Ein Artikel von Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH
Fünf Durchführungswege, vier Zusagearten, drei Finanzierungsmöglichkeiten, verschiedene individual- und kollektivrechtliche Rechtsbegründungsakte, unterschiedlichste steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Leistungsphase, eine Vielzahl an Gesetzen und Rechtsgebieten, die mehr oder weniger tief mit dem Betriebsrentengesetz verwoben sind … Obwohl der Autor selbst das natürlich ganz anders sieht – ein klein wenig kann er es doch nachvollziehen, dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) bei Arbeitgebern, Arbeitnehmern und vielfach auch bei Finanzdienstleistern den zweifelhaften Ruf genießt, etwas komplizierter zu sein.
Und die bAV entwickelt sich immer weiter – auch in den letzten Monaten gab es schon wieder mehrere Veränderungen in der bAV und weitere Änderungen in den nächsten Monaten zeichnen sich ab.
Beitragsorientierte Leistungszusage vs. Beitragszusage mit Mindestleistung
Zum 01.01.2022 wurde der Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen von 0,90% auf 0,25% abgesenkt. Mit der bAV hat das nur indirekt zu tun, führt aber zu deutlichen Veränderungen im Geschäftsfeld der bAV. Wurde die Entgeltumwandlung von den meisten Anbietern von Direktversicherungen und Pensionskassen in den letzten Jahren in Form einer Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) umgesetzt, dreht sich der Markt nach Wahrnehmung des Autors zur beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ).
Der Hintergrund in aller Kürze: Bei einem Rechnungszins in Höhe von 0,25% kann der Produktgeber keine 100%-ige Bruttobeitragsgarantie mehr zusichern. Wenn also bei Vertragsablauf aus der Direktversicherung in Form einer BZML weniger ausgezahlt wird als eingezahlt wurde (= Bruttobeitragsgarantie), haftet aber nicht der Versicherer oder die Pensionskasse dafür, sondern der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer. In der BOLZ gibt es die Vorschrift einer 100% Bruttobeitragsgarantie nicht, weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Der Arbeitgeber haftet hier nur, wenn der Anbieter seine vertraglich garantierten Leistungen reduziert. In der Beratung muss man auf diesen Unterschied hinweisen, die Arbeitgeber werden das Risiko einer Nachhaftung so weit wie möglich ausschließen wollen – daher der Trend zur BOLZ.
Nachweisgesetz
Zum 01.08.2022 ist das sogenannte Nachweisgesetz in Kraft getreten. Tenor ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, alle wesentlichen Arbeits- und Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses fristgerecht an die Arbeitnehmer auszuhändigen. Die bAV ist unmittelbar davon betroffen, weil sie sowohl Bestandteil des Arbeitsverhältnisses als auch des Arbeitsentgeltes ist. Letztlich ist das nichts Neues, neu ist durch das Nachweisgesetz aber, dass Verstöße gegen diese Verpflichtung mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2.000 Euro je Verstoß geahndet werden können.
Überraschend ist dabei, dass der Gesetzgeber weiterhin auf die sogenannte Textform, also einer schriftlichen Aushändigung der Arbeitsverträge besteht – eine elektronische Unterschrift und digitaler Versand sind nicht ausreichend. Überrascht hat auch, dass das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 07.07.2022 mitgeteilt hat, dass die Entgeltumwandlung nach Einschätzung des BMAS gar nicht unter das Nachweisgesetz fällt.
