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2. Juli 2021
Comeback der Zuversicht: So blicken Versicherer in die Zukunft

Comeback der Zuversicht: So blicken Versicherer in die Zukunft

Sopra Steria hat in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut den Branchenkompass 2021 veröffentlicht. Demnach blicken die Versicherer derzeit optimistisch in die Zukunft. Bei Vermittlern ist die Stimmung hingegen gedämpfter. Sie hatten auch stärker mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Und auch die Versicherer sind nicht frei von Sorgen.

Bei den Versicherern in Deutschland herrscht mehrheitlich gute Stimmung: Drei von vier Entscheidern erwarten, dass sich die Branche bis 2023 mindestens so gut entwickeln wird wie die gesamte Wirtschaft. Vier von zehn Versicherern gehen sogar von einer noch besseren Entwicklung aus. Die Zuversicht hat vor allem zwei Ursachen: weniger Schäden und weniger Leistungsfälle. Zudem gaben viele Unternehmen an, den Lockdown für die Digitalisierung ihres Geschäfts genutzt zu haben. Die Mehrheit der Versicherer erwartet zudem spürbare Nachholeffekte. Das sind die Kernergebnisse der Studie Branchenkompass Insurance 2021 von Sopra Steria in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.

Große und mittelgroße Versicherer besonders zuversichtlich

Große und mittelgroße Versicherer sind der Studie zufolge derzeit besonders optimistisch. Hausrat- und Kfz-Versicherer verzeichneten als Folge des Lockdowns geringere Schadenquoten. Die Einbruchszahlen gingen beispielsweise zurück, zudem gab es weniger Verkehrsunfälle. Einige Versicherer wollen ihren Kunden als Konsequenz einen Teil der erhaltenen Beiträge erstatten. Darüber hinaus bieten nun viel mehr Versicherungsunternehmen als noch vor zwei Jahren ihren Kunden Apps, Videochats und Self-Services über Online-Kundenportale an. Auch die Kundendaten seien heute deutlich besser verfügbar, wovon sich die Versicherer ebenfalls positive Effekte versprechen.

Stimmung bei Vermittlern gedämpfter

Bei den Vermittlern, insbesondere bei den kleinen gebundenen, ist die Stimmung gedämpfter. Nur jeder Fünfte von ihnen glaubt an eine im Vergleich zur Gesamtwirtschaft bessere Geschäftsentwicklung in den kommenden zwei Jahren. Der Grund: Gerade kleinere Vermittler haben stärker als große Makler mit dem Umstieg auf eine Online-Beratung als Folge der Corona-Pandemie zu kämpfen. Die vertriebsunterstützenden Maßnahmen ihrer Produktgeber dürften Sopria Steria zufolge erst mittelfristig greifen und sich stimmungsaufhellend auswirken.

Bestätigung für Einschätzung des GDV

Die Ergebnisse der Studie decken sich mit den Prognosen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Vergleich zu anderen Branchen sind Versicherer demnach recht glimpflich durchs Krisenjahr 2020 gekommen. Die Beiträge entwickelten sich größtenteils stabil. Für 2021 geht der GDV zudem von spürbaren Erholungseffekten aus, insbesondere wegen eines Nachholbedarfs bei Lebensversicherungen und anderen Vorsorgeprodukten.

Pandemie bleibt Top-Herausforderung

Trotz der guten Prognosen ist die Covid-19-Pandemie für fast zwei von drei Versicherern derzeit die Top-Herausforderung. Digitalisierung, Datenschutz und Datensicherheit rücken daher immer stärker in den Fokus der Branche. Neue Arbeitsformen wie Home-Office und Beratung per Videochat erfordern zusätzliche Anstrengungen bei der Abwehr von Cyberattacken und genaues Hinschauen, ob Datenschutzvorschriften in der Beratung eingehalten werden. Diese Themen verdrängen derzeit die bekannten Herausforderungen wie Niedrigzinsniveau, Regulierung und Kosten. Nur jeder dritte Versicherer sieht aktuell die niedrigen Zinsen als Top-Herausforderung, nur jeder vierte nennt Kosten und Fachkräftemangel als große Themen.

