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28. Februar 2020
Das Lebensrisiko Pflege aktiv in der Beratung ansprechen

Das Lebensrisiko Pflege aktiv in der Beratung ansprechen

Viele Menschen kümmern sich nicht um eine Absicherung im Pflegefall. So erlebt es auch der Pflege-Versicherungsmakler Christian Jansen im Beratungsalltag. Dabei ist es wichtig, frühzeitig im Familienkreis darüber zu reden. Makler sollten das Thema aktiv in der Beratung ansprechen. Doch auch die Politik ist am Zug.

Ein Kommentar von Christian Jansen, Inhaber von Christian Jansen Pflegeversicherung und Referent zum Thema private Pflegeabsicherung

Dem wichtigen Thema Pflegeabsicherung wird generell zu wenig Beachtung geschenkt. Auf Kundenseite wird das Lebensrisiko Pflege regelrecht verdrängt. Nach dem neuen Angehörigen-Entlastungsgesetz werden zwar viele Kinder nicht mehr für ihre pflegebedürftigen Eltern zur Kasse gebeten, doch für den Partner des Pflegebedürftigen kann es neben der emotionalen Belastung den finanziellen Ruin bedeuten.

Wir befinden uns in einer Krise, die kaum abwendbar scheint. Der Begriff „Pflegenotstand“ trifft es schon ziemlich genau. Pflegekräftemangel, überfüllte Heime, ausgelastete ambulante Pflegedienste, ausgenutzte osteuropäische Pflegekräfte und vor allem emotional und finanziell überlastete Angehörige sind allgegenwärtig. Dabei gibt es zahlreiche gute Pflegeversicherungsprodukte, die eine Lösung für unsere unterversicherte Gesellschaft darstellen könnten. Nur müssen diese aktiv an die Kunden herangetragen werden. Ich sehe viel zu oft ratlose oder gar überraschte Gesichter in meinen Beratungsgesprächen, wenn ich nachfrage, wie es um das Thema Pflege oder Pflegeabsicherung in der Familie bestellt ist.

Die meisten Kunden wurden bisher gar nicht von einem Berater auf diese Absicherungsmöglichkeit angesprochen. Selbst Paare bzw. Ehepaare untereinander haben sich in den meisten Fällen noch nie über dieses sensible Thema unterhalten, sodass im Pflegefall ein großes Chaos entstehen würde. Gerade die eigene Familie sollte die Wünsche der zu Pflegenden kennen. Patientenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht stellen hierbei eine unverzichtbare Grundlage dar. Allein die theoretische Vorbereitung auf eine mögliche Pflegebedürftigkeit hilft den betroffenen Familien einen großen Schritt weiter.

Neue Gesetze, alte Sorgen

Unter Norbert Blüm, dem damaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, startete 1995 die gesetzliche Pflegepflichtversicherung. Der Grundstein war gelegt. Doch handelte es sich damals wie heute nur um eine Teilversicherung. Seitdem wurden sieben neue Gesetze verabschiedet, um die Pflegesituation in Deutschland für alle Beteiligten zu verbessern, aber das Problem der überalterten Gesellschaft und veränderten Familienstrukturen bleibt und hat den Höchststand noch nicht erreicht. Mehrgenerationenhäuser werden seltener. Die Kinder wohnen häufig weit entfernt vom Elternhaus und haben eigene Familienstrukturen und Alltagsabläufe entwickelt. Dennoch möchten die Kinder ihre Eltern möglichst gut unterstützen und opfern nicht selten die eigene Freizeit oder geben gar ihren Beruf auf.

Rettet die Angehörigen

Das neu verabschiedete Angehörigen-Entlastungsgesetz wird uns nicht retten. Es wird das finanzielle Problem nur verschieben. Kinder von pflegebedürftigen Eltern werden seit dem 01.01.2020 nicht mehr zum Elternunterhalt herangezogen, wenn diese Kinder ein Bruttojahreseinkommen von unter 100.000 Euro beziehen. Dasselbe gilt übrigens für Eltern, die ihre volljährigen pflegebedürftigen Kinder pflegen.

Das Hauptproblem liegt meiner Meinung nach eher darin, dass die Ehepartner der Pflegebedürftigen finanziell und nervlich vor die Hunde gehen, wenn die eigenen, übers Berufsleben hart ersparten Gelder zur Finanzierung der Pflege nicht ausreichen. Kritisch wird es, wenn Leistungen vom Sozialamt eingefordert werden müssen und das gesamte Vermögen der Familie offen gelegt werden muss. Spätestens in diesem Moment ist der verbleibende pflegende Ehepartner bankrott und verliert im schlimmsten Fall sogar das Eigenheim, welches ja für die eigene bzw. gemeinsame Altersvorsorge eingeplant war. Der Partner wird durch das neue Gesetz nicht gestärkt, sondern wird unter Umständen selber bis zum eigenen Lebensende zum Sozialfall, vor allem wenn diese Person ebenfalls eine Pflege benötigen sollte. Unser medizinischer Fortschritt hält uns länger am Leben und erhöht somit das Risiko einer lang andauernden Pflegebedürftigkeit.

