Preissteigerungen in einzelnen Bereichen wie bei Kfz-Ersatzteilen oder die Errichtungskosten von Wohngebäuden noch deutlich stärker gestiegen seien als die durchschnittliche Inflationsentwicklung. Allerdings hätten die Schaden- und Unfallversicherer laut BaFin durch erhöhte Rückstellungen für Versicherungsfälle und Preissteigerungen im Neu- wie Bestandsgeschäft angemessen reagiert. Das Gros der Preisanpassungen erwartet die BaFin allerdings erst nach dem kommenden Jahreswechsel, da sich viele Jahresverträge erst dann auf Basis des Inflationsniveaus des Jahres 2022 erneuern werden.

Beschwerdestatistik: Kfz vor Leben und Kranken

Parallel zum Jahresbericht 2022 hat die Aufsichtsbehörde auch eine detaillierte Beschwerdestatistik über die Versicherer veröffentlicht. Demnach gingen bei der Behörde im vergangenen Jahr in der Sparte Kfz mit 1.143 die meisten Beschwerden über Versicherer ein, gefolgt von der Sparte Leben (1.131) und Kranken (736).

Im Bereich Kfz richteten sich laut BaFin-Statistik die meisten Beschwerden gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung (122 Beschwerden). Im Bereich Leben war dies mit 470 Beschwerden bei Proxalto Lebensversicherung der Fall, wo aufgrund einer Großübertragung der Bestände aus dem Run-off der Generali Leben Auszahlungsverzögerungen auftraten (AssCompact berichtete). Bei den privaten Krankenversicherern betraf die meisten Beschwerden die Debeka (124). (as)

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