AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
24. Oktober 2025
BU-Versicherung: Konkrete Verweisung eines Dachdeckergesellen unzulässig
BU-Versicherung: Konkrete Verweisung eines Dachdeckergesellen unzulässig

BU-Versicherung: Konkrete Verweisung eines Dachdeckergesellen unzulässig

Ein Dachdeckergeselle verliert seine Berufsunfähigkeitsrente und klagt sich bis vors Thüringer Oberlandesgericht. Im Zentrum des Falls steht die konkrete Verweisung und die Frage, ob Lagerarbeit oder Hausmeistertätigkeit wirklich der bisherigen Lebensstellung entsprechen. Die Klage war erfolgreich.

Es ist fast schon ein Klassiker in der Berufsunfähigkeitsversicherung: der Streit um die konkrete Verweisung. Kaum ein Thema sorgt in der Praxis und vor Gericht so regelmäßig für Diskussionen. Jüngst hatte sich das Thüringer Oberlandesgericht in Jena mit dieser zentralen Frage auseinanderzusetzen. Diesmal ging es um den Fall eines Dachdeckergesellen, der auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden sollte. Im Mittelpunkt der Entscheidung standen dabei die Anforderungen an die Einstellungsmitteilung sowie die Frage, ob die neue Tätigkeit tatsächlich eine vergleichbare Lebensstellung bot.

Versicherer stellt BU-Rentenzahlung bei einer Nachprüfung ein

Der Versicherte hatte seit 2015 eine monatliche Rente aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erhalten. Nachdem er zunächst als Lagerarbeiter und später als Hausmeister tätig war, stellte der Versicherer die Rentenzahlungen im Jahr 2019 im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens ein. Zur Begründung hieß es, die neuen Tätigkeiten entsprächen in ihrer Wertigkeit und sozialen Stellung dem bisherigen Beruf, weshalb die Leistung zu Recht eingestellt worden sei. Der Versicherungsnehmer akzeptierte dies jedoch nicht und zog vor Gericht. Auf den Fall weisen derzeit mehrere Fachanwälte hin, unter anderem Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte sowie Björn Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow.

Zunächst klagte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht (LG) Mühlhausen, blieb dort jedoch erfolglos. Mit Urteil vom 04.05.2023 (Az.: 6 O 400/21) wies das Gericht die Klage ab. Nach seiner Auffassung sei die aktuell ausgeübte Tätigkeit mit der eines Dachdeckergesellen vergleichbar. Der Kläger habe nicht belegen können, dass die neue Arbeit geringere Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordere. Auch bei Vergütung und sozialer Wertschätzung sah das Gericht keine entscheidenden Unterschiede. Die konkrete Verweisung sei daher rechtmäßig erfolgt.

OLG bestätigt Berufsunfähigkeitsrente

Daraufhin legte der Versicherungsnehmer Berufung vor dem OLG Jena ein. Diese sprach dem Versicherungsnehmer die rückwirkende und auch die zukünftige Zahlung seiner Berufsunfähigkeitsrente zu. Die Einstellungsmitteilung sei entgegen der Meinung des Versicherungsnehmers zwar formell gerade so ausreichend, es habe jedoch an den Voraussetzungen der Verweisbarkeit gemangelt

Die bisherige Lebensstellung des Versicherungsnehmers sei mit keiner der beiden Verweisungstätigkeiten gewahrt worden. Die handwerklichen Fähigkeiten waren dem Versicherungsnehmer in den Verweisungstätigkeiten zwar nützlich, die vorherige handwerkliche Vielfalt und die Stellung als Vorarbeiter prägten jedoch die Tätigkeit als Dachdeckergeselle. Mithin benötigt man im Gegensatz zum Dachdeckergesellen für die beiden Verweisungstätigkeiten keine Berufsausbildung, was hier entscheidungserheblich war. (bh)

Thüringer OLG (Jena), Urteil vom 19.06.2025 – Az. 4 U 537/23

Zusammenfassungen zum Urteil: