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21. Oktober 2021
Demografiefeste Pflege nur mit dualem Versicherungssystem

Demografiefeste Pflege nur mit dualem Versicherungssystem

Das Wissenschaftliche Institut des Verbandes der privaten Krankenversicherung (WIP) hat in einer neuen Studie festgestellt: Eine Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung bietet keine effektive Lösung zur Bewältigung des Demografie-Problems in der Pflege.

Die deutsche Gesellschaft altert. Allein bis 2035 wird die Zahl der Personen im Alter ab 67 Jahren zwischen 2020 und 2035 um 22% von 16 Millionen auf voraussichtlich 20 Millionen steigen, wie das Statistische Bundesamt nach Ergebnissen der mittelfristigen Bevölkerungsvorausberechnung mitteilt. Diese Dynamik macht auch vor den Sozialversicherungen nicht Halt. Gerade im Pflegebereich wird die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in den kommenden Jahren sprunghaft ansteigen. Erhebliche Kostensteigerungen verbunden mit erhöhten Beitragssätzen bzw. staatlichen Ausgleichszahlungen sind damit vorprogrammiert. Doch wie kann diese demografische Herausforderung am besten bewältigt werden? Dieser wichtigen Zukunftsfrage widmet sich eine Studie des wissenschaftlichen Instituts des PKV-Verbandes. Darin kommen die Forscher zum Ergebnis, dass eine Einheitsversicherung bzw. Ausgleichszahlungen zwischen gesetzlichem und privatem System die demografischen Herausforderungen eher verschärfen werden. Die Studie erteilt damit politischen Erwägungen über die Einführung einer Pflegebürgerversicherung erneut eine klare Absage, was sich sich ja nun auch im politischen Berlin nach Lesart der Sondierungsergebnisse andeutet.

Abweichende Dynamik bei der Alterung der Versicherten

Der Vergleich der Versichertengemeinschaften zwischen gesetzlicher (GPV) und privater Pflegeversicherung (PPV) zeigt, dass derzeit die Jahrgänge ab etwa 80 Jahren mit einem hohen Pflegebedürftigkeitsrisiko in der GPV anteilig stärker vertreten sind als in der PPV. Die Altersstruktur der PPV ist dagegen stark von den Geburtsjahrgängen 1942 bis 1977 geprägt, wie untenstehende Grafik aus der Studie aufschlüsselt. Entsprechend sind diese Jahrgänge in der PPV anteilig stärker besetzt als in der GPV. Gemessen am jeweiligen Gesamtbestand der Versicherten machen diese Jahrgänge 54,4% in der PPV und 44,7% in der GPV aus.

Demographiefeste Pflege nur mit dualem Versicherungssystem

Dieser Umstand, verbunden mit der überdurchschnittlich hohen Lebenserwartung der PPV-Versicherten und den gesetzlichen Reglementierungen beim Neuzugang, sorgt dafür, dass sich die Bestandsstruktur bei den Versicherten zu Ungunsten der PPV verschieben wird. Eine Abschätzung der künftigen Pflegebedürftigen bis 2030 kommt daher auf einen Zuwachs in der PPV von 74% und in der GPV von lediglich 13%. Die Versichertengemeinschaft der PPV altert also deutlich schneller als die der GPV. Das bedeutet: Die Risikostruktur der PPV-Versicherten verschlechtert sich, die Kosten je PPV-Versicherten werden ansteigen.

Alterung der Versicherten in der PPV eingepreist

Im Unterschied zur GPV stellt eine künftig ältere Versichertengemeinschaft für die PPV kein unmittelbares Problem dar. Denn: Die demografische Entwicklung in der PPV ist durch das Kapitaldeckungsverfahren bereits in den Prämien einkalkuliert, so die Studienautoren. Die Versicherten finanzieren mit ihren Beitragsgeldern den Aufbau von verzinslichen Alterungsrückstellungen für ihr Pflegebedürftigkeitsrisiko im Alter, was in der GPV eben nicht geschieht. In der PPV gilt dagegen das Äquivalenzprinzip: Jede Generation sorgt mit ihren Alterungsrückstellungen selbst für die Absicherung ihres Pflegebedürftigkeitsrisikos vor. Die zukünftig höheren Pflegeausgaben durch die steigende Zahl der Pflegebedürftigen werden in die Prämienzusammensetzung der PPV von vornherein eingepreist. Müssten diese Personen infolge einer Einheitsversicherung in das GPV-System wechseln, so das Fazit des PKV-Forschungsinstitutes, würden sie dort die Probleme des Umlageverfahrens verstärken und die bereits demografiebedingt labile Finanzierungsbasis der GPV noch weiter verschärfen. Außerdem führe die Zusammenlegung tendenziell zu einem Vorteil der gegenwärtigen Pflegebedürftigen und nicht zur Entlastung jüngerer Generationen, führen die Studienautoren weiter aus.

Mögliche Überbelastung der PPV durch Finanzausgleich

Ein weiterer Grund der nach Ansicht des PKV-Forschungsinstituts für das duale System in der Pflegeversicherung spricht: Ausgleichszahlungen von der PPV in die GPV führen laut Studie zu einer Überbelastung der PPV-Versicherten. Zusätzlich werde dadurch die generationengerechte Finanzierung der PPV untergraben. Auch wenn sich also die Risikostruktur der PPV keineswegs besser als die der GPV darstellt, könnte die PPV dann entweder Rückstellungen in nicht mehr ausreichender Höhe bilden oder aber sähe sich zu einer Erhöhung ihrer Versichertenprämien gezwungen. Entsprechend konstatiert auch die Deutsche Aktuarvereinigung: „Und so entpuppt sich der Vorschlag für eine Pflegebürgerversicherung oder einen Risikoausgleich zwischen den Systemen als der Versuch, Fehler der Vergangenheit und Gegenwart durch den Griff in die Geldbörsen anderer zu korrigieren“. (as)

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