Versicherer erkaufen sich Zeit

Einen massiven Kostenblock bilden die IT-Systeme der Versicherer. Die Ablösung der sogenannten Mainframe-Rechner durch moderne Cloud-Computing-IT gilt als Dauerthema in der Branche. Echte Fortschritte bleiben die Ausnahme. Allerdings steigt der Druck zum Handeln: Den Versicherern gehen die Entwickler mit Expertise in den veralteten Systemen und Programmiersprachen aus. „Die Unternehmen stehen hier vor einem echten soziodemografischen Problem. Einige Häuser fragen bereits bei Entwicklern im Ruhestand nach Unterstützung“, sagt Kai-Uwe Reiter von Sopra Steria.

Kaum Budget für echte Innovationen

Darüber hinaus bremst die Alt-IT dringend benötigte Innnovationen und digitale Geschäftsfelder aus. Die Finanzindustrie gibt fast ein Drittel des jährlichen IT-Budgets für die Behebung technischer Schäden aus. Ein weiteres Drittel wird für den Betrieb benötigt. „Daraus ergibt sich, dass lediglich ein Drittel für echte Innovation übrig bleibt. Das ist viel zu wenig, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Reiter. 61% der Versicherer arbeiten derzeit an einem Umstieg auf Cloud-Computing-Lösungen – aus den genannten Kostengründen und um IT-Sicherheitspflichten sowie die Umsetzung regulatorischer Vorschriften an die Cloud-Betreiber auszulagern, so der Branchenkompass Insurance.

Zwischenschritt statt Neustart

Ein kompletter IT-Neustart ist Sopria Sterie zufolge in der Fläche nicht zu erwarten. Viele Versicherer ziehen einen Zwischenschritt vor, indem sie ihre Alt-Software, so wie sie ist, in eine Cloud-Umgebung umziehen. „Mit diesen Mainframe-to-Cloud-Initiativen erkaufen sich die Versicherer Zeit. Sie erreichen schnell erste Kostenvorteile der Cloud-Infrastruktur, ohne allerdings das ganze Einsparpotenzial im IT-Betrieb sowie die strategischen Möglichkeiten auszuschöpfen“, so Reiter. Ein unterschätzter Effizienzhebel sei, dass Versicherer weniger Geschäftsprozesse in ihre eigenen IT-Systeme integrieren, statt sie von Plattformen einzukaufen.

Keine tragende Rolle als Klimaretter

Anders als Digitalisierung und Kosten schafft es das Thema Nachhaltigkeit derzeit auf kaum eine Strategieagenda der Versicherer. Laut der Studie halten 20% der befragten Entscheider die Integration von Nachhaltigkeitskriterien für eine Aufgabe mit Vorrang – obwohl die Versicherer als Finanzmarktteilnehmer mittlerweile offenlegen müssen, wie nachhaltig ihre Anlageprodukte sind. Mit der Erweiterung der nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht müssen Versicherer zudem Angaben zu CO2– und Wasserverbrauch bei Versicherungstätigkeiten und Vermittlung machen. Außerdem müssen sie den Kunden mitteilen, ob sie eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen oder nicht. Dennoch sind nur 16% der Auffassung, dass Versicherer künftig wesentlich dazu beitragen werden, den Klimawandel zu stoppen. (mh)

Über die Studie

Für den „Branchenkompass Insurance 2021“ wurden im April 2021 insgesamt 108 Führungskräfte aus der Versicherungsbranche befragt. Die Online-Befragung führte das Marktforschungsinstitut mo’web research im Auftrag von Sopra Steria und F.A.Z.-Institut durch. Zusätzlich wurden gezielte Telefoninterviews mit drei Entscheidern aus der Versicherungsbranche geführt. (mh)

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