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17. Juni 2021
Courtagerückforderungen bei „Handelsmaklern“?

Courtagerückforderungen bei „Handelsmaklern“?

Die Grenze zwischen Maklern und Vertretern kann in manchen Fällen nicht klar gezogen werden. Bei Courtagerückforderungen ist der Status des Vermittlers jedoch relevant. Rechtsanwältin Michaela Ferling erklärt, wann Versicherern auch gegenüber einem Makler eine Pflicht zur Nachbearbeitung zukommt.

Versicherungsmakler sind keine Versicherungsvertreter. Deshalb ist seit jeher umstritten, inwieweit die für Versicherungsvertreter entwickelte Rechtsprechung auch auf Versicherungsmakler anwendbar ist. So vielfach die Voraussetzungen eines Provisionsrückforderungsanspruchs insbesondere in Bezug auf die qualifizierte Nachbearbeitung gegenüber dem Versicherungsvertreter – der Handelsvertreter ist – in den vergangenen Jahren sowohl von den Instanzgerichten als auch dem Bundesgerichtshof entschieden wurden, so mager waren die Entscheidungen im Bereich der Versicherungsmakler, wenn es um Courtagerückforderungen ging. Lediglich der Bundesgerichtshof deutete in einem Verfahren aus dem Jahr 2010 einmal an, dass sich auch bei Versicherungsmaklern eine Nachbearbeitungspflicht ergeben könne.

Versicherer erhebt Saldoklage

Im streitgegenständlichen Verfahren vor dem Landgericht (LG) München II unterhielt der beklagte Versicherungsmakler eine Courtagezusage mit einer Versicherungsgesellschaft. Während der Geschäftsbeziehung wurden unter anderem die Courtagen diskontiert ausbezahlt und der Versicherungsmakler erhielt bei stornogefährdeten Verträgen eine entsprechende Stornogefahrmitteilung. Darüber hinaus übernahm der Beklagte Aufgaben der Bestandspflege und erhielt im Gegenzug Bestandsschutz. Hierfür erhielt der beklagte Makler eine Bestandspflegevergütung. Die Courtagezusage wurde gekündigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung war ein Restbetrag aus einem Schuldanerkenntnis in Höhe von ca. 4.000 Euro offen. Nach der Kündigung der Courtagezusage erfolgten weitere Stornierungen der vom Beklagten vermittelten Geschäfte. Auf dem für den Versicherungsmakler geführten Courtagekonto entstand ein Debetsaldo. Gegen diese weiteren Courtagerückforderungen setzte sich der Beklagte zur Wehr. Die Versicherungsgesellschaft machte im Rahmen einer Saldoklage den ausstehenden Debetsaldo einschließlich der noch bestehenden Restsumme aus dem Schuldanerkenntnis gerichtlich geltend. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens verwies der beklagte Versicherungsmakler auf das Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2010 und erklärte, dass er wie ein Versicherungsvertreter in die Organisationsstruktur eingebunden gewesen sei, er habe unter anderem diskontiert Courtagen ausbezahlt bekommen und habe auch Stornogefahrmitteilungen erhalten. Es habe Bestandsschutz bestanden und er habe Bestandspflegevergütung erhalten. Das LG München II hatte die Klage – mit Ausnahme des Rest­betrages aus dem Schuldanerkenntnis – abgewiesen.

Annäherung des Maklers an eine Vertreterstellung

Das klagende Versicherungsunternehmen legte Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) München ein. In einem Hinweisbeschluss vom 12.02.2021 wies das Berufungsgericht darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zwar sei es umstritten, ob § 87a Abs. 3 HGB auch auf den Versicherungsmakler entsprechend anzuwenden ist, wenn dieser im Einzelfall genauso schutzwürdig ist wie ein Versicherungsvertreter, oder ob eine solche Analogie schon mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht möglich ist und sich lediglich im Einzelfall aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder einer hieran orientierten Auslegung des Vertrages zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherer für Letzteren eine Nachbearbeitungspflicht ergeben kann. Denn jedenfalls könne der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall Anlass für eine abweichende rechtliche Bewertung geben, wobei eine Schutzwürdigkeit des Handelsmaklers dann bestehen könne, wenn insbesondere die Ausgestaltung der in der Zusammenarbeitsvereinbarung der Parteien getroffenen gestreckten, mit Vorschusszahlungen verbundenen Vergütungsregelung für eine starke Annäherung der Stellung des Beklagten an diejenige eines Ver­sicherungsvertreters spricht. Als Gesichtspunkte, die bei der umfassenden Abwägung aller Umstände im Einzelfall Berücksichtigung finden können, kommen unter anderem die laufende Zahlung von Courtagevorschüssen für die vermittelten Versicherungsverträge, eine Einbindung des Versicherungsmaklers in die Organisationsstruktur der Versicherung, die Zahlung eines Organisationszuschusses, die Zahlung von Bestandspflegegeld, aber auch eine laufende Geschäftsbeziehung, die Führung eines Agenturkontos für den Makler und der Umfang der Tätigkeit als wesentlicher Teil der Vermittlungsarbeit des Maklers in Betracht (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2016 – I-16 U 187/14, und OLG Hamm, Urteil vom 21.01.1999 – 18 U 109/98).

Vorliegend sei das Erstgericht unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen im konkreten Einzelfall zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gekommen, dass der Beklagte ähnlich schutzwürdig sei wie ein Versicherungsvertreter, da sich das Vertragsverhältnis durch die vereinbarten Courtageregelungen stark dem eines Versicherungsvertreters angenähert habe. Anders als die Klägerin meinte, sei die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aufgestellte Liste an Voraussetzungen nicht abschließend, die alle kumulativ erfüllt sein müssten, um eine Nachbearbeitungspflicht nach Treu und Glauben annehmen zu können. Das Gericht wies vielmehr darauf hin, dass dem Tatrichter eine im Einzelfall vorzunehmende wertende Betrachtung der Gesamtumstände zukomme. Diese Einzelfallabwägung habe das Erstgericht vorliegend beanstandungsfrei und nachvollziehbar vorgenommen. Demzufolge wäre die Klägerin zur Nachbearbeitung verpflichtet, die jedoch nicht vorgetragen sei. Entgegen der Empfehlung des Berufungsgerichtes nahm die Klägerin die Berufung nicht zurück, sondern wiederholte im Wesentlichen die in der Berufungsbegründung dargelegten Aspekte. Das OLG München wies unter dem Datum des 14.04.2021 die Berufung der Klägerin zurück.

Fazit

Maßgeblich ist also zunächst, ob der Handelsmakler in der konkreten Situation genauso schutzbedürftig ist wie ein Versicherungsvertreter, sodass der Versicherungsgesellschaft unter dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Nachbearbeitungspflicht zukommt. Daher gilt es stets zu prüfen, wie die laufende Geschäftsbeziehung ausgestaltet war. Wie lange hat sie beispielsweise gedauert, wurde ein Abrechnungskonto geführt und wurde auch ein Bestandspflegegeld bezahlt – um nur einige Aspekte zu nennen. Kommt man aufgrund der Ausgestaltung schließlich zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsmakler vorliegend genauso schutzwürdig ist wie ein Versicherungsvertreter, so trifft die Ver­sicherungsgesellschaft eine Nachbearbeitungspflicht.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2021, Seite 108 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Tartila – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Michaela Ferling