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1. Juli 2020
Darum werden die Immobilienmärkte der Corona-Krise standhalten

Darum werden die Immobilienmärkte der Corona-Krise standhalten

Die aktuelle Diskussion um die Corona-Pandemie und ihre Folge deutet an, dass eine nie dagewesene Disruption ansteht, die auch in extremer Form auf die Asset-Klassen der Immobilienmärkte durchschlagen wird. Tatsächlich dürften aber trotz Corona weitgehend stabile Märkte und eine rasche Erholung der Konjunktur nach der Krise vorzufinden sein.

Von Christian Vogrincic, Gründer und Vorstand der CV Real Estate AG

Ja, es wird Corona-Verlierer geben: Branchen und Konzepte, die schon vor der Krise höchst riskant aufgestellt und ein Auslaufmodell waren, wie z. B. Systemgastronomie, oder auch den klassischen Einzelhändler, dessen Profit auf Kante genäht gewesen ist. Und generell wird auch die Maskenpflicht dazu beitragen, dass High-Involvement-Shopping im stationären Handel für die Bürger auf der Prioritätenskala in den nächsten Wochen noch eher weniger wichtig ist. Wenn man aber die aktuelle, von Untergangsszenarien selbst ernannter Experten befeuerte Corona-Diskussion betrachtet, hat man doch das Gefühl, dass hier gerade einiges aus dem Ruder läuft. Da wird plötzlich alles infrage gestellt, was das Leben unserer Gesellschaft bislang geprägt hat – mit scheinbar weitreichenden Folgen für die Immobilien- und Investmentmärkte.

Die Krise, die ausbleibt

Hotels könnten demnach nicht mehr ausgelastet werden. Einkaufen fände nur noch online statt. Geschäftsreisen wären aufgrund von Video-Konferenzen ein Auslaufmodell und Büros nach der Entdeckung von Home-Office ohnehin nicht mehr nötig. Würden diese Szenarien wirklich eintreten, wären die klassischen Nutzungsklassen Büro, Retail und Hotel tatsächlich stark betroffen und ein massiver Verfall von Mieten und Preisen die logische Konsequenz. Allerdings gibt es faktisch weder Hinweise, dass sich an unseren Lebensgewohnheiten nach Corona Grundlegendes ändern wird, noch dass die Immobilienmärkte derzeit stark einbrechen. Die „German Angst“ und Tendenz, alles rasch grundsätzlich zu hinterfragen, ist also völlig unbegründet. Diese Einschätzung spiegeln auch Hunderte Gespräche mit Entscheidern und Experten aus sämtlichen Nutzungsklassen in den letzten Wochen wider.

Resilienz des Markts

Warum? Sicherlich spielt die vernünftige Lockdown-Politik der Bundesrepublik hier eine wichtige Rolle, und zwar völlig losgelöst von der Frage, ob sie in dieser Ausprägung tatsächlich zwingend notwendig war. Das besonnene Vorgehen der Bundes- und der Landesregierungen hat dafür gesorgt, dass das Land die Pandemie vergleichsweise gut in den Griff bekommen hat und eine völlige Lähmung bzw. Panik – auch psychologischer Natur – ausgeblieben ist. Auch das Wiederhochfahren des Landes verläuft in geordneten Bahnen. Natürlich verfügt der Immobilienmarkt allein aufgrund von langfristigen Mietvertragslaufzeiten und Co. über eine höhere Resilienz als andere Branchen, und Entwicklungen schlagen eher verzögert durch. Aber auch, weil es gute Gründe dafür gibt, warum die Menschen leben, wie sie leben – und weil sie es auch nach Corona wieder so tun wollen, wahrscheinlich sogar mehr denn je. Deshalb wird sich der Markt in Deutschland rasch erholen – und zwar assetklassen-übergreifend.

Hotel und Retail am meisten tangiert

Am gravierendsten werden sicherlich die Nutzungsklassen Hotel und Retail betroffen sein. Allerdings ist selbst im Hotelsektor, wo Häuser seit Wochen komplett leer stehen, bei der Verhandlung von Zukunftsprojekten aktuell kein merklicher Preisverfall spürbar. Die dezentrale Struktur Deutschlands mit seinen unterschiedlichen Business-Zentren – von München bis Hamburg, von Düsseldorf bis Berlin – kommt dem nationalen Markt hier sicherlich zugute, aber auch, dass selbst reine Business-Hotels mit rund 25% touristischen Reisen rechnen. Hier wird das alte Marktniveau rasch wieder erreicht werden. Ähnlich sieht es beim Thema Shopping aus. Natürlich hat die Krise Überläufer mit sich gebracht, die das digitale Einkaufen jetzt für sich entdecken. An der grundsätzlichen Attraktivität und Anziehungskraft der Innenstädte als Orte der Begegnung und des physischen Einkaufserlebnisses wird dies aber nichts ändern, sodass zentrale Einkaufslagen, die bisher stark frequentiert waren, das auch künftig wieder sein werden und solche Retail-Immobilien für Investoren auch künftig attraktiv bleiben.

Katalysator für Trends

Die Krise ist ein Beschleuniger gewisser Trends, die es schon vor Corona gab. Zum Beispiel die Innenstädte als Einkaufserlebnis für High-Involvement-Produkte, eine stärkere Verlagerung von Retail auf Gastronomie und – wie schon erläutert – der beschleunigte Niedergang ohnehin schon dem Tod geweihter Konzepte und Geschäftsmodelle. Möglicherweise wird es auch einen schnelleren Schub im Bereich Showrooming und der damit verbundenen Last-Mile-Logistik geben, wobei sich hier noch keine eindeutige Prognose abgeben lässt.

Office und Geschäftsreisen werden Leben weiter prägen

Was man allerdings definitiv sagen kann, ist, dass die Corona-Krise auch langfristig keinen oder nur einen marginalen Einfluss auf die Office-Märkte in Deutschland haben wird. Denn natürlich wird die Insolvenzwelle ihre Opfer fordern. Da große Unternehmen bzw. Marken, die vor allem in den Top-Lagen unserer Städte zu Hause sind, hiervon weniger betroffen sein werden, meist sogar von der Entwicklung profitieren könnten, werden vor allem B- und C-Lagen an Stadträndern oder in Gewerbegebieten jenseits der Zentren darunter leiden. Grundsätzlich ist aber aktuell sogar eine unverminderte Nachfrage im Investmentbereich zu spüren.

Auch Projektentwicklungen und Büros kaum betroffen

Auch Projektentwicklungen sind nicht betroffen. Und auch wenn Work@home-Konzepte künftig ein noch wichtigeres Element der Arbeitswelt werden, vor allem um Flexibilität für Arbeitnehmer zu schaffen, hat die Krise auch gezeigt, dass vir­tuelles Arbeiten nie Ersatz für Zusammenarbeit vor Ort und echte soziale Kontakte sein kann. Zusätzlich hindern aktuell noch vielerorts IT-Sicherheitsthemen den noch stärkeren Einsatz flexibler Arbeitsmodelle. Ähnlich sieht es bei Geschäftsreisen aus. Video-Konferenzen können den Wert eines physischen Treffens nicht ansatzweise ersetzen, und dass sich Menschen face-to-face sehen möchten, liegt in unserer Natur. Vor allem in dezentralen Märkten wie Deutschland wird die Reisetätigkeit deshalb schnell wieder hochfahren. Spannend wird also eher die Frage sein, wie sich der Büromarkt in Zukunft weiterentwickeln wird, zum Beispiel durch modifizierte Office-Konzepte.

Perspektiven gefragt

Wichtig ist, dass Deutschland weiter seinen geordneten Weg aus der Krise geht und dass sowohl Märkten als auch Unternehmen echte Perspektiven aufgezeigt werden. Eine zentrale Rolle kommt Banken zu, die jetzt mit gutem Beispiel vorangehen, ihre Finanzierungspolitik überdenken und gegebenenfalls beim Thema Sicherheit etwas offener sein müssen, um der erlahmten Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Die deutsche Industrie und vor allem unsere Schlüsselbranchen wie Automobil und Luftfahrt müssen Rückenwind erhalten, ohne dass wieder dogmatische Umwelt- und CO2-Diskussionen angezettelt werden. Keine Ökologie ohne Ökonomie ist das Gebot der Stunde. Dann ist sicher, dass sich die Märkte rasch erholen werden und Deutschland weitgehend so leben wird und kann wie vor der Krise.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 auf Seite 72f und in unserem ePaper.

© Gajus – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Christian Vogrincic