Altersvorsorge, Bestattungskosten und Schenkungen als Fallstricke

In § 90 Sozialgesetzbuch XII – Sozialhilfe – steht folgender Wortlaut: (1) „Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.“ Dabei gelten auch Ausnahmen, die ebenfalls in § 90 SGB XII benannt werden. Zur Altersvorsorge zu beraten, bedeutet gleichzeitig, zum Risiko Pflege zu beraten. Bevor das Sozialamt Zahlungen leistet, werden nicht nur ungeschützte Altersvorsorgeverträge, Sparverträge etc. überprüft und herangezogen, wenn es um die Finanzierung der „Pflege“ geht. Es wird auch überprüft, ob in den letzten zehn Jahren Geld verschenkt wurde. An wen, spielt keine Rolle. Auch diese Gelder können zurückgefordert werden. Auch gut gemeinte Sparverträge für die Enkelkinder sind angreifbar.

Selbst die Bestattungsvorsorge ist nicht in jedem Fall gesichert. Es gelten hier Schonvermögen für ortsübliche Bestattungskosten zwischen 5.000 und 6.500 Euro pro Person. Das Bestattungsgeld muss zweckgebunden angelegt und eine Fälligkeit zu Lebzeiten ausgeschlossen sein. Eine passende Sterbegeldversicherung kann hier Abhilfe schaffen. Also Achtung bei der Todesfallabsicherung, denn nach einer kurzen oder langen Pflegephase werden schließlich auch die Bestattungskosten noch anfallen.

Staatlich gefördert, Leistungen aber nicht ausreichend

Das staatlich geförderte Pflegeprodukt „Pflege-Bahr“ ist im Ansatz eine tolle Idee. Die Aufnahme in den Vertrag ohne Gesundheitsprüfung entspricht dem sozialen Gedanken unseres staatlichen Systems. Lediglich eine Pflegebedürftigkeit darf bei Beantragung der Versicherung nicht bestehen. Man hat ein Produkt geschaffen, welches optimal ausgelegt ist für Menschen mit Vorerkrankungen. Die Kehrseite ist jedoch bedenklich: Die Leistungen aus diesen Verträgen sind unzureichend. Es ist eine private Teilkostenversicherung neben der gesetzlichen Teilkostenversicherung. Die Wartezeit von fünf Jahren sollte nicht unterschätzt werden.

Wenn ich einem Gesunden das Pflege-Bahr anbiete anstatt das Pflegetagegeld mit normalen Gesundheitsfragen, halte ich es persönlich für eine Fehlberatung. Es werden mit dem Pflege-Bahr-Produkt sozusagen häufig bereits brennende Häuser gegen das Risiko Feuer versichert: Der gemeinschaftliche Geldtopf der Versicherer wird vorwiegend mit Beiträgen von gesundheitlich vorbelasteten Kunden gefüllt. Daher werden meines Erachtens die Versicherungsbeiträge über kurz oder lang explodieren. Zur gesunden Entwicklung dieses Systems müsste diese Versicherung meiner Meinung nach eine ergänzende Pflichtversicherung sein, um ein Gleichgewicht zwischen Ein- und Auszahlungen zu gewährleisten.

Lösungsansatz: Mehr Rückenwind für Kunden

Aus meiner Sicht brauchen wir eine höhere finanzielle Förderung und eine bessere Absetzbarkeit der Beiträge für die private Pflegevorsorge. Durch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ist die maximale Absetzbarkeit für Vorsorgeaufwendungen in der Regel ausgeschöpft. Für die private Pflegevorsorge ist daher häufig kein Steuervorteil mehr vorhanden. Im Bereich der Altersvorsorge hat der Gesetzgeber den Notstand erkannt und in der Vergangenheit mit Produkten wie zum Beispiel der Riester- und der Basisrente entsprechend reagiert. Es muss für die Bürger ein echter Anreiz zur Vorsorge geschaffen werden. Mit 5 Euro Pflege-Bahr-Förderung im Monat ist keinem wirklich geholfen. Daher meine Bitte an die Politik: Erarbeiten Sie gemeinsam mit Experten aus der Versicherungsbranche neue Lösungen, die die Privatvorsorge stützen und private Pflegeversicherungen für jede Familie langfristig finanzierbar machen.

Den Kommentar lesen Sie auch in AssCompact 02/2020, Seite 42 f. und in unserem ePaper.

Artikelbild: © Photographee.eu – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Christian Jansen

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Thorsten Geise am 02. März 2020 - 12:08

Sehr geehrter Herr Jansen,
ich verstehe die Politik weniger als die Versicherungsuntenehmen.
1. Es gibt bereits eine gesetzliche Pflegepflichtversicherung
2. Eine Pflichtversicherung auf privater Ebene freut nur die Versicherungswirtschaft.
3. Wie ich festsellen muss, sind alle staatlich geförderten Versicherungsprodukte unverhältnissmäßig teuer, so dass
4. die Politik gut beraten ist, diese Versicherungen gleich staatlich zu Organisieren und
5. ja, mit versicherungsmathematische Profis, welche dann die Möglichkeit haben kostengünstige kapitalgedeckte Produckte zu entwickeln, die
5.1. der staatlichen Kontrolle direkt unterliegen,
5.2. preiswerte sind und
5.3. der Mathematiker mit Größenordnungen arbeiten kann, die eine Anwendung des Gesetzes der großen Zahlen möglich macht.
Damit entfällt die kleinsplittige Risikoverteilung / -Konzentration und all Ihren Wünschen (Pflicht für alle zu günstigen Preisen) sind genüge getan.
Denn wer braucht die Pflegversicherung? Die Reichen - wohl eher nicht, der Arme kann sie sich nicht leisten und der Normalverdiener rutscht langsam zu den Armen ab.
Welche Ziele verfolgt die Politik - oder die Lobyisten der privaten Versicherungswirtschaft?
Thorsten Geise