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2. April 2022
BSV nach BGH-Urteil: Wie geht es weiter?

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BSV nach BGH-Urteil: Wie geht es weiter?

Ein Gastronom forderte von seinem Versicherer eine Entschädigung für die angeordnete Schließung seiner Gaststätte im Lockdown – und scheiterte. Auch Versicherungsmakler könnten sich bald mit unangenehmen Fragen ihrer Kunden konfrontiert sehen. Wie das Urteil des BGH einzuordnen ist, erklärt Rechtsanwalt Cäsar Czeremuga.

Ein Artikel von Cäsar Czeremuga, LL.M., Rechtsanwalt und Partner bei NORDEN Rechtsanwälte

Die AXA Versicherungs AG muss nicht zahlen, urteilten die Bundesrichter am 26.01.2022 (Az.: IV ZR 144/21). Das mit großer Spannung erwartete erste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung enttäuschte viele Unternehmen, die seit fast zwei Jahren im Clinch mit ihren Versicherern liegen. Der BGH hat zwar nur einen Einzelfall entschieden. Der Fall des Gastronomen aus Schleswig-Holstein steht aber stellvertretend für viele Hundert Betriebe, größtenteils Gastronomen und Hoteliers.

Der Kläger – Einer von vielen

Der Entscheidung des BGH lag ein repräsentativer Sachverhalt zugrunde. Der klagende Gastronom hatte bei der AXA eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Darin versprach die AXA, ihm im Falle einer Betriebsschließung einen Ertragsausfallschaden bis zu 30 Tagen zu ersetzen. Dem Versicherungsvertrag lagen die „Zusatz­bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) – 2008 (ZBSV 08)“ zugrunde. Versicherungsbedingungen, die auf dem Markt so oder sehr ähnlich weitverbreitet sind.

Im Frühjahr 2020 ordnete die Schleswig-Holsteinische Landesregierung zur Bekämpfung der Ausbreitung des damals neuartigen Coronavirus per Landesverordnung die Schließung sämtlicher Gaststätten an, wobei Leistungen im Rahmen eines Außer-Haus-Verkaufs unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt blieben. Der Gastronom schloss daraufhin – wie viele seiner Kollegen – seine Gaststätte und bot einen Lieferdienst an. Seine Erwartung, dass die AXA für seine Ertragsausfälle einsteht, wurden enttäuscht. Der Versicherer lehnte Leistungen ab – wie fast alle Betriebsschließungsversicherer auf dem Markt. Das löste eine Klagewelle gegen die Versicherer aus.

Zwei von drei Kernfragen entschieden

Die Ablehnungsgründe der Versicherer in der Schadenregulierung und in den Prozessen sind vielfältig. Seit fast zwei Jahren streiten Gerichte und Fachjuristen über sämtliche Nuancen dutzender Rechtsfragen. Drei Kernfragen stehen im Fokus. Zwei davon hat der BGH nun entschieden.

Katalog ist abschließend und wirksam

Betriebsschließungsversicherungen sehen regelmäßig vor, dass der Versicherer Entschädigung leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte schließt.

Sehr häufig enthalten die Versicherungsbedingungen einen Katalog, der Krankheiten und Krankheitserreger (tabellarisch) auflistet – so auch im Fall vor dem BGH. In der Auflistung findet sich die Krankheit Covid-19 bzw. der Erreger SARS-CoV-2 naturgemäß nicht, weil das Virus bei Abschluss der Versicherungsverträge noch unbekannt war. Eine entscheidende Frage ist, ob in solchen „Katalogklauseln“ die dort genannten Krankheiten und Krankheitserreger nur beispielhaft aufgelistet werden und eine dynamische Verweisung der Versicherungsbedingungen auf das IfSG vorliegt (in das das Coronavirus nach Pandemieausbruch aufgenommen wurde) oder ob der Katalog in den Bedingungen abschließend ist.

Der BGH entschied: Was nicht genannt ist, ist nicht versichert. Die Krankheit Covid-19 bzw. der Erreger SARS-CoV-2 seien nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen ergebe, dass der Katalog abschließend sei. Der umfassenden Auflistung hätte es nicht bedurft, wenn es sich ohnehin nur um beispielhaft aufgeführte Krankheiten oder Krankheitserreger hätte handeln sollen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer habe zwar einerseits ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versicherungsschutz, andererseits könne er aber nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will, die, wie das Corona­virus zeige, unter Umständen erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich ist.

Wie häufig bei Streitigkeiten über Versicherungsbedingungen ging es auch um die wesentlichen Fragen des AGB-Rechts: Genügt die „Katalogklausel“ dem Trans­parenzgebot oder ist sie unklar? Hält die Klausel einer Inhaltskontrolle stand oder benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unzulässig und ist unwirksam? In beiden Fragen kamen die Bundesrichter zu dem Ergebnis, dass die streitige Versicherungsklausel wirksam sei – also weder intransparent noch treuwidrig benachteiligend.

Damit hat der BGH die Hoffnung vieler Hundert Betriebe auf Versicherungsleistungen zerschlagen, die „Katalogklauseln“ in ihren Versicherungsverträgen haben. Betriebe mit „Katalogklauseln“ haben sehr wahrscheinlich nur noch dann Chancen auf Entschädigung, wenn Besonderheiten im Einzelfall bestehen, beispielsweise aufgrund von falschen oder irreführenden Werbeversprechen der Versicherer und ihrer Vermittler.

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Ein Artikel von
Cäsar Czeremuga, LL. M.