AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
29. November 2022
Chronische Müdigkeit: Was müssen Krankenkassen leisten?

Chronische Müdigkeit: Was müssen Krankenkassen leisten?

Das Chronische Fatigue-Syndrom ist kaum erforscht, Therapieansätze fehlen. Die Konsequenz: Lücken in den Leistungskatalogen der gesetzlichen Krankenkassen. Ein Gericht hat nun die Versorgungssituation von Betroffenen beleuchtet. Was müssen die Kassen leisten?

Betroffene leiden an unterschiedlichen Symptomen wie Schmerzen, Schwäche, Konzentrationsschwierigkeiten und extremer Müdigkeit. Bereits geringe Belastung wie wenige Schritte Gehen können zu tagelanger Bettruhe zwingen. Die Rede ist vom Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) – eine Erkrankung, die zu besonders schneller und lang anhaltender Erschöpfung führt. Laut Schätzungen des Betroffenverbandes Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e. V. sind in Deutschland bis zu 250.000 Menschen von diesem Krankheitsbild betroffen, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche.

GKV-Leistungskatalog hat beim CFS-Syndrom Lücken

Allerdings ist das Syndrom bis dato kaum erforscht. Seine Ursachen sind unklar. Medizinische Belege über Therapieformen und andere Behandlungsmethoden sind Mangelware. Die Konsequenz: Lücken in den Leistungskatalogen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). In diesem Zusammenhang hat sich nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) mit der Versorgungssituation von CFS-Patienten beschäftigt. Ausgangspunkt waren die Eilverfahren eines 55-jährigen Mannes, der durch zahlreiche Erkrankungen schwerbehindert und pflegebedürftig ist, insbesondere aufgrund der gesicherten Diagnose des CFS.

Krankenkasse lehnt Bewilligung ab

Bei seiner Krankenkasse beantragte er daraufhin die weitere Bewilligung der Arzneimittel Biomo-Lipon und Dekristol (Vitamin D). Die Kasse hat die Anträge allerdings abgelehnt, weil unter anderem die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Verordnung nicht gegeben seien. Dem hielt der Mann entgegen, dass er mit seiner Grunderkrankung des CFS im System der GKV nicht hinreichend versorgt sei. Er benötige verschiedene Arzneimittel und Behandlungen, wobei etablierte Therapien kaum zur Verfügung stünden. Liponsäure und Vitamin D würden jedenfalls gegen die Symptome eines CFS helfen.

Abgesenkte Evidenzmaßstäbe im Ausnahmefall zulässig

Und wie hat das LSG nun entschieden? Die Richter haben die beklagte Kasse vorläufig zur Leistung verpflichtet. Auch wenn die Leistungsvoraussetzungen der evidenzbasierten Medizin nicht erfüllt seien, müsse die Kasse die Präparate im Ausnahmefall einer schweren Erkrankung übernehmen, argumentiert das Gericht. Dabei beruft sich das LSG auch auf die Stellungnahme eines Sachverständigen, wonach für das CFS keine Standardtherapien des GKV-Leistungskatalogs zur Verfügung stünden und in der Wissenschaft lediglich symptombezogene Versorgungen diskutiert würden. Daher könne im Ausnahmefall auch auf abgesenkte Evidenzmaßstäbe zurückgegriffen werden. Die Kasse muss also leisten. (as)

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.10.2022 – Az. L 4 KR 373/22 B ER

Bild: © patrickjohn71 – stock.adobe.com