AssCompact suche
Home
Assekuranz
18. Juni 2020
Die bAV sicher durch die Krise steuern

Die bAV sicher durch die Krise steuern

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise wirken sich auch auf die bAV aus. Zum einen direkt über Kurzarbeit und damit verbundene Einschnitte bei Beitragszahlungen. Zum anderen indirekt, da Turbulenzen an den Kapitalmärkten Rechnungszinssätze nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen beeinflussen.

Ein Gastbeitrag von Rainald Meyer, Vorstand der Heubeck AG

Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Viruspandemie beschlossen wurden, haben einen Stillstand in weiten Teilen der Wirtschaft bewirkt. An vielen Standorten wurde die Produktion gestoppt oder deutlich heruntergefahren und die Unternehmen mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Durch die Einführung der Kurzarbeit sinkt der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers; dies kann sich direkt auf die Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung auswirken. Verringert der Arbeitgeber die Arbeitszeit aufgrund der Corona-Krise nur teilweise, erhält der Arbeitnehmer das anteilige Kurzarbeitergeld. Wird die Arbeitszeit auf null heruntergefahren, entfällt auch der Arbeitslohn komplett. Dann erhalten die Arbeitnehmer das volle Kurzarbeitergeld aus den Kassen der Sozialversicherung. Inwieweit sich die Lohneinbußen durch die Einführung von Kurzarbeit auf die betriebliche Altersversorgung auswirken, hängt auch davon ab, ob die Betriebsrente vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer finanziert wird.

Die Versorgungszusage entscheidet über das Schicksal der Beitragszahlungen

Bei einer rein arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusage, etwa der Direktversicherung, müssen die Beiträge in der Regel erst einmal weitergezahlt werden. Kürzungen sind jedoch denkbar, zum Beispiel wenn die Zusage vom Arbeitsentgelt abhängig ist. Hier kommt es aber im Einzelfall auf die konkrete Ausgestaltung der Zusage an. Dies trifft auch im Fall der „Kurzarbeit Null“ zu. Da der Arbeitnehmer hier vorübergehend keinen Anspruch auf Entgelt hat, sollte im Regelfall auch die Beitragspflicht des Arbeitgebers erlöschen. Auch hier kann jedoch die Versorgungsordnung des Unternehmens, eine etwaige Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag abweichende Vorgaben vorsehen, sodass der Arbeitgeber dazu verpflichtet sein kann, die Beiträge vollständig oder in Teilen weiterzuentrichten.

Arbeitgeber darf Rentenanpassungen aussetzen

Wenn aufgrund der Corona-Krise die wirtschaftliche Substanz eines Unternehmens gefährdet ist, kann die turnusmäßige Anpassung der laufenden Renten ganz oder teilweise unterbleiben. Grundsätzlich ist auch eine Kürzung der Betriebsrente vorstellbar. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht dem Eingriff in bestehende Zusagen enge Grenzen gesetzt.

Ungeplante Beitragserhöhungen durch die Corona-Krise

Mittelfristig können sich durch die Corona-Krise aber auch positive Effekte für Arbeitnehmer ergeben, die somit zu zusätzlichen Belastungen bei Arbeitgebern führen. Sollten die Anpassungen der Beitragsbemessungsgrenzen aufgrund der deutschlandweiten Kurzarbeit hinter den Lohnanpassungen im einzelnen Unternehmen zurückbleiben, ergibt sich bei gespaltenen Planformeln eine Schieflage, da der Anteil des pensionsfähigen Gehaltes oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen relativ steigt.

Vorsicht bei der Beitragsstundung

Finanziert der Arbeitnehmer seine bAV selbst, führt die Kurzarbeit dazu, dass die Entgeltumwandlung entweder gar nicht („Kurzarbeit Null“) oder nur deutlich reduziert weitergeführt werden kann. Das liegt daran, dass das Kurz­arbeitergeld des Staates kein Entgelt, sondern eine Lohnersatzleistung darstellt, die nicht umwandlungsfähig ist. Damit sinkt das maximal umwandelbare Gehalt. Zumindest haben Arbeitnehmer in den Durchführungswegen Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktver­sicherung im Rahmen der Entgeltumwandlung die Möglichkeit, den Vertrag während der Kurzarbeit mit eigenen Beiträgen weiterzuführen. Wenn ein Arbeitnehmer seinen Versorgungsvertrag aufgrund der Lohnausfälle während der Kurzarbeit nicht bedienen kann oder will, besteht bei der versicherungsförmigen Finanzierung häufig die Möglichkeit, die Beiträge vorübergehend auszusetzen. Diese sind dann jedoch später nachzuzahlen.

