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21. April 2021
Die Generation der Erben – Einfach erben und alles ist gut?

Die Generation der Erben – Einfach erben und alles ist gut?

Von der Generation der Erben wird gerne mit Blick auf die Kinder der Nachkriegsgeneration, also die heute 40- bis 60-Jährigen gesprochen. Verbunden damit ist die Vorstellung, dass eine Erbschaft oder Schenkung stets einen Segen bedeutet. Die Praxis zeigt, das ist nicht immer der Fall.

Von Ulrike Specht, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erbrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht, Gesellschafterin der Kanzlei Paluka Sobola Loibl & Partner Rechtsanwälte mbB.

Die gesetzliche Erbfolge birgt für so manchen Überraschungen: Verstirbt ein Mensch (Erblasser), ohne wirksam seinen letzten Willen geregelt zu haben, so greift die gesetzliche Erbfolge. Wer Erbe wird, hängt dann unter anderem davon ab, welche Angehörigen der Erblasser hinterlässt und ob und wenn ja in welchem Güterstand er zum Zeitpunkt des Todes verheiratet war. So wird zum Beispiel ein lediger Erblasser, der zwei Kinder hinterlässt, von diesen zu gleichen Teilen beerbt. Wäre ein Kind bereits vor dem Erblasser verstorben, hat seinerseits aber drei Kinder hinterlassen, so treten diese drei Kinder an die Stelle des vorverstorbenen Kindes. Diese drei Enkelkinder würden mit einer Erbquote von je 1/6 neben dem noch lebenden Kind des Erblassers (Erbquote ½) Erben werden.

Wäre der Erblasser dagegen zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet gewesen, so würde auch der überlebende Ehegatte als Erbe berufen sein. Die Erbquote aller Erben hängt dann vom Güterstand ab. Wäre der verheiratete Erblasser kinderlos, so wird der überlebende Ehegatte nicht automatisch Alleinerbe. Neben ihm können auch Schwiegereltern und/oder Geschwister oder auch Großeltern zu gesetzlichen Erben berufen sein.

Hat der Erblasser dagegen seinen letzten Willen errichtet, wird häufig darüber gestritten, ob dieser wirksam errichtet wurde. Dem Erblasser stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, seinen letzten Willen zu regeln. Er kann ein Einzeltestament handschriftlich oder notariell errichten oder mit seinem Ehegatten ein gemeinschaftliches Ehegattentestament oder auch einen Erbvertrag errichten.

In der Praxis entsteht vor allem bei Laientestamenten Streit darüber, was tatsächlich gemeint war. Sind die Anordnungen nicht klar und eindeutig, bedarf es der Auslegung, um den Erblasserwillen zu ermitteln. Das bietet natürlich viel Streitstoff. So ist oft die Rede davon, dass einer Person etwas „vermacht“ wird. Im Einzelfall bedarf es dann der Auslegung, ob nur einzelne Gegenstände zugeordnet werden sollten oder es sich um eine Alleinerbeneinsetzung der genannten Person handelt.

Streitstoff bietet auch die Frage, ob ein Testament greift. Denn häufig wird bei Erbverträgen oder gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten übersehen, dass diese Bindungswirkung entfalten können. Das kann zur Folge haben, dass jeder der Ehegatten bzw. jede der Erbvertragsparteien keine abweichende Verfügung mehr treffen kann, auch nicht nach dem Tod des ersten Ehegatten bzw. der anderen Erbvertragspartei. Selbst wenn der Erblasser zunächst mit dem Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament mit Bindungswirkung und vielleicht erst Jahre später ein Einzeltestament errichtet und darin erklärt, dass er damit alle früheren letztwilligen Verfügungen widerruft, kann dieser Widerruf wegen der Bindungswirkung unwirksam sein.

Daher darf man für die Feststellung der Erbfolge nicht nur auf das zuletzt errichtete Testament abstellen, sondern muss alle weiteren Testamente, gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge in die Prüfung einbeziehen. Umgekehrt muss man auch bei der Errichtung darauf achten, ob und inwieweit man eventuell schon gebunden ist und ob das noch geändert werden kann.

Wie verhält es sich mit Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen?