Rechnungslegungshinweis RH FAB 1.021 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zur Bewertung von rückgedeckten Direktzusagen
Im April vergangenen Jahres hat das IDW einen Rechnungslegungshinweis (RH) zur handelsrechtlichen Bewertung rückgedeckter Direktzusagen veröffentlicht. Die neuen Regelungen sehen einen Vergleich der erwarteten Zahlungsströme aus Zusage und zugehöriger Rückdeckungsversicherung vor und sind für Bilanzstichtage ab dem 31.12.2022 anzuwenden. Im Ergebnisbericht einer Arbeitsgruppe der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) wurden praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Vorgaben des IDW erarbeitet. Damit wurde insbesondere ausgearbeitet, in welchen Konstellationen der RH nicht anzuwenden ist, und mit welchen mathematischen Verfahren eine angemessene Bewertung rückgedeckter Pensionsverpflichtungen dennoch erfolgen kann, wenn ein Vergleich der Zahlungsströme für den Aktuar nicht möglich ist, weil die dafür erforderlichen Daten nicht vorliegen – was im Übrigen in den meisten Fällen tatsächlich der Fall ist. Die sogenannten faktorbasierten Verfahren machen den Aktuaren das Leben deutlich einfacher. Aber auch den Unternehmen bleibt damit weitestgehend erspart, ausführlichste Informationen und Details der bestehenden Rückdeckungsversicherungen zusammenzutragen bzw. beim Versicherer anzufordern.
Ausblick zur bAV 2023
Bis zum 31.01.2023 ist die sogenannte EU-Umwandlungsrichtlinie (2019/2121) in nationales Recht umzuwandeln. Mit dieser Richtlinie werden die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Rechtsformwechsel von Unternehmen geregelt.
Für die bAV hat diese Richtlinie insofern Relevanz, als dass das Risiko besteht, dass durch die Umwandlung des bestehenden Unternehmens die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers oder auch die Insolvenzsicherung über den PSVaG ins Leere läuft, wenn es keine oder nur noch eine völlig mittellose Gesellschaft in Deutschland gibt.
Seit dem 06. Juli liegt nun der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie vor. Mehrere Institutionen haben die Möglichkeit genutzt, zu dem vorherigen Referentenentwurf Stellung zu nehmen, so auch die aba, Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. Es bleibt spannend, wie der Gesetzgeber die Hinweise im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufgreift.
Die Welt der bAV bleibt dynamisch. Neben den beschriebenen bzw. anstehenden Veränderungen sind die ersten Sozialpartnermodelle in Kürze zu erwarten, wenn man die Ankündigungen ernst nehmen kann. Und irgendwann wird sich das Bundesverfassungsgericht auch mit der Vorlage des Finanzgerichtes Köln vom 12.10.2017 beschäftigen müssen. Darin wird die Frage aufgeworfen, ob der in § 6a EStG festgeschriebene Zinssatz von 6% für die steuerliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen verfassungskonform ist. Und auch die aktuelle Inflationslage und der Wechsel in der Zinspolitik der EZB werden die bAV-Welt weiter beschäftigen.
Für alle Marktteilnehmer, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Berater und Finanzdienstleister gilt es daher „dranzubleiben“. Dran an dem Thema generell, denn die bAV ist schon seit jeher der (für die gesetzlichen Versorgungssysteme so sehnlich gewünschte) kapitalmarktförmige Baustein der Altersvorsorge. Aber auch an den kontinuierlichen Änderungen. Denn Qualität trennt die Spreu vom Weizen, sowohl in der Ausgestaltung von attraktiven Versorgungswerken als auch in der Entwicklung und Gestaltung von leistungsstarken Produkten. Und nicht zuletzt die fachliche Exzellenz in der Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
DMA und CAMPUS INSTITUT
Der Autor ist seit vielen Jahren Dozent bei der Deutschen Makler Akademie (DMA) und dem CAMPUS INSTITUT und verweist auf die Wichtigkeit von Weiterbildung. Die DMA bietet unter anderem Weiterbildungsseminare rund um das Thema bAV. Mit Weiterbildungen wie denen der DMA und des CAMPUS INSTITUTs bleiben Makler am Puls der Zeit. CAMPUS INSTITUT gehört ab 2023 vollständig zur DMA und befindet sich derzeit in einer Übergangsphase. Beispielsweise im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge ergänzen die Angebote des CAMPUS INSTITUTs diejenigen der DMA.
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des AssCompact Wissen Forums betriebliche Versorgung, das am 22.09.2022 in Mannheim stattfindet. Die Deutsche Makler Akademie ist dort mit einem Messestand vertreten. Weitere Informationen zum Programm sowie zur Anmeldung finden Sie unter asscompact.de/forum-betriebliche-versorgung.
Bild: © Kana Design Image – stock.adobe.com
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