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17. Februar 2022
BGH-Urteil: Stornogefahrmitteilungen an Makler
Storno – Recht/Gesetz. Ordner auf Schreibtisch mit Beschriftung neben Paragraf und Waage. Anwalt

BGH-Urteil: Stornogefahrmitteilungen an Makler

Der BGH hat vor Kurzem entschieden, dass ein Maklerpool Stornogefahrmitteilungen an einen Versicherungsmakler versenden muss, wenn der Makler im Einzelfall genauso schutzbedürftig ist wie ein Versicherungsvertreter. Was das Urteil für Makler bedeutet, erklärt Experte Hans-Ludger Sandkühler.

Kürzlich hat der BGH entschieden, dass ein Maklerpool an einen Versicherungsmakler Stornogefahrmitteilungen versenden muss, wenn der Makler im Einzelfall genauso schutzbedürftig ist wie ein Versicherungsvertreter. Die Entscheidung führte in der Medienwelt der Versicherungswirtschaft zu Schlagzeilen wie „Poolanbindung ähnelt Handelsvertretung“ und befeuert offenbar die Diskussion über die Unabhängigkeit der Makler im Geschäftsverkehr mit Pools.

Der Tatbestand

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Versicherungsmakler mehrere Lebensversicherungsverträge bei einem Maklerpool eingereicht und dafür diskontierte Provisionen erhalten. Nach der zwischen Parteien geschlossenen Courtagevereinbarung war der Maklerpool verpflichtet, das vom Makler vermittelte Geschäft zu verprovisionieren und über die Provisionen im Rahmen eines Kontokorrentkontos abzurechnen. In Bezug auf vorschüssig geleistete Provisionszahlungen hatte sich der Pool in einer Ergänzungsvereinbarung für vordiskontierte Produkte außerdem zur unverzüglichen Weiterleitung von Stornogefahrmitteilungen an den Makler verpflichtet, wenn und soweit ihm solche von den jeweiligen Versicherungsunternehmen übersandt werden. Weitergehende Pflichten des Maklerpools zur Storno­bekämpfung waren nicht vereinbart.

Im weiteren Verlauf belastete der Maklerpool das Provisions­konto des Maklers mit Stornierungen, nachdem es in einem Fall zum Widerruf eines Vertrages und in zwei anderen Fällen zur Beitragsfreistellung von Verträgen gekommen war. Stornogefahrmitteilungen an den Makler erfolgten erst mit mehrmonatigen Verzögerungen, obwohl die Versicherer die Mitteilungen rechtzeitig an den Maklerpool verschickt hatten.

Mit der Klage begehrte der Makler die Feststellung, dass der Maklerpool verpflichtet sei, dem Provisionskonto des Maklers Beträge in Höhe der Stornierungen zuzüglich Kosten gutzuschreiben.

Mögliche Pflicht des Versicherers zur Nach­bearbeitung auch bei Maklern

In den Urteilsgründen hat der BGH seine Rechtsauffassung bekräftigt, nach der sich auch gegenüber einem Versicherungsmakler eine Pflicht des Versicherers zur Nach­bearbeitung von durch einen Versicherungsmakler vermittelten not­leidenden Versicherungsverträgen ergeben kann, wie sie im Falle des Versicherungsvertreters grundsätzlich besteht.

Pflicht des Versicherers zur Nachbearbeitung bei Versicherungsvertretern

Ein Handelsvertreter hat gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Im Falle der Nichtausführung entfällt der Anspruch aber, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hat ein Versicherungsunternehmen die Nichtausführung (Stornierung) eines Versicherungsvertrages nicht zu vertreten, wenn es notleidende Verträge im gebotenen Umfang nachgearbeitet hat. Dabei kann das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzuarbeiten. Umgekehrt gewendet heißt das, dass dem Vertreter die Provision für stornierte Verträge zusteht, wenn und soweit der Versicherer keine eigenen Maßnahmen eingeleitet und auch keine Stornogefahrmitteilung verschickt hat.

Anwendung auf Makler

Nach Ansicht des BGH kann der Rechtsgedanke des § 87a Abs. 3 HGB auch auf einen Versicherungsmakler angewendet werden, wenn dieser nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) genauso schutzbedürftig ist wie ein Versicherungsvertreter. Die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit richtet sich nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung. Gesichtspunkte für die Annahme der besonderen Schutzbedürftigkeit sind etwa die Zahlung laufender Courtagevorschüsse, die Einbindung in die Organisationsstruktur, die Zahlung von Organisationszuschüssen oder von Bestandspflegegeld und die regelmäßige Versendung von Stornogefahrmitteilungen.

Anwendung auch bei gestuften Vermittlungsverhältnissen

Die auf § 242 BGB gestützte Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit kann auch bei gestuften Vermittlungsverhältnissen erfolgen. Wenn das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Hauptvertreter delegiert, obliegt im Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter dem Hauptvertreter die Pflicht zur Nachbearbeitung. Dieser Rechtsgedanke kann gemäß § 242 BGB auf das Verhältnis Maklerpool und Versicherungsmakler übertragen werden, wenn das Vermittlungsverhältnis in seiner Ausgestaltung handelsvertreterrechtliche Züge trägt.

Pflicht des Unternehmers zur Nachbearbeitung bei Widerruf und Beitragsfreistellung

Eine Pflicht des Unternehmers zur Nachbearbeitung von Verträgen besteht nur dann, wenn der Unternehmer die Nichtausführung des Vertrages zu vertreten hat. Dies ist der Fall, wenn dem Unternehmer persönliches Verschulden zur Last fällt oder die Umstände der Nichtausführung dem unternehmerischen oder betrieblichen Risiko­bereich zuzuordnen sind oder auf einem übernommenen Risiko beruhen.

Nach Ansicht des BGH kann die Ausübung des allgemeinen Widerrufsrechts nach § 8 VVG nicht der vom Unternehmer zu verantwortenden Risikosphäre zugeordnet werden. Der Versicherungsvertrag sei gleichsam mit der Belastung des gesetzlichen Widerrufsrechts vermittelt worden, die sich durch die Widerrufserklärung verwirkliche. Für die Vornahme der Widerrufs­erklärung trage der Unternehmer keine Verantwortung. Sie liege in der alleinigen Entscheidung des Versicherungsnehmers. Das habe der Unternehmer zu respektieren.

Bei einem Antrag auf Beitragsfreistellung sei dagegen eine Nachbearbeitung zu verlangen. Eine Beitragsfreistellung werde in der Regel in Betracht gezogen, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse seine Prämie nicht mehr zahlen wolle. Hier müsse der Unternehmer Bemühungen um die weitere – gegebenenfalls angepasste – Durchführung des Vertrages unternehmen.

Im Ergebnis war der Maklerpool damit nur im Falle der Beitragsfreistellung zur Nachbearbeitung bzw. zum Versand von Stornogefahrmitteilungen verpflichtet und musste die entsprechende Gutschrift erteilen.

Fazit

Mit der Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung fortgesetzt. Ein Makler kann auch im Geschäftsverkehr mit Pools schutzbedürftig sein wie ein Versicherungsvertreter. Dies hängt aber von den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalls ab und darf dementsprechend nicht verallgemeinert werden. Aus der Entscheidung zu schlussfolgern, eine Poolanbindung ähnele einer Handelsvertretung, ist deutlich zu kurz gesprungen. Die Anwendung handelsrechtlicher Rechtsgedanken ist an die jeweilige Schutzbedürftigkeit geknüpft und nicht an die Poolanbindung. Eine Poolanbindung per se bringt einen Makler nicht in handelsrechtliche Abhängigkeiten.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2022, S. 78 f., und in unserem ePaper.

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