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28. Dezember 2022
BaFin: Wohlverhaltensaufsichtliche Aspekte bei kapitalbildenden LV-Produkten

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BaFin: Wohlverhaltensaufsichtliche Aspekte bei kapitalbildenden LV-Produkten

Feststellung des Kunden­nutzens im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens

Im Rahmen des in Art. 25 IDD grundsätzlich skizzierten Produktfreigabeverfahrens haben Versicherer für jedes Produkt einen Zielmarkt festzulegen und dabei sicherzustellen, dass das Produkt den Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts entspricht. Dabei sind nach dem Verständnis der BaFin bei der Prüfung des angemessenen Kundennutzens bestimmte Produkteigenschaften einzubeziehen. Das sind insbesondere die Art und Weise der Prämienkalkulation, die Art und Weise der Durchführung der Überschussbeteiligung, bei fondsgebundenen Lebensversicherungen zudem die Fonds, die der Kunden wählen kann, Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an den Versicherer und Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner des Versicherers.

Bei der Prüfung des angemessenen Kundennutzens ist zudem zu berücksichtigen, dass kapitalbildende Lebensversicherungen in der Regel zur privaten Altersversorgung abgeschlossen werden und insoweit ein angemessener Kundennutzen zumindest voraussetzt, dass die Produkte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung von etwa 2% liegt. Versicherer haben deshalb bei ihrer Prüfung des angemessenen Kundennutzens das Zusammenwirken von Rendite (vor Kosten), Kosten und Inflation zu beachten. Dabei kommt – so die BaFin – den Effektivkosten des Produkts, die Versicherer im Rahmen ihrer Produktherstellung beeinflussen können, aufsichtsrechtlich eine besondere Bedeutung zu.

In diesem Zusammenhang problematisiert die BaFin die „frontlastige“ Kalkulation der Abschluss- und Vertriebskosten und ihre besonderen Auswirkungen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung. Versicherer müssen deshalb prüfen, ob und in welchem Umfang den „frontlastigen“ Kosten ein angemessener Kundennutzen gegenübersteht. Soweit die Kosten einen angemessenen Kundennutzen infrage stellen, sollen Versicherer Maßnahmen zur Analyse der Aufwendungen für Versicherungsvermittler und zur Reduzierung der einkalkulierten Kosten ergreifen. Bei Fondspolicen müssen Versicherer außerdem prüfen, ob hier gegebenenfalls höheren Abschlusskosten als bei kapitalbildenden Versicherungen ohne Fondsanlage auch ein höherer Informations- und Beratungsaufwand bei der Vermittlung gegenübersteht, der einen entsprechenden Kundennutzen begründen kann.

Nach dem Verständnis der BaFin müssen Versicherer im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens auch die Auswirkungen unterschiedlich hoher Aufwendungen für unterschied­liche Vertriebswege, Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Versicherer und Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner der Versicherer berücksichtigen. Zu diesen Punkten gibt es weitere Hinweise im Detail.

Prüfung von Fehlanreizen in der Vertriebsvergütung

Neben den Vorschriften zum Produktfreigabeverfahren enthält die IDD eigenständige Vorgaben zur Vertriebsvergütung und zu Interessenkonflikten (Art. 17 Abs. 3, Art. 27, Art. 28, 29 Abs. 2). Nach Auffassung der BaFin kann sich bereits aus der Höhe einer Abschlussprovision ein Fehlanreiz für den einzelnen Vertragsschluss ergeben. Deshalb sollen Versicherer eine Abschlussprovision im Hinblick auf ihre Höhe auch daraufhin prüfen, welcher Wert ihr aus Sicht des Kunden zukommt. Also informative und umfangreiche Beratung versus Schnellverkauf. Hohe Abschlussprovisionen können auch mit weiteren qualitativen Kriterien wie zum Beispiel einer individuellen Stornoquote verbunden werden. Umgekehrt haben volumenbezogene Provisionen oder gar Vorauszahlungen Indizwirkung für Fehlanreize.

Bewertung

Der Inhalt des Merkblatts stellt hohe Anforderungen an die Produktentwicklung in den Häusern der Versicherer, bildet aber gleichzeitig eine Grundlage für einen überwiegend ausgeglichenen Kompromiss von Kundeninteressen und provisionsbasiertem Vertrieb. Im Detail gibt es sicher noch Gesprächsbedarf. Warten wir das Ergebnis der Konsultation ab.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2022, S. 108 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Artur – stock.adobe.com

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