Befragung: Dunkle Misstrauenswolken über deutscher Finanzbranche

Hat Deutschland noch Vertrauen in die Finanzbranche? Wenn man dem Edelman Trust Barometer 2023 – Insights for Financial Services glaubt, sieht es schlecht aus. Schon weltweit schenken die Befragten bei insgesamt 17 ausgewählten Branchen den Unternehmen aus dem Finanzsektor am zweitwenigsten Vertrauen. Dahinter folgen noch Unternehmen aus dem Social-Media-Sektor.

Misstrauen in Finanzbranche ist groß

Hierzulande vertrauen laut Befragung 40% der Teilnehmer Unternehmen aus dem Financial-Service-Sektor. Dieser Wert liegt sogar noch unter dem globalen Durchschnitt von 59%.

Vergleicht man die einzelnen Subsektoren der Branche, zeigt sich: Lediglich 18% der in Deutschland Befragten geben an, Vertrauen in Krypto-Währungen und digitale Assets zu haben. Das Misstrauen ist somit groß – der Misstrauensbereich beim Edelman Trust Barometer liegt zwischen 1 und 49 Prozentpunkten. In diesem Misstrauensbereich liegen auch die Subsektoren Investment Management mit 34%, Finanzberatung mit 33% und FinTech-Unternehmen mit 31%.

Sachversicherer, Personenversicherer und Banken liegen im neutralen Bereich

Zwischen 50 und 60 liegt ein neutraler Bereich in der Vertrauensskala. Hier finden sich in diesem Jahr Unternehmen der Sektoren Sachversicherer (53%), Personenversicherer (51%) und Banken (54%) wieder. Der Bankensektor konnte übrigens von 2022 auf 2023 das Vertrauen der Deutschen etwas zurückerobern: Sein Trust Score nahm um 16 Prozentpunkte zu. Eine Entwicklung, die sich im Rest der Welt so nicht findet: Dort haben Banken durchschnittlich nur zwei Prozentpunkte gewonnen. Allerdings liegt das Vertrauen der global Befragten dem Bankensektor gegenüber mit 63% sowieso schon höher als bei den Befragten hierzulande.

Fehlen den Deutschen die Visionen?

Darüber hinaus finden viele in Deutschland, dass die Finanzdienstleistungsunternehmen den Interessen aller nicht gleichermaßen und gerecht dienen. Nur 27% stimmen zu. Auf die Frage, ob sie eine Vision für die Zukunft haben, an die sie glauben, stimmen ein knappes Drittel (32%) zu.

„Fundamentales Vertrauensdefizit in wichtigen Bereich unserer Volkswirtschaft“

„Insgesamt legen die Ergebnisse ein fundamentales Vertrauensdefizit in einem wichtigen Bereich unserer Volkswirtschaft offen“, meint Holger Nacken, Managing Director Financial Services bei Edelman Smithfield. Außerdem sei ein weiterer Rückgang des Vertrauens auch auf globaler Ebene zu erwarten. „Wir haben Ende vergangenen Jahres die Implosion des Krypto-Riesen FTX gesehen. In den USA haben Pleiten von Regionalbanken die meisten unvorbereitet getroffen. In der Schweiz gab es die von der Regierung geleitete Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, die das Vermögensverwaltungsgeschäft weltweit und auch das Schweizer Bankwesen umgestalten wird“, so Nacken. Kurz: Der gesamte Sektor stehe wieder in der öffentlichen Diskussion.

Davor fürchtet sich Deutschland

Hinzu kommen gesellschaftliche und existenzielle Ängste: Diese zeigen sich bei den global Befragten einerseits im persönlichen Bereich (89% haben Angst vor einem Jobverlust), andererseits im gesellschaftlichen Bereich (76% fürchten sich vor dem Klimawandel, 72% vor einem Atomkrieg). Die Angst vor Inflation liegt global bei 74%. In Deutschland ist diese Zahl mit 69% etwas niedriger.

Besseres Leben in fünf Jahren?

Jedoch können sich nur 15% der Deutschen vorstellen, dass es in fünf Jahren ihrer Familie und ihnen besser gehen wird. Global haben 40% diese Hoffnung, im vergangenen Jahr waren es 50%. Pessimistischer als die Deutschen sind laut Edelman Trust Barometer in diesem Punkt nur Japaner und Franzosen.

Wie Vertrauen wiedergewinnen?

Nun leitet sich für alle im Finanzbereich Tätigen eine Frage aus diesen Ergebnissen ab: Wie können Unternehmen der Finanzbranche in diesem Misstrauensklima wieder Vertrauen schaffen? Nacken hat eine Idee: „Im Zentrum stehen hier Transparenz und Aufklärung, wobei der eigenen Belegschaft eine wichtige Rolle zukommt, denn hier gibt es auch positive Signale.“

Ein ganz anderes Ergebnis aus dem Finanzsektor

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fällt die Vertrauensfrage der Befragung gemäß nämlich anders aus: Von allen untersuchten 17 Branchen ist das Vertrauen der Mitarbeitenden in den eigenen Arbeitgeber innerhalb des Finanzsektors mit 83% am höchsten. „Hier bietet es sich an, die eigenen Angestellten glaubhaft in die Kommunikation einzubinden“, lautet Nackens Tipp. Aufbau und Stärkung von Vertrauen seien heute vor allem eine Frage der Transparenz, der Ehrlichkeit und der Vorbereitung. Denn: Es sei nicht möglich, in einer sozial und global vernetzten Welt mit der notwendigen Schnelligkeit zu reagieren, ohne im Vorfeld eine gut durchdachte Strategie und Positionierung zu haben.

Finanzinstitute können auch gestärkt aus Krisen hervorgehen

In der aktuellen Situation bestehe ein hohes Branchenrisiko: Die Probleme einzelner Finanzunternehmen strahlten negativ auf den gesamten Sektor ab. „Je klarer ein Finanzinstitut seine eigenen Unternehmenswerte kommuniziert und öffentlich verstanden wird, desto besser sind seine Chancen, solche Krisen zu überstehen und sogar gestärkt daraus hervorzugehen“, so Nacken.

Über die Befragung

Das Edelman Trust Barometer 2023 ist die 23. jährliche Umfrage zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit, die Edelman durchgeführt hat. Die Studie wurde vom Edelman Trust Institute erstellt und basiert auf 30-minütigen Online-Interviews, die im November 2022 durchgeführt wurden. An der Umfrage zum Edelman Trust Barometer 2023 nahmen mehr als 32.000 Befragte aus 28 Ländern teil, durchschnittlich 1.150 Menschen pro Land. Zur Bewertung: Bei einem Score von 50 bis 100 vertrauen die Menschen. Zwischen 50 und 60 liegt der neutrale Bereich. Unter 50 liegt der Bereich des Misstrauens. (lg)