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5. September 2025
Embedded Insurance: Perspektiven, Pflichten, Potenziale
Embedded Insurance: Perspektiven, Pflichten, Potenziale

Embedded Insurance: Perspektiven, Pflichten, Potenziale

Embedded Insurance ist auf dem Vormarsch. Für die Versicherungsbranche bringt sie zwar große Potenziale, aber gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich. Was bei dem Trend zu beachten und ist warum sie für Vermittler nicht zwangsläufig ein Nachteil ist.

Ein Gastbeitrag von Dr. Ulrich Keunecke, Rechtsanwalt, Partner, Head Legal Financial Services Insurance bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

Der Versicherungsvertrieb befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Klassische Verkaufswege über Makler, Ausschließlichkeitsorganisationen oder Vergleichsportale bleiben wichtig. Parallel entsteht ein Ökosystem, in dem Versicherungsschutz dort angeboten wird, wo der Kunde ohnehin schon unterwegs ist – an der Kasse, im Online-Shop, im Dienstwagenkonfigurator oder in einer Freizeit-App. Der Begriff „Embedded Insurance“ beschreibt diese nahtlose Einbettung von Versicherungspolicen in einen fremden Kauf- oder Nutzungsprozess. Für Verbrauchende bedeutet das vor allem Bequemlichkeit. Für Anbieter eröffnet es neue Umsatzquellen. Gleichzeitig steigt die Verantwortung, denn das rechtliche und operative Umfeld ist anspruchsvoll.

Nahtlose Kundenerfahrung

Die Idee ist einfach: Wer ein Gerät kauft, kann gleichzeitig eine Diebstahl- oder Reparaturdeckung aktivieren. Wer eine Reise bucht, ergänzt sofort den medizinischen Auslandsschutz. Dadurch sinkt die Hürde, sich überhaupt mit Risiken zu befassen. Die Police erscheint als logischer Teil des Gesamtpakets, nicht als lästige Zusatzaufgabe. Studien zeigen, dass sich Abschlussquoten deutlich erhöhen, wenn der Schutz exakt in dem Moment angeboten wird, in dem das Risiko für den Kunden greifbar ist.

Erweiterung des Versichertenkreises

Embedded-Konzepte sprechen Menschen an, die bisher keinen Zugang zu Beratung haben oder Versicherungsthemen als zu komplex empfinden. Digitale Dialoge, klare Preis- und Leistungsangaben sowie sofortige Policierung senken die Schwelle. Zugleich lässt sich durch Datenanalyse eine passgenauere Tarifierung erreichen: Kaufverhalten, Nutzungsprofile oder Standortinformationen fließen unter strenger Beachtung der Datenschutzregeln in die Risikoprüfung ein. So können Produkte erschwinglicher und fairer kalkuliert werden, was wiederum die Inklusion stärkt.

Rechtliche Leitplanken

Wer in Deutschland Versicherungen vertreibt, benötigt eine gewerberechtliche Erlaubnis. Das gilt grundsätzlich auch für Handels- oder Serviceunternehmen, die Embedded-Lösungen einsetzen. Eine Erleichterung bietet der Status des produktakzessorischen Vermittlers. Er greift, wenn die Deckung erkennbar Nebenschutz zum Hauptprodukt ist und beispielsweise bestimmte Beitragsgrenzen eingehalten werden. Dann genügt eine vereinfachte Registrierung; Fachkunde- und Dokumentationspflichten bleiben jedoch erhalten.

Kleinstvermittler bilden eine besondere Untergruppe der produktakzessorischen Vermittler, für die zusätzlich reduzierte Anforderungen gelten. Wegen des geringen Umfangs ihrer Tätigkeit wird das Risiko als sehr niedrig eingeschätzt, sodass sie keine Erlaubnis benötigen. Die von Kleinstvermittlern bereitgestellten Versicherungen müssen etwa als Nebenleistung zu einer Warenlieferung oder Dienstleistung auftreten. Zudem darf die zeitanteilig auf ein Jahr umgerechnete Prämie 600 Euro nicht überschreiten. Handelt es sich um eine Versicherung als Zusatzleistung zu einer höchstens dreimonatigen Dienstleistung, darf die Prämie pro Person maximal 200 Euro betragen.

Unternehmen, die lediglich einen Hinweis oder einen Verweislink geben, ohne selbst zu beraten oder Vergütungsansprüche aