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4. Januar 2022
Corona – Berufsunfähig oder kerngesund?

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Corona – Berufsunfähig oder kerngesund?

Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko nötig

Eine besondere Gefährdung im Falle des Immobilienbesichtigers wurde durch das Landgericht Münster verneint. Nach der Empfehlung im Arztbrief könne die Infektionsgefahr durch Einhaltung der Hygienemaßnahmen, der Abstandsregeln, das Tragen von FFP-2-Masken und die Sorge für ausreichende Belüftung in zu besichtigenden Räumlichkeiten herabgesetzt werden, so das Gericht. Weil mit gängigen Maßnahmen der Infektionsgefahr entgegengewirkt werden könne, übersteige die Gefahr am Arbeitsplatz das allgemeine Lebensrisiko nicht.

Will man demnach annehmen, dass sich der Versicherungsnehmer bei Ausübung seines Berufs einem relevanten Risiko mit Gesundheitsgefährdung aussetzt, muss sich dieses Risiko erst konkretisieren, also das allgemeine Lebensrisiko übersteigen.

In einem anderen vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Dachdecker eine besondere Gefahr bei der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten gesehen, weil ein Sturz schwere Folgen für ihn haben könnte. Der BGH hatte auch hier eine besondere Gefährdungslage verneint. Danach seien Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten trotz Medikamenteneinnahme grundsätzlich ohne eine besondere Gefährdung zumutbar, so der BGH. Besonders schwerwiegende gesundheitliche Schäden würden in einer solchen Situation nämlich nur dann drohen, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für einen Unfalleintritt bestünde. Dieser Gefahr könnte man aber mit gebotenen Unfallverhütungsmaßnahmen in aller Regel entgegenwirken. Eine nur allgemeine Gefahr, dass der Versicherte auch bei gewöhnlichen Stürzen wie etwa beim Gehen oder dem Anstoßen des Kopfes an einem harten Gegenstand innere Blutungen mit schwerwiegenden Folgen erleiden könne, sei dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen, so der BGH in seinem Hinweisbeschluss vom 11.7.2012 – IV ZR 5/11.

Kläger macht keine psychische Erkrankung geltend

Der Immobilienbesichtiger hatte sich gerade nicht auf psychische Folgen seiner Ängste vor einer Corona-Erkrankung, also nicht auf eine psychische Erkrankung berufen. Derartige schwererwiegende Erkrankungen wie Angststörungen und andere psychische Störungen wären grundsätzlich als Auslöser für eine Berufsunfähigkeit in anderen Fällen denkbar. Es ist bekannt, dass psychische Erkrankungen als Folge der Pandemielage und damit in Verbindung stehende Ängste zunehmen und sich auch auf die berufliche Tätigkeit von Versicherungsnehmern in vielen Bereichen auswirken.

Fazit

Allein die gegebenenfalls sogar berechtigte Angst vor einer Erkrankung und die Tatsache, dass der Versicherte ein Risikopatient ist, führt für sich allein nicht zu einer Unzumutbarkeit der weiteren Berufsausübung. Es muss zudem eine das allgemeine Lebensrisiko übersteigende konkretisierte Gefahr festzustellen sein, die als spezifisches Berufsrisiko gegeben ist. Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss jeweils im Einzelfall betrachtet werden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 116 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Di Studio – stock.adobe.com

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Ein Artikel von
Kathrin Pagel