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19. Februar 2020
Bertelsmann-Studie lässt Debatte um Abschaffung der PKV wieder aufflammen

Bertelsmann-Studie lässt Debatte um Abschaffung der PKV wieder aufflammen

Wären alle Bundesbürger gesetzlich krankenversichert, könnten die Beiträge zur Krankenversicherung spürbar sinken. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung. Von einem Plus von 9 Mrd. Euro pro Jahr für die gesetzlichen Kassen ist die Rede, wären alle Versicherten in die GKV einbezogen. Deutliche Kritik an der Studie hagelt es nicht nur vom PKV-Verband.

Das duale System der Krankenversicherung in Deutschland geht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Berliner IGES Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Würde man die private Krankenversicherung abschaffen und alle Menschen hierzulande wären gesetzlich versichert, könnten die Beiträge spürbar sinken, und zwar je nach Szenario um 0,6 bis 0,2 Prozentpunkte. Denn unter Einbeziehung der privat Versicherten in die GKV könnten die gesetzlichen Kassen pro Jahr ein Plus von rund 9 Mrd. Euro einfahren. Die Studie stützt sich auf Daten von 2016 des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), für das rund 12.000 Haushalte befragt wurden.

Jedes GKV-Mitglied könnte 145 Euro sparen

Konkret wurde im Rahmen der Studie ermittelt, dass jedes derzeit in der GKV versicherte Mitglied und sein Arbeitgeber pro Jahr im Schnitt 145 Euro an Beiträgen sparen, wenn auch Gutverdiener, Beamte und einkommensstarke Selbstständige am Solidarausgleich der gesetzlichen Krankenversicherung teilnähmen. Würden die durch den Wegfall der PKV anfallenden Honorarverluste der Ärzte ausgeglichen, wären es 48 Euro jährlich, wie die Bertelsmann-Stiftung weiter mitteilt.

Privat Versicherte verdienen mehr und sind gesünder

Den Studienautoren zufolge ergeben sich die Verbesserungen für die GKV-Mitglieder aufgrund des in doppelter Hinsicht günstigeren Risikoprofils der Privatversicherten: So würden Privatpatienten im Schnitt 56% mehr verdienen als gesetzlich Versicherte und somit zu einem deutlich höheren Beitragsaufkommen beitragen. Zum anderen wären Privatversicherte auch gesünder. So seien etwa mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit unter gesetzlich Versicherten zu finden.

Bertelsmann Stiftung plädiert für Abkehr vom dualen System

Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt eine Abkehr vom dualen System. „Nur wenn sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, kann eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen. Die Aufspaltung der Krankenversicherung in einen gesetzlichen und einen privaten Zweig wird diesem Solidaranspruch nicht gerecht und schwächt den sozialen Zusammenhalt“, unterstreicht Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Mehrheit der Bürger würden aktuellen Umfragen zufolge eine integrierte Krankenversicherung ohne Aufspaltung nach Einkommens- oder Berufsgruppen begrüßen.

PKV-Verband kritisiert die Berechnungen als „145-Euro-Illusion“

Mit ihrer Studie hat die Bertelsmann Stiftung die Debatte um das duale System in Deutschland neu befeuert und bringt auch eine Bürgerversicherung wieder ins Gespräch. Deutliche Kritik an der Studie kommt vom Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV), der in einem „Faktencheck“ die Ergebnisse in Frage stellt. „Die Bertelsmann-Studie ist ein Rechenexempel im luftleeren Raum. Die angebliche Ersparnis von 145 Euro im Jahr ginge voll zu Lasten der ärztlichen Versorgung. Denn was die Versicherten sparen, wird den Arztpraxen genommen“, betont der Direktor des PKV-Verbandes Florian Reuther. Die „145-Euro-Illusion“ von Bertelsmann beruhe darauf, dass der PKV-Mehrumsatz für die Ärzte ersatzlos wegfiele. Damit gingen jeder Arztpraxis in Deutschland im Schnitt über 54.000 Euro pro Jahr verloren, wodurch sich die Wartezeiten und die Versorgungsqualität für alle Patienten drastisch verschlechtern würden, so Reuther weiter. Würde allein der PKV-Mehrumsatz für ambulante Medizin in Höhe von 6,4 Mrd. Euro pro Jahr ausgeglichen, würde die von der Bertelsmann Stiftung errechnete Ersparnis auf 48 Euro im Jahr sinken.

Bundesärztekammer spricht vom „Griff in die ideologische Mottenkammer“

Auch die Bundesärztekammer geht hart mit der Studie ins Gericht. So erklärt der Präsident der Kammer, Dr. Klaus Reinhardt: „Die Auftragsarbeit der Bertelsmann-Stiftung ist ein Griff in die ideologische Mottenkiste und wurde offenbar in Unkenntnis des jüngsten Gutachtens der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem der Bundesregierung (KOMV) verfasst.“ Die KOMV hatte einer Vereinheitlichung der Systeme einstimmig eine Absage erteilt und sich für Reformen von GKV und PKV ausgesprochen. Eher ideologisch denn sachlich motiviert sieht den „Ruf nach einer Zwangseinheitsversicherung“ auch der dbb beamtenbund und tarifunion.

Ungelöste Probleme des Umlagesystems

Das IW Köln schließlich mahnt, das Modell der Studie würde vorgeben, das Solidarprinzip zu stärken, biete aber keine Lösung für die großen Probleme des Umlagesystems. Unabhängig von der Verteilung der Beitragslasten im Querschnitt der Bevölkerung führe der demografische Wandel künftig zu einer stärkeren Inanspruchnahme der umlagefinanzierten Sicherungssysteme. In Anbetracht dieser Tatsache gelte laut IW Köln, ergänzende kapitalgedeckte Sicherungssysteme aufzubauen, statt die bestehende private Kranken- und Pflegeversicherung abzuschaffen. (tk)

Bild: © Fokussiert – stock.adobe.com

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Jan Lanc am 19. Februar 2020 - 20:09

Wo sind denn die Vorteile für die privat versicherten sollte der Quatsch weiter verfolgt werden? Zum Glück ist nicht Rot-Grün an der Macht!