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6. Juni 2023
BU: Je früher, desto besser – und besser spät als nie?
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BU: Je früher, desto besser – und besser spät als nie?

Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt sich immer häufiger die Frage: Wie früh anfangen – bieten doch viele Versicherer eine BU für Schüler. Und dann wäre noch zu klären, ab welchem Alter sich der BU-Abschluss nicht mehr lohnt. Eine Einschätzung des Maklers und BU-Spezialisten Philip Wenzel.

Ein Gastbeitrag von Philip Wenzel, Geschäftsführer der BIOMEX Biometrie Expertenservice GmbH

Wer sich nicht jeden Tag mit Berufsunfähigkeitsversicherungen beschäftigt, entwickelt häufig den Eindruck, dass diese Versicherung erst dann relevant wird, wenn man einen Beruf hat. Und wer sich noch ein wenig länger damit beschäftigt, denkt sich nicht selten, dass er der Versicherung ein Schnippchen schlagen könnte, wenn er den Vertrag erst dann abschließt, wenn er schon älter ist, weil dann die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit höher ist.

Die Wahrheit ist aber, dass es sehr viele gute Gründe gibt, schon vor Eintritt ins Berufsleben eine BU-Versicherung abzuschließen. Tatsächlich gibt es mittlerweile keinen Grund mehr, sich nicht schon mit zehn Jahren abzusichern. Ein sehr gewichtiges Argument dagegen ist allerdings zu wenig Geld. Wer Kinder hat, weiß, dass sie Geld kosten. Und die 40 Euro im Monat für Nachhilfe müssen eben sein. 40 Euro für die Berufsunfähigkeitsversicherung? Die kann das Kind auch später selbst abschließen.

Abschluss in jungen Jahren ...

Wer es sich also irgendwie leisten kann, sollte eine Berufsunfähigkeitsversicherung für sein Kind übernehmen. Denn es gibt zwei Vorteile, die mit Geld zu tun haben, und zwei weitere Vorteile, die mit dem Gesundheitszustand zu tun haben.

Wie jeder Vermittler weiß, ist der monatliche Beitrag umso geringer, je jünger der Kunde ist. Das liegt daran, dass das Risiko einer Berufsunfähigkeit etwa bis zum 45. Lebensjahr immer gleich teuer ist. Das heißt, der Zehnjährige zahlt für 1.000 Euro BU-Rente bis zum Alter von 67 Jahren beispielsweise 35.000 Euro an Beiträgen. Der 40-Jährige zahlt auch 35.000 Euro. Meistens ist es sogar etwas weniger, wenn man in jungen Jahren abschließt.

... bringt etliche Vorteile

Daraus ergeben sich dann zwei Vorteile. Zum einen verteile ich die 35.000 Euro einmal auf 57 Jahre und das andere Mal auf 27 Jahre , wodurch die monatliche Belastung deutlich niedriger ist. Nämlich 51,17 Euro gegenüber 108,02 Euro. Und zum anderen ist die Zeit, bis man 40 ist, quasi gratis. Der Kunde ist für den gleichen Preis 30 Jahre länger versichert. Und wenn der Kunde keine zehn Jahre mehr ist, bleibt das Prinzip mit 20 oder 30 Jahren das gleiche. Der zweite geldwerte Vorteil ist abhängig vom Beruf. Denn wer sich schon als Schüler versichert, der zahlt die Prämie eines Schülers auch, wenn er später Schreiner wird. Die Ersparnis geht hier schnell in die Tausende. Wenn er Akademiker wird, dann würde es deutlich günstiger werden. Für diesen Fall gibt es mittlerweile aber genügend Anbieter mit einer Besserstellungsoption, die es ermöglicht, bei einem Berufswechsel dann die günstigere Prämie zu zahlen.

Verzicht auf Risikoprüfung bei Nachversicherung

Es gilt auch darauf achten, dass der Tarif bei der Nachversicherung auf die Risikoprüfung und nicht auf die Gesundheitsprüfung verzichtet. Denn bei der Risikoprüfung werden Hobbys, Rauchverhalten und der Beruf abgefragt. Wenn nur auf die Gesundheitsprüfung verzichtet wird, kann es also passieren, dass der Schüler für seinen Grundvertrag mit 1.000 Euro 52 Euro zahlt, aber die Erhöhung um 500 Euro schon 80 Euro kostet, weil er jetzt Schreiner ist.

Was die Gesundheit betrifft, so ist es erst mal logisch, dass man in jungen Jahren nur in seltenen Fällen schon schwerwiegende Diagnosen hat. Die Chancen für eine glatte Annahme sind also höher. Später weiß der Kunde vielleicht auch nicht mehr genau, was er alles hatte oder was er laut Arztakte hatte.

Und das führt zu dem zweiten „gesundheit­lichen“ Vorteil, wenn man eine Berufsunfähigkeitsversicherung früh abschließt: Je früher ich abschließe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Leistungsfall schon zehn Jahre vorbei sind. Und nach zehn Jahren ist jede Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht verjährt – also für den Kunden nach § 123 BGB.

