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26. Februar 2019
Der Preis ist heiß: Technologie als neues Standbein der Assekuranz?

Der Preis ist heiß: Technologie als neues Standbein der Assekuranz?

Die Digitalisierung treibt Versicherungsgesellschaften immer mehr in Richtung Tech-Unternehmen. Beteiligungen an IT-Dienstleistern und Entwicklerschmieden stehen derzeit bei großen Versicherern hoch im Kurs. Dass sie deswegen ihr Kerngeschäft nicht aus den Augen verlieren und wie letztendlich alle Beteiligten von Whitelabel-Lösungen profitieren können, dazu äußern sich drei Führungspersönlichkeiten aus Assekuranz und IT.

Beinahe täglich veröffentlichen die Fachmedien Meldungen zu neuen Beteiligungen oder Unternehmenskäufen größerer Versicherer. Besonders begehrt: IT-Dienstleister und Entwicklerschmieden. Denn in weiten Teilen der traditionellen Branche hat mittlerweile die Erkenntnis Einzug gehalten, dass Hilfe von außen bei den eigenen Digitalisierungsbestrebungen nicht schaden kann. Das bestätigt auch Martin Gräfer, Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe die Bayerische: „In der Tat sind wir offen für Expertise von außen und suchen auch Sparringspartner, mit denen wir unsere eigenen Ideen kritisch diskutieren können.“ Mit den Beteiligungen bei sum.cumo und iS2 Intelligent Solution Services ist der Mittelständler aus München bereits aktiv im Feld unterwegs.

Keine Widersprüche

Werden Versicherer also zunehmend zu Tech-Unternehmen? Und verlieren damit ihre Kernkompetenzen aus dem Auge? Dr. Angelo O. Rohlfs, Vertriebsvorstand der VHV Allgemeine Versicherung AG, widerspricht dem deutlich. „Neben dem versicherungstechnischen Kerngeschäft ist IT immer schon integraler Bestandteil des Geschäftsmodells“, stellt er klar. Durch die enge Verzahnung von Digitalisierung und Prozessen rücke Technologie immer näher an das Kerngeschäft von Versicherungsunternehmen. Eine Trennung sei so kaum noch möglich, so Rohlfs. Auch Martin Gräfer sieht in dem zunehmenden Technologie-Fokus keinen Widerspruch zum Kerngeschäft. Vielmehr müssten und sollten Versicherer „zu Tech-Unternehmen werden, die sich durch Persönlichkeit und Empathie auszeichnen.“

Versicherer mit Hitpotenzial?

Oliver von Ameln geht mit seiner Einschätzung sogar noch weiter: „Die Frage, ob eine Unternehmung –auch eine Versicherung – ein Tech-Unternehmen ist oder nicht, wird es über kurz oder lang nicht mehr geben. Ein großes Unternehmen, das sich nicht auch um Technologieführerschaft bemüht, wird die Abriebkräfte der Digitalisierung mittelfristig nicht überstehen“, prognostiziert der Geschäftsführer des Software-Anbieters adesso insurance solutions. Gleichzeitig vermutet er einiges Potenzial in der Branche. Denn Versicherer hätten sich zwar „bisher nicht als High-Tech-Unternehmen hervorgetan“, aber verfügten über einen wichtigen Vorteil: „Durch den täglichen Kampf mit Legacy-Systemen haben die Versicherer die tiefsten Einblicke in die erforderlichen Prozesse.“ Für Oliver von Ameln hat diese „Domänenkompetenz, in Verbindung mit geeigneten Technologiepartnern“ das Zeug zum „Exportschlager“.

Teile und herrsche gemeinsam

Apropos „Exportschlager“: Immer mehr Versicherer gehen dazu über, technologische Lösungen nicht mehr nur für sich selbst zu nutzen, sondern auch im Markt zu verkaufen. Kaum verwunderlich, bieten Whitelabel-Lösungen doch für alle Beteiligten positive Aspekte, wie Martin Gräfer erklärt: „Geteilte Freude ist hier doppelte Freude: Wir partizipieren dann auch an Ideen Dritter und gleichzeitig sind geteilte Kosten ebenfalls zum Vorteil aller“, so das Vorstandsmitglied der Bayerischen. Das ergebe Sinn und habe Zukunft. Den Nutzen von Whitelabel-Lösungen unterstreicht auch Dr. Angelo O. Rohlfs. Für den Anbieter, um „die Auslastung bestehender Systeme sicherzustellen und Skaleneffekte zu nutzen“. Der Abnehmer wiederum spare Kosten ein, indem er auf bestehende Lösungen setze. Deshalb setze „auch die VHV sich mit dem Thema auseinander“.

Das Marktpotenzial ist groß

Auch Oliver von Ameln ist überzeugt, dass solche Angebote künftig eine wichtige Einnahmequelle für Versicherer werden könnten. Denn InsurTechs hätten ihre Stärken zwar häufig an der direkten Kundenschnittstelle, aber: „Digitale Backendprozesse, vor allem in der Personenversicherung, sind jedoch komplex und fast nicht ohne Technologiepartner zu bewältigen“, betont von Ameln. Einfach eine „schicke Software-Anwendungslandschaft zu kaufen“ reiche dafür aber keinesfalls aus. Der adesso-insurance-services-Geschäftsführer resümiert: „Modernisierungen sind derzeit dort erfolgreich, wo ein Technologiepartner auf einen kompetenten Kunden trifft, der über die diversen Fachbereiche (Vertrag, Leistung, Aktuariat, IT) hinweg auf Augenhöhe operiert.“ Diese Kombination sei aber Angesichts der fehlenden Fachkräfte kaum innerhalb weniger Monate neu zu erschaffen. Deshalb gebe es einen attraktiven Markt für Whitelabel-Lösungen.

Die IT-Abteilungen der Versicherer entwickeln sich somit immer mehr von klassischen Cost-Centern zu Profit-Centern. Gehört diesem Modell die Zukunft? Diese und weitere Fragen diskutieren Martin Gräfer, Dr. Angelo O. Rohlfs und Oliver von Ameln gemeinsam mit Dr. Mathias Bühring-Ule, Vorstandsmitglied des Gothaer Konzerns, in einem Panel auf der diesjährigen Digisurance in Berlin.

Text: Konstantin von Essen, Redaktion NewFinance Mediengesellschaft