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23. November 2025
Die klassische Lebensversicherung verliert ihre Generation
Die klassische Lebensversicherung verliert ihre Generation

Die klassische Lebensversicherung verliert ihre Generation

Die Lebensversicherung war einst das Sinnbild für Sicherheit und Planbarkeit. Heute wirkt sie auf viele junge Menschen wie ein Relikt vergangener Zeiten. Lange Laufzeiten und starre Strukturen passen nicht in eine Welt, die auf Flexibilität setzt. Was sich ändern muss, weiß AssCompact Kolumnist Andreas Wollermann.

Ein Artikel von Andreas Wollermann, Head of Growth & Generational Trend bbg Betriebsberatungs GmbH

Früher war die Lebensversicherung ein Symbol für Sicherheit und für viele eine Selbstverständlichkeit. Ein Vertrag fürs Leben. Man schloss sie ab, sobald man den ersten Job hatte, und glaubte, damit alles richtig zu machen. Sie stand für Verlässlichkeit, für Planbarkeit, für den Traum vom ruhigen Lebensabend und brachte Ruhe, zumindest wenn man der ein oder anderen Verkaufsschulung von früher glauben wollte.

Heute klingt genau diese Story für viele junge Menschen wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Gen Z winkt ab, wenn man über Laufzeiten von 30 Jahren, Garantiezinsen und Überschussbeteiligungen spricht, die für viele in unsicheren Zeiten gar nicht greifbar sind. Nicht, weil sie Sicherheit ablehnen, sondern weil sie das System dahinter nicht mehr verstehen wollen oder noch viel schlimmer: weil sie ihm aufgrund vieler unseriöser Geschichten einfach nicht mehr trauen.

Produkte aus einer Welt, die es nicht mehr gibt

Die Lebensversicherung wurde entwickelt für ein Leben, das heute kaum noch jemand führt. Feste starre Jobs, konstante Einkommensentwicklung über Jahrzehnte beim gleichen Arbeitgeber und somit einem klaren Lebensplan. Die Realität der Gen Z und folgend der Gen Alpha sieht anders aus. Wechselnde Arbeitgeber, hiermit verbunden regelmäßig neue Wohnorte, die ein oder andere Selbstständigkeit und flexible Modelle.

Das Leben ist in Bewegung, aber die meisten Produkte sind starr. Genau da liegt das Problem. Wer sein Leben alle zwei, drei Jahre neu denkt, wird sich nicht auf Verträge einlassen, die bis 2055 laufen. Diese Generation will Freiheit und Flexibilität, nicht Verpflichtung. Transparenz und Klarheit, nicht Bürokratie und Hindernisse. Selbstbestimmung und Anpassungsfähigkeit, nicht Bindung.

Vertrauen scheitert an Sprache

Die Branche spricht so oft noch in Fachbegriffen, als wäre 1999 nie vergangen: Garantiezins, Risikoanteil oder Überschussbeteiligung. Das klingt für die meisten nach Amtsblatt und Bürokratie, nach Starrheit und wenig Flexibilität, nicht nach Zukunft. Die wirkliche Wahrheit ist beim genauen Betrachten jedoch oft eine andere als die wahrgenommene. Die meisten Produkte sind nicht schlecht. Sie sind sprachlich und emotional einfach in einer Welt stecken geblieben, die es nicht mehr gibt. Analoge Botschaften treffen auf digitale Zuhörer!

Wer heute Vertrauen will, muss emotionalen Klartext reden. Die Gen Z will sehen, was mit ihrem Geld passiert! In Echtzeit und anpassbar. So wie jetzt das Leben spielt. Nicht erst in 30 Jahren. Sie will verstehen worin, sie investiert, welche Werte dahinterstehen, und ob das zu ihrem eigenen Wertesystem passt. Sinn schlägt Zins, denn diesen kann ich heute bereits spüren!

Werte sind das neue Wertpapier

Früher war Rendite alles, was zählte, und genau das, worüber sich Kunden mit Freunden unterhalten haben. „Ich habe 6% Rendite!“ Heute zählt Resonanz! Eine Generation, die Nachhaltigkeit, Haltung und Transparenz einfordert, will wissen, ob ihr Geld Waffen finanziert oder Windräder. Ob Versicherer Verantwortung übernehmen oder nur den Slogan austauschen, um neue Kunden zu gewinnen. Wer ESG ernst nimmt und glaubwürdig lebt, gewinnt im Gegenzug Vertrauen. Wer es als Marketing benutzt, verliert es schneller, als er „Garantieverzinsung“ sagen kann. Das ist kein Trend, das ist eine Werteverschiebung, und genau diese wird nicht mehr verschwinden.

Neu denken statt nachbessern

Die Zukunft liegt nicht in einem neuen Prospekt, in einem „Rebranding“ oder tollen Werbespots, sondern im neuen Denken. Lebensversicherungen müssen flexibel werden, anpassbar, modular und im Idealfall digital. Sie müssen mit dem Leben mitwachsen können. Warum nicht Vorsorgeprodukte, die sich automatisch verändern, wenn sich die Lebensphase oder der Standort verändert? Warum nicht digitale Plattformen, die visualisieren, wie sich Geld entwickelt, transparent, nachvollziehbar, ehrlich und sofort veränderbar?

Die Gen Z will keine Wunder, sie will Kontrolle in einer Welt, die voller Unsicherheiten ist. Sie will wissen, was sie wann bekommt und warum. Und sie will Produkte, die sich ihrem Leben anpassen, die unkompliziert veränderbar sind.

Viele Führungskräfte glauben, man könne junge Zielgruppen „über Social Media“ erreichen. Aber die eigene Reichweite ist kein Ersatz für Relevanz. Wenn das Produkt nicht passt, hilft auch kein Influencer mit 200.000 Followern, den man für viel Geld eingekauft hat! Die Wahrheit ist: Wer junge Menschen erreichen will, muss ihnen zuhören. Ehrlich, direkt und ohne Verkaufsagenda. Dafür mit zu ihnen passenden Formaten! Diese Generation riecht Unechtheit mehrere Hundert Meter gegen den Wind. Sie lässt sich nicht überreden, denn sie will überzeugt werden! Durch Haltung, durch Authentizität, nicht durch Hochglanz. Und das gelingt nur, wenn man aufhört, alte Produkte jung zu verpacken, und anfängt, diese neu zu denken.

Die Zukunft entscheidet sich jetzt

Die Lebensversicherung war einmal das Fundament deutscher Vorsorge. Der Status für Sicherheit und „Ruhe“ im Alter. Heute ist sie ein Spiegel dafür, wie schnell Vertrauen verloren geht, wenn man Entwicklungen ignoriert. Wer mutig ist, kann sich und seine Kommunikation neu erfinden. Wer weiter abwartet, wird vom Markt vergessen.

Denn am Ende gilt: Nicht die Gen Z hat sich von der Lebensversicherung entfernt, sondern die Lebensversicherung hat sich von der Gen Z entfernt. Das lässt sich ändern, wenn man zuhört, bevor man wieder verkauft.

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Ein Artikel von
Andreas Wollermann