AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
26. Mai 2020
BGH wertet private Sachverständigengutachten in der BU auf

BGH wertet private Sachverständigengutachten in der BU auf

Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung hervorgehoben, dass Gerichte bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit auch alle privat beauftragten Sachverständigengutachten berücksichtigen müssen. Worum es ging und was künftig bei gerichtlichen Streitigkeiten zu beachten ist, erläutert der Fachanwalt für Versicherungsrecht, Tobias Strübing, von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.

In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall (Beschluss vom 26.02.2020, Geschäftszeichen IV ZR 220/19) streiten sich die Parteien darüber, ob bei dem Kläger bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit noch besteht oder schon wieder entfallen ist. Der Kläger war selbstständiger Marktleiter einer Supermarktfiliale und seit Oktober 2010 wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig. Die beklagte Versicherung hatte zunächst die Leistung anerkannt, dann aber nach ca. vier Jahren die monatliche Zahlung eingestellt. Grundlage war ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten, dass zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei.

Drei Gutachten vorliegend

Der Vorinstanz, dem Oberlandesgericht (OLG) Sachsen-Anhalt lagen letztlich drei Gutachten vor. Jeweils ein Privatgutachten, dass die Versicherung und Kläger eingeholt haben und ein Gerichtsgutachten. Das Gerichtsgutachten kam zwar auch zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei. Im Gegensatz zu dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten hatte es sich aber unter anderem nicht differenziert mit den klägerischen Tätigkeiten auseinandergesetzt und konnte deswegen nicht verwertet werden. Das OLG folgt daher den Ausführungen des vom Kläger eingeholten Privatgutachtens.

Alle Gutachten müssen beurteilt werden

Das OLG machte dann den Fehler, sich nur mit dem gerichtlichen Gutachten und dem Privatgutachten des Klägers auseinanderzusetzen und verurteilte die Versicherung dazu, die Rente weiter an den Kläger zu zahlen. Das wiederum bemängelt nun der BGH und stellte klar, dass sich Gerichte mit allen vorliegenden Arztberichten und Privatgutachten kritisch auseinandersetzen müssen. Das setzt mindestens voraus, dass sich der gerichtliche Sachverständige mit beiden Privatgutachten hätte befassen und das Gericht diese kritisch würdigen müssen. Das war hier nicht geschehen. Der BGH verwies den Fall zurück in die Vorinstanz, wo sich nun das OLG erneut damit befassen muss.

Lückenlose Dokumentation notwendig

Dieser Beschluss zeigt, welche Bedeutung Arztberichte und ggf. vorhandene Gutachten in einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung haben können. Für eine erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen ist es daher äußerst wichtig, die Krankheitsgeschichte gut und möglichst lückenlos zu dokumentieren und diesen Sachverhalt auch umfassend für das Gericht aufzubereiten. Nur so wird gewährleistet, dass alle medizinischen Aspekte ausreichend gewürdigt werden. Der BGH bestätigt damit auch die Relevanz von sogenannte Parteigutachten, also den privat einholten Sachverständigengutachten. Häufig wurden diese als Gutachten zweiter Klasse angesehen, da die Beauftragung nicht unabhängig erfolgte. Sie sind aber nun auf jeden Fall von den Gerichten unabhängig zu würdigen.

BGH, Beschluss vom 26.02.2020, Az.: IV ZR 220/19

Bild: © Olivier Le Moal – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Tobias Strübing