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6. Mai 2021
Das „Anti-Abmahn-Gesetz“ – Ein Lichtblick für Vermittler?

Das „Anti-Abmahn-Gesetz“ – Ein Lichtblick für Vermittler?

Das sogenannte „Anti-Abmahn-Gesetz“ ist im vergangenen Dezember in Kraft getreten und sollte Abmahnschlachten zwischen Wettbewerbern sowie massenhaft verschickten Abmahnungen ein Ende bereiten. Weshalb das Gesetz jedoch auch für Vermittler bedeutsam ist, erklärt Fachanwalt Björn Thorben M. Jöhnke.

Am 02.12.2020 trat das sogenannte „Anti-Abmahn-Gesetz“ in Kraft. Dieses Gesetzespaket brachte viele Neuerungen und Änderungen am Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit sich. Unter anderem sollte es auch der Eindämmung missbräuchlicher Abmahnungen dienen. Gerade aus diesem Grund ist das „Anti-­Abmahn-Gesetz“ auch für Versicherungsvermittler von Relevanz.

Vorüberlegung: Was haben Vermittler davon?

Viele Versicherungsvermittler haben in Bezug auf ihre Website bereits Abmahnungen erhalten. Häufig ging es bei diesen Abmahnungen um gesetzliche Änderungen die Erstinformationen betreffend oder auch um die Datenschutzerklärung. Betrachtete man den wettbewerbsrechtlichen Verstoß an sich, so war dieser stets als „nicht schlimm“ zu betrachten. Dabei stellt sich die Frage, welcher Sinn sich dahinter verbirgt, einen Versicherungsvermittler aufgrund kleiner Fehler abzumahnen – beispielsweise aufgrund einer Änderung der Telefonnummer der DIHK oder aufgrund von gesetzlichen Änderungen innerhalb der Erstinformationen, die noch nicht auf der Website umgesetzt wurden. Diesem Vorgehen könnte nun durch die neuen gesetzlichen Änderungen Einhalt geboten werden.

Abmahnungsberechtigung

Durch das Gesetz hat die Berechtigung zur Abmahnung neue Voraussetzungen erfahren. Diese sind umfangreicher geworden. Bisher gehörten Mitbewerber ohne Einschränkung zu denjenigen, die andere Mitbewerber wegen etwaiger Verstöße kostenpflichtig abmahnen konnten. Nunmehr sind nur noch solche Mitbewerber anspruchsberechtigt, die tatsächlich geschäftlich tätig sind und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Diese Mitbewerbereigenschaft an sich wird damit enger gefasst, als sie vorher war. Das hat den Vorteil, dass nun nicht mehr rein „willkürlich“ abgemahnt werden kann, sondern der Abmahner im Zweifel die konkreten Dienstleistungen (oder Waren) darzulegen hat, um zu belegen, dass auch der Abgemahnte auf demselben Markt tätig ist. Diese Änderung tritt erst am 01.12.2021 in Kraft.

Inhaltliche Gestaltung von Abmahnungen

Auch die Anforderungen an den Inhalt einer Abmahnung wurden neu gestaltet. Eine Abmahnung muss nun klar und verständlich formuliert sein und den Einzelfall erfassen. Es müssen eindeutige und bestimmte Informationen darüber enthalten sein, was dem Abgemahnten konkret vorgeworfen wird, und der Grund, warum das Verhalten zu einem Rechtsverstoß führt. Zweck dieser neuen gesetzlichen Regelung ist es, vorgefertigte und nicht an den Einzelfall angepasste Abmahnungen zu verhindern.

Aufwendungsersatz bei Rechtsmissbräuchlichkeit

Zur Abwehr von rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen gibt es ebenfalls Neuerungen. Gesetzlich normiert sind nun bestimmte Fallgruppen, wonach eine missbräuchliche Abmahnung im Zweifel anzunehmen ist, wenn beispielsweise die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Wird also rechtsmissbräuchlich abgemahnt, so steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch gegen den Abmahner zu, der einen Aufwendungsersatz für die eigene Rechtsverteidigung umfasst.

Schadensersatzanspruch des Abgemahnten

Es gibt nunmehr auch einen Gegenanspruch des Abgemahnten, der im Falle einer unberechtigten oder formal fehlerhaften Abmahnung geltend gemacht werden kann. Dem Abgemahnten steht dann ebenfalls ein Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten zu. Dieser Anspruch wird jedoch auf die Höhe begrenzt, die der Abmahnende selbst geltend gemacht hat.

Kein Aufwendungsersatzanspruch bei Verstoß gegen Informationspflichten

Ein Aufwendungsersatzanspruch kann selbst bei zulässigen Abmahnungen unter bestimmten Umständen ausgeschlossen sein. Das gilt im Falle von Verstößen gegen die Informations- und Kennzeichenpflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien (Impressum) und gegen die DSGVO (Datenschutzerklärung), soweit der Abgemahnte weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt. Diese gesetzliche Neuerung dürfte für Versicherungsvermittler einen Vorteil bringen, denn die gesetzlichen Pflichtinformationen und Erst­informationen für Vermittler ändern sich häufig, werden jedoch nicht immer fristgerecht auf der Website umgesetzt. Mithin könnte der Vermittler für Verstöße zwar abgemahnt werden. Auf den Kosten dürfte der Abmahner aber wohl „sitzen bleiben“.

Vertragsstrafe bei Erstabmahnung

Es soll auch keine Vereinbarung über eine Vertragsstrafe von dem Abgemahnten mehr verlangt werden können, wenn die Abgabe einer Unterlassungserklärung erstmalig gefordert wird. Diese Ausnahme besteht jedoch nur dann, wenn der Abgemahnte weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Eine Höhe von 1.000 Euro soll dabei nicht überschritten werden, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Verspricht der Abgemahnte jedoch eine unangemessen hohe Vertragsstrafe, wird lediglich eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe geschuldet.

Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstandes“

Der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ wird im Zuge des „Anti-­Abmahn-­Gesetzes“ eingeschränkt, und zwar für Verstöße, die im Bereich der Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Vorher konnte der Abmahner sich grundsätzlich aussuchen, wo er klagen wollte. Dabei wählte er in der Regel ein Gericht, das ihm (voraussichtlich) „wohlgesinnt“ war. Das ist nun nicht mehr möglich. Seit Inkraft­treten des Gesetzes muss die Klage zwingend am allgemeinen Gerichts­stand erhoben werden – also am Wohnort oder dem Sitz des Be­klagten.

Verringerung des Streitwertes für Abmahnungen

Wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Streitwert bietet, ist insoweit ein Streitwert von 1.000 Euro anzunehmen. Das gilt auch, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt.

Auswirkungen auf die Vermittlerpraxis

Natürlich sollte eine Abmahnung im Einzelfall stets juristisch überprüft werden. Dennoch ist davon auszugehen, dass Abmahner es von nun an schwerer haben werden, Vermittler rechtmäßig abzumahnen, da die typischen Verstöße im Internet gerade die Informationspflichten und die Datenschutzerklärung betreffen. Hier könnten Abmahner künftig auf den eigenen Kosten sitzen bleiben.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 116 f., und in unserem ePaper.

Bild: © fovito – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Björn Thorben M. Jöhnke