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14. Dezember 2022
Dieselskandal: Ende der Schadenbearbeitung nicht in Sicht
combustion fumes coming out of car exhaust pipe

Dieselskandal: Ende der Schadenbearbeitung nicht in Sicht

Die Prozesskosten im Dieselskandal haben laut GDV einen neuen Rekordstand erreicht. Doch wie sind einzelne Versicherer davon betroffen? Wann ist ein Ende der Schadenbearbeitung absehbar? Und wie beeinflusst der Skandal die Prämienentwicklung? AssCompact hat sich darüber bei Rechtsschutzversicherern erkundigt.

Noch nicht ganz acht Jahre ist es her, seitdem in Deutschland die erste Schadensersatzklage gegen VW im Zuge des Dieselskandals erhoben wurde. Im Jahr 2015 war bekannt geworden, dass Volkswagen im großen Stil betrügerische Software zur Manipulation der Abgaswerte seinen Fahrzeugen eingesetzt hatte. Weltweit sind von den Manipulationen viele Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns betroffen. Allein in Deutschland soll es sich um über 2,5 Mio. Fahrzeuge handeln.

Prozesskosten für Rechtsschutzversicherer sind explodiert

Betroffene Fahrzeughalter haben juristische Auseinandersetzungen mit dem VW-Konzern angestrengt und Schadensersatzforderungen gestellt. Und nicht wenige davon nahmen ihre Rechtsschutzversicherung dafür in Anspruch. Mittlerweile hat sich die Zahl der an Rechtsschutzversicherer gemeldeten Streitfälle laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) auf 413.000 erhöht. Anfang 2018 betrug ihre Zahl noch lediglich 53.000. Parallel dazu ist auch der Streitwert der gemeldeten Fälle auf rund 10,8 Mrd. Euro angestiegen. Wenig überraschend ist, dass damit die Belastung der Rechtsschutzversicherer aus Aufwendungen für Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten ebenfalls permanent klettert. Betrugen die übernommen Prozesskosten der Versicherer Anfang 2018 noch 143 Mio. Euro, sind sie mittlerweile mit insgesamt 1,5 Mrd. Euro regelrecht explodiert.

Doch wie sind einzelne Rechtsschutzversicherer vom Dieselskandal betroffen? Bis wann rechnen die Rechtsschutzversicherer mit einem Ende bei den neu gemeldeten Fällen? Und welche Auswirkungen hat der Skandal auf die jeweilige Prämienentwicklung? AssCompact hat sich ein Stimmungsbild in der Branche eingeholt und dafür die Maklerfavoriten in der Rechtsschutzsparte aus der aktuellen Studie „AssCompact TRENDS IV/2022“ um eine Einschätzung gebeten.

Dieselskandal ist teuerster Schadenfall der Rechtsschutzgeschichte

Die befragten Rechtsschutzversicherer bestätigen die Zahlen des GDV, wonach es sich um den teuersten Schadenfall in der Geschichte der Rechtsschutzversicherung handelt. ARAG etwa berichtet, dass bis dato rund 35.000 Fälle gezählt werden. Der gesamte Streitwert liegt derzeit bei rund 900 Mio. Euro, was mit Bezug auf die Zahlen vom GDV einem Anteil von rund 8,5% entspricht. Roland Rechtsschutz teilt auf AssCompact-Anfrage mit, dass dort etwa 30.000 gemeldete Rechtsfälle bearbeitet wurden. Der Schadenaufwand aus Prozesskosten beträgt bei Roland Rechtsschutz rund 120 Mio. Euro. Von Concordia heißt es knapp, dass sich die Betroffenheit durch den Dieselskandal entsprechend des eigenen Marktanteils bewege. Und auch bei KS/AUXILIA werden mehrere tausend Fälle abgewickelt. Der durchschnittliche Streitwert liege bei etwa 32.000 Euro. „Ob wir prozentual mehr oder weniger als andere Versicherer betroffen sind, können wir nicht sagen“, sagt Christian Deißner, Leiter Marketing bei KS/AUXILIA.

Ende der Schadenbearbeitung ist nicht absehbar

Bei der Frage nach der weiteren Andauer der Schadenbearbeitung gehen die befragten Rechtsschutzversicherer unisono davon aus, dass dies noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Allerdings nehmen die gemeldeten Streitfälle seit einiger Zeit deutlich ab. „Wir gehen davon aus, dass rund 80–90% der Kosten bereits angefallen sind. Dennoch wird uns das Thema in der Schadenbearbeitung noch mehrere Jahre beschäftigen“, erläutert etwa Christian Deißner. Auch die ARAG berichtet davon, dass bereits seit Längerem deutlich weniger neue Schadenmeldungen – mittlerweile etwa nur noch drei pro Tag – gemeldet werden. Die große Welle beim Dieselskandal sei daher bei ARAG vorbei. Der Versicherer begründet diese Beobachtung damit, dass sich seit Mitte 2021 zunehmend eine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herausbildete. Demnach komme es bei sogenannten Thermofenstern-Streitigkeiten zu Klageabweisungen. Dies führe auch zu einer abnehmenden Belastung bei den Versicherern. Eine etwas andere Einschätzung teilt man unterdessen bei Concordia. Mit Verweis auf eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach die deutsche Umwelthilfe eine Klagebefugnis gegen Typgenehmigungen des Kraftfahrtbundesamtes habe, rechnet man bei Concordia durchaus mit einer weiteren Dynamik beim Themenkomplex Dieselskandal. Außerdem erinnert der Rechtsschutzversicherer daran, dass zur Haftung der Autohersteller auch noch Entscheidungen ausstünden. Je nach Rechtsprechung könnte dies dann auch wieder eine höhere Belastung für die Rechtsschutzversicherer bedeuten. Ausgestanden ist der Dieselskandal damit für die Rechtsschutzversicherer wohl noch länger nicht.

Prämienentwicklung nicht einzig vom Dieselskandal abhängig

Wie also beeinflussen die Schäden in Rekordhöhe die Prämienkalkulation bei den Versicherern? Grundsätzlich bestimmen in der Rechtsschutzbranche unabhängige Treuhänder die Entwicklung der Beiträge und geben den Unternehmen dann Anpassungsmöglichkeiten vor, erläutern die Versicherer. Dabei spielten in den vergangenen Jahren die vermehrten Rechtsstreitigkeiten im Zuge des Dieselskandals eine Rolle. Allerdings sei eine isolierte Betrachtung des Dieselskandals und sein Einfluss auf die Prämienentwicklung kaum möglich. Denn bei der Berechnung von Prämienanpassungen gebe es ergänzende und gegenläufige Effekte sowie andere wichtige Faktoren wie zum Beispiel die Erhöhung der Anwaltsgebühren 2021. Bei Roland Rechtsschutz allerdings sind die Prämien im Neugeschäft in diesem Jahr stabil geblieben. Und auch bei KS/AUXILIA kommt es derzeit zu keiner Prämienerhöhung. Stattdessen habe der Versicherer den Maklern und ihren Kunden eine Beitragsgarantie bis Ende 2023 ausgesprochen. (as)

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