Die gesetzlichen Regelungen zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen sind sehr komplex. Vereinfacht dargestellt sollen bestimmte nahe Angehörige für den Fall, dass sie enterbt werden oder nur zu einem sehr geringen Anteil am Nachlass beteiligt sind, einen Mindestanteil am Vermögen des Erblassers erhalten. Der enterbte Pflichtteilsberechtigte erhält lediglich einen Zahlungsanspruch gegen den oder die Erben, unter Umständen auch gegen den Beschenkten.

In der Praxis begegnet man immer wieder der Fehlvorstellung, dass ein Pflichtteilsanspruch stets ¼ betragen würde. Tatsächlich verhält es sich so, dass der Pflichtteil immer in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils besteht. Im Einzelfall wird also ermittelt, welche hypothetische gesetzliche Erbquote der Betroffene gehabt hätte, und die Hälfte davon ist die Pflichtteilsquote.

Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch ist der Wert des Nachlasses, wie er sich am Todestag darstellt. Damit aber ein Pflichtteilsberechtigter nicht deswegen leer ausgeht, weil der Erblasser kurz vor seinem Tod alles an einen anderen verschenkt hat, gewährt ihm das Gesetz auch Pflichtteilsergänzungsansprüche. Berechnungsgrundlage dafür sind die lebzeitigen Schenkungen, die der Erblasser getätigt hat. Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, werden unter Umständen nicht mehr herangezogen. Dies gilt aber nicht für Schenkungen an Ehegatten, die stets zu berücksichtigten sind, sowie für Schenkungen, bei denen der Schenker wirtschaftlich betrachtet das Eigentum gar nicht verloren hat. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn er sich vollumfängliche Nutzungsrechte, zum Beispiel Nießbrauch, zurückbehalten hat. In diesem Zusammenhang gilt es, weitere Regelungen wie zum Beispiel das sogenannte Niederstwertprinzip oder die Abschmelzungs­regel zu beachten.

Für die Praxis lohnt sich, genau darauf zu achten, welche Pflichtteilsquote gegeben ist, wie sich der Nachlass zusammensetzt und welche lebzeitigen Schenkungen des Erblassers für die Berechnung eines etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs von Bedeutung sein können. Aber auch derjenige, der nur einen kleinen Anteil am Nachlass erhalten hat, sollte prüfen lassen, ob ihm Pflichtteilsansprüche zustehen, zum Beispiel der sogenannte Zusatzpflichtteil. Auch notarielle Erb- und/oder Pflichtteilsverzichte müssen Berücksichtigung finden.

Die Erbengemeinschaft – Eine Gemeinschaft mit enormem Konfliktpotenzial

Sind mehrere Personen als Erben berufen, so bilden diese eine Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft ist wohl diejenige der Gemein­schaften, die das höchste Konfliktpotenzial birgt. Denn die Mitglieder einer Erbengemeinschaft suchen einander nicht aus, sondern werden vom Erblasser oder durch das Gesetz bestimmt.

Die Erbengemeinschaft ist keine auf Dauer angelegte Gemeinschaft. Jeder der Miterben kann grundsätzlich die Auseinandersetzung, das heißt die Aufteilung des Nachlasses, verlangen. Wichtig ist, und das wird häufig übersehen, dass der einzelne Miterbe nicht befugt ist, über einen einzelnen Nachlass­gegenstand ohne Zustimmung der anderen Miterben zu verfügen. So besteht der weit­verbreitete Irrglaube, dass jeder Miterbe sich schon mal seinen Anteil am Geldvermögen nehmen dürfe. Über seinen Anteil am Nachlass darf der Miterbe jedoch erst verfügen, wenn der Nachlass insgesamt oder zumindest im Hinblick auf diesen Teil auseinandergesetzt wurde.

Fazit

Vor dem Hintergrund der Vielzahl der erbrechtlichen Regelungen und der Komplexität vor allem des Pflichtteilsrechts empfiehlt es sich stets im Einzelfall zu prüfen, ob und welche Ansprüche in einer Nachlassangelegenheit bestehen, um diese rechtzeitig geltend machen zu können.

Wer seinen Hinterbliebenen Streit ersparen möchte, der ist gut beraten, sich rechtzeitig um die Regelung des letzten Willens zu kümmern und ihn sorgfältig und juristisch sauber zu formulieren.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2021, Seite 90 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Butch – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Ulrike Specht