Was ist Vermittlern zu raten?

Für Vermittler empfiehlt es sich nicht, hieraus ein Geschäftsmodell zu machen, da § 263 StGB erst verjährt, wenn der Vorteil aus dem Betrug abgegolten ist. Und das ist bei laufenden Verträgen nie der Fall. Die Rede ist also von den Fällen, die kein Betrug sind, aber dennoch den Leistungsfall erschweren, weil der Versicherer vor Gericht will. Wer früh abschließt, kann in der Regel auch dieses Kapitel abhaken.

Was tun mit den Späteinsteigern?

Trotzdem häufen sich gerade die Fälle von 50-Jährigen, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollen. Der Grund dafür könnte sein, dass vor zwanzig Jahren Versicherungen bis Endalter 60 abgeschlossen wurden, weil es nicht anders ging oder eine Rentenversicherung die Zeit bis zur Rente überbrücken sollte. Ein Neuvertrag ist nicht unmöglich, aber man sollte unbedingt sauber bei den Gesundheitsfragen arbeiten. Das liegt zum einen daran, dass die Wahrscheinlichkeit eines Leistungsfalls in den ersten zehn Jahren sehr hoch ist und die Berufsunfähigkeitsversicherung anfechten kann. Aber viel wichtiger ist, dass die meisten Risikoprüfer sehr misstrauisch werden, wenn ein Interessent in diesem Alter anfragt. Der Risikoprüfer fürchtet, es handelt sich hier um einen der Kandidaten, die denken, sie könnten der Versicherung ein Schnippchen schlagen und eine BU-Versicherung kurz vor Eintritt der BU abschließen.

Mit offenen Karten spielen und Mehrvertragslösung im Blick haben

Deshalb schließe ich in diesen Fällen gern erst den einen Vertrag bis 2.000 Euro ab und wenn dieser policiert ist, den zweiten – inklusive Labor beim gleichen Versicherer. Wenn es schiefläuft, besteht wenigstens ein kleiner Vertrag ohne Ausschluss. Und wenn es gut läuft, ist das Thema Vorvertraglichkeit vom Tisch. Am Ende sind wir aber Vermittler und nicht Erziehungsberechtigte. Der Kunde darf entscheiden, wie er will. Es ist ja auch okay, wenn der Kunde erst spät merkt, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung wichtig ist. Für diese späte Einsicht muss er dann aber bezahlen – mit höheren Beiträgen und einer strengeren Risikoprüfung.

Augen auf in manchen Fällen

Nur bei einem Interessenten werde ich, unabhängig vom Alter, sehr misstrauisch und lehne auch immer wieder ab. Und zwar dann, wenn der Vertrag ohne erkennbaren Grund noch am besten heute abgeschlossen werden soll. Dann ist es nicht selten so, dass eine Operation oder Untersuchung ansteht oder ein Verdacht im Raum steht. In diesen Fällen erkläre ich dann ganz genau, dass ich in der Regel auch angeben muss, was ich schon weiß, auch wenn noch kein Arzt etwas dazu aufgeschrieben hat. Denn Betrüger sind selten konsequent. Bei Versicherungsbeginn ist alles halb so wild, aber dann beim Leistungsantrag lagen die Beschwerden schon seit Jahren vor. Und dann wird es quasi nachträglich zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. All das und Geld kann ich mir aber sparen, wenn ich schon so früh wie möglich eine Berufsunfähigkeits­versicherung abschließe. Und wer sein Kind mag, erspart ihm den Ärger noch als Schüler.

Diesen Artikel lesen Sie auch in der Sonderedition Arbeitskraftabsicherung, die der AssCompact 05/2023 beigeheftet ist, und in unserem ePaper.

Bild oben: © Brian Jackson – stock.adobe.com; Porträtfoto: © Philip Wenzel

 
Ein Artikel von
Philip Wenzel

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Gerd Kemnitz (… am 07. Juni 2023 - 16:02

Ich lese Herrn Wenzels Fachbeiträge immer mit großem Interesse und stimme ihm auch hier in vielen Punkten zu.

Aber bezüglich des Tipps zur Mehrvertragslösung beim gleichen Versicherer muss ich ihm widersprechen.

Das Problem bei der dann erforderlichen ärztlichen Untersuchung oder des alternativen M-Checks sind weniger eventuell auffällige Laborwerte – sondern die verlängerten Fristen bei den Fragen zu Vorerkrankungen im „Ärztlichen Zeugnis“ bzw. im „M-Check direct Fragebogen“. Einige Versicherer stellen hier sogar zeitlich unbefristete Fragen.

Wir sind uns doch sicherlich darüber einig, dass längere Fristen oder gar unbefristete Fragen das Risiko einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht deutlich erhöhen.

Deshalb favorisiere ich bei hohen BU-Renten zwar auch die Mehrvertragslösung – allerdings bei unterschiedlichen Versicherern.