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15. Dezember 2022
D&O – Wer nur auf den Preis schielt, springt zu kurz

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D&O – Wer nur auf den Preis schielt, springt zu kurz

Zu früh für Entspannung?

Zuletzt gab es Anzeichen der Entspannung: So dürften 2022 die meisten Verträge ohne signifikante Aufschläge erneuert worden sein. Lediglich einzelne, aus Sicht der Versicherer unterbepreiste Risiken sollten im laufenden Jahr noch Prämienanpassungen durchlaufen.

Entlastung suggeriert zudem auch die erst Anfang Oktober revidierte D&O-Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). 2021 sank die Schadenquote nach Abwicklung den Daten zufolge auf 41% – weniger als die Hälfte des Vorjahreswerts (2020: 87%). Der Verband kommt zu dem Schluss, dass die D&O-Versicherer hierzulande nach Verlusten in den Jahren 2017, 2018 und 2020 zumindest im vergangenen Jahr Gewinne eingefahren haben. In den GDV-Zahlen sind jedoch keineswegs alle wesentlichen Versicherer mit ihren Zahlen vertreten. Beispielsweise fehlen etwa Allianz Global Corporate & Specialty und AXA XL als wesentliche Risiko­träger. Auch werden aufgrund der immer stärkeren Internationalisierung der Unternehmen Prämiener­höhungen der Versicherer für einzelne Branchen auch mit Blick auf die globalen Ergebnisse dieser Branchenunternehmen in anderen Ländern getroffen.

Aus Perspektive von hendricks ist es deshalb zu früh, hieraus bereits einen nachhaltigen Trend abzuleiten. Vor allem zwei Gründe sprechen dafür, dass wir aktuell nur eine kurze Atempause erleben: Da ist zunächst die Inflation, die Deutschland seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine mit zunehmender Vehemenz erfasst hat. So wird beispielsweise für September nach vorläufigen offiziellen Zahlen von einer Teuerungsrate von 10% ausgegangen. Kurzfristige Entspannung ist nicht in Sicht. Aktuell rechnen die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute auch für das kommende Jahr mit hohen einstelligen Inflationsraten.

Kosten steigen aus verschiedenen Gründen

Das wiederum ist nicht nur für Verbraucher und Unternehmen relevant – es belastet auch D&O-­Anbieter und -Rückversicherer in ganz erheblichem Maße. Denn rund 70% der Zahlungen aus D&O-Policen betreffen Rechtskosten. Steigen aber die Stundensätze der Anwälte, erhöht sich automatisch auch die Belastung der Versicherer. Zugleich werden die Vergleichssummen in D&O-Streitigkeiten immer höher – und 90% aller Auseinandersetzungen enden selbst bei Beteiligung eines Gerichts nach wie vor mit einem Vergleich. Diesen Trend bestätigt im Übrigen auch die Statistik des GDV eindrücklich: So stiegen allein zwischen 2017 und 2021 die durchschnittlichen Kosten je D&O-Fall um 270%. Dieser Umstand allein wird also zu Preissteigerungen beitragen – selbst wenn die Zahl der Schadenfälle per se nicht steigen würde.

Mehr Insolvenzen zu erwarten

Doch genau letzteres Szenario zeichnet sich ab. Insbesondere die Zahl insolventer Unternehmen dürfte in den kommenden Quartalen deutlich zunehmen. Laut Statistischem Bundesamt stieg nach vorläufigen Zahlen bereits im August 2022 die Zahl der Regelinsolvenzen um 6,6% gegenüber dem Vormonat. Anfang Oktober warnte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gar vor einer Pleitewelle deutscher Unternehmen. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt: drastisch gestiegene Energiepreise und Materialkosten, anhaltende Lieferkettenprobleme sowie die Zurückhaltung der Verbraucher angesichts einer höchstwahrscheinlich bevorstehenden Rezession.

Die Erfahrung lehrt, dass es gerade diese Insolvenz- und Restrukturierungssituationen sind, in denen sich Organe plötzlich mit D&O-­Ansprüchen konfrontiert sehen. Ist in einem solchen Fall keine D&O-Police vorhanden, die genau diese Fälle deckt und eben keinen Insolvenzausschluss beinhaltet, kann das für den einzelnen Geschäftsführer oder Vorstand verheerende Folgen haben.

 
Ein Artikel von
Marcel Braun