Im Durchführungsweg der rückgedeckten Unterstützungskasse ist hier jedoch Vorsicht geboten, um den Betriebsausgabenabzug der Beiträge nicht zu gefährden. Wird die Entgeltumwandlung reduziert fortgeführt, sind gesetzliche (in 2020: 238,88 Euro p. a.) und vertragliche Mindestbeiträge einzuhalten. Handelt es sich um ein sogenanntes Matching Contribution-System, so entfällt oder verringert sich auch der Arbeitgeberzuschuss entsprechend der fehlenden beziehungsweise der reduzierten Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers.

Arbeitgeber sollten auch im Interesse ihrer Mitarbeiter bei der Einführung von Kurzarbeit die unmittelbaren und späteren Folgen für die betrieblichen Versorgungssysteme im Blick behalten. Eine Unterbrechung der Finanzierung kann kritisch sein und unter Umständen dazu führen, dass der Invaliditätsschutz wegfällt oder dass Probleme bei der Wiederaufnahme der Beitragszahlung entstehen. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer seine bAV selbst finanziert, sollte er über alle möglichen Folgen stets informiert werden.

Wohin steuert der Rechnungszins?

Von der Covid-19-Pandemie geht auch eine Ansteckungsgefahr für die Bilanzen deutscher Unternehmen aus, deren Ausmaß und Richtung derzeit noch nicht überschaubar ist. Eine kritische Größe ist hier der Rechnungszins, der zur Ermittlung der Pensionsrückstellungen herangezogen wird. Grundsätzlich gilt folgender Zusammenhang: Je niedriger der Rechnungszins, desto höher der Barwert der Pensionsverpflichtungen. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass auch der IFRS-Rechnungszins sukzessive gesunken ist. Unternehmen, die nach dem internationalen Standard IAS 19 bilanzieren, sind daher gezwungen, rechnerisch mehr Vermögen für die zukünftigen Pensionslasten zu reservieren.

Nun hat die starke Verunsicherung an den Kapitalmärkten nach dem Corona-Shutdown zum Ende des ersten Quartals 2020 jedoch zu einem deutlichen Anstieg der IFRS-Rechnungszinsen im Vergleich zum Vormonat geführt. Auslöser war der Aktiencrash im März, auf den die Märkte innerhalb kürzester Zeit mit einer Neubewertung der Ausfallrisiken reagierten. Dies führte bei vielen Anleihen zu deutlichen Risikoaufschlägen und damit zu entsprechenden Rendite-Anstiegen. Auch die Marktrendite von Unternehmensanleihen mit hochklassiger Bonität, an der sich der IFRS-Rechnungszins orientiert, erhöhte sich.

Dabei war zu beobachten, dass der Anstieg bei Unternehmensanleihen mit AA-Rating im Mittel deutlich stärker ausgefallen ist als beispielsweise bei AAA-gerateten Unternehmensanleihen, die sich insgesamt stressresistenter zeigten. Die Höhe des beobachteten Zinsanstiegs war somit stark abhängig von der Zusammensetzung des Anleiheuniversums, das der Ermittlung des Rechnungszinssatzes zugrunde liegt. Rein rechnerisch führte der Zinsanstieg erst einmal zu einer entsprechenden Entlastung bei der Ermittlung der Barwerte für die Pensionsverpflichtungen und damit zu einem positiven Bilanzeffekt im ersten Quartal.

Ob der Zinsanstieg nachhaltig oder vorübergehend sein wird, ist derzeit noch unklar. Unternehmen sollten daher die Ruhe bewahren und aus der aktuellen Ausnahmesituation an den Kapitalmärkten und deren Einfluss auf den Rechnungszins keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Corona-Krise ist für viele Unternehmen eine Zeit der Ungewissheit. Diese Zeit kann genutzt werden, um die Versorgungswerke weiter zu verbessern und sicher für die Zukunft aufzustellen.

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 und in unserem ePaper.

Bild oben: © m.mphoto – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Rainald Meyer