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17. Juni 2021
Betriebsschließungsversicherung: Verfahren kommen beim BGH an

Betriebsschließungsversicherung: Verfahren kommen beim BGH an

Ein Dresdner Gastronom erhält vorerst keine Leistung aus seiner Betriebsschließungsversicherung. Das OLG Dresden hat die Revision zum BGH jedoch ausdrücklich zugelassen. Das gilt auch für zahlreiche weitere Verfahren, die aktuell ihren Weg nach Karlsruhe finden. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Bis zu einer abschließenden Entscheidung durch den Bundesgerichtshof (BGH) könnte es zwar noch Jahre dauern, aber die ersten Klagen zum Thema Leistungsanspruch aus einer Betriebsschließungsversicherung im pandemiebedingten Lockdown erreichen mittlerweile bereits das oberste deutsche Zivilgericht.

Restaurant muss im ersten Lockdown schließen

Das macht unter anderem ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden deutlich. In dem Verfahren ging es um einen Unternehmer, der in der Innenstadt von Dresden ein Restaurant betreibt. Der Gastronom hatte gegen seinen Betriebsschließungsversicherer auf Zahlung geklagt, nachdem er im Zusammenhang mit der „ersten Welle“ der Corona-Pandemie zur Schließung seines Restaurants gezwungen war.

OLG weist Klage von Restaurantbetreiber ab

Das OLG Dresden hat seiner Klage nun zwar eine Absage erteilt, die Revision zum BGH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der behandelten Fragen für zahlreiche Versicherungsverträge jedoch zugelassen. Im konkreten Fall des Mannes böte der Versicherungsvertrag zwar auch Schutz vor Pandemien und der damit einhergehenden großflächigen Schließung der Gastronomie, aber nicht vor dem neuartigen Coronavirus.

Versicherungsschutz nicht nur gegen intrinsische Gefahren

Während andere Versicherungspolicen zum Teil so gestaltet sind, dass sich der Versicherungsschutz auf Betriebsschließungen beschränkt, die ihren Ausgangspunkt im versicherten Betrieb haben (intrinsische Gefahren), war der Vertrag des Klägers weiter gefasst. Die Richter am OLG sahen es jedoch nicht als erwiesen an, dass die maßgeblichen Versicherungsbedingungen eine Absicherung gegen mehr als die dort ausdrücklich genannten Krankheiten und Erreger zuließen.

Keine Absicherung gegen neu auftretende Erreger

Die Nennung von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes im Versicherungsvertrag bedeute nicht, dass alle nach Vertragsschluss in dieses Gesetz aufgenommenen Krankheiten und Erreger ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst seien. Des Weiteren ließ das Gericht auch offen, ob es sich tatsächlich um eine den Versicherungsfall auslösende Betriebsschließung handelt, wenn zwar der stationäre Restaurantbetrieb untersagt, Außer-Haus-Verkauf jedoch weiterhin möglich ist. Doch der Fall stellt längst nicht das einzige Verfahren dar, das voraussichtlich seinen Weg vor den BGH finden wird.

Weitere aktuelle Urteile zum Verfahrenskomplex

Bereits Ende Mai hatte das OLG Schleswig einen anders gelagerten Fall zur Revision zugelassen (AssCompact berichtete). Das Gericht hatte damals die AVB so ausgelegt, dass nur Versicherungsschutz gegen Gefahren bestünde, die aus dem Betrieb selbst herrührten.

Abschließende Aufzählung

In einem weiteren Fall zur Betriebsschließungsversicherung hatte ein Hotelier vor dem OLG Oldenburg (Urteil vom 06.05.2021 – 1 U 10/21) geklagt. In seinem Versicherungsvertrag war jedoch eine abschließende Aufzählung aller Krankheiten und Erreger enthalten, gegen die Versicherungsschutz besteht. Da sich das neuartige Coronavirus nicht in der Aufzählung fand, wies das Gericht die Klage ab. Doch auch hier wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Versicherer streben Vergleiche an

Aus der bisherigen Rechtsprechung können jedoch kaum Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten der anhängigen Klagen gezogen werden. Zum einen sind die Versicherungsbedingungen der einzelnen Anbieter unterschiedlich gefasst. Und zum anderen schließen Versicherer auch immer wieder Vergleiche, wenn sich andeutet, dass ein Verfahren zu ihren Ungunsten ausgehen könnte (AssCompact berichtete). Aus diesem Grund kann auch von einer Verzerrung der Urteilsquote zugunsten der Versicherer ausgegangen werden.

BGH-Entscheidung vielleicht doch schon im Herbst?

Wird die Entscheidung jedoch tatsächlich noch Jahre auf sich warten lassen, wie es beispielsweise Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin im Rahmen einer Veranstaltung der Kanzlei Michaelis annahm? Nicht unbedingt. Das ist zumindest die Meinung von Dr. Mark Wilhelm. Der Rechtsanwalt und Vertreter zahlreicher Gewerbetreibender, die Klage gegen ihren Betriebsschließungsversicherer erhoben haben, glaubt, dass bereits im Herbst eine Entscheidung durch den BGH denkbar ist. Es sei denn, die Bundesrichter beschließen, zunächst einmal die verschiedenen Verfahren zu sammeln. Unter diesen Umständen dürfte sich die Annahme von Prof. Schwintowski bewahrheiten. (tku)

OLG Dresden, Urteil vom 08.06.2021 – 4 U 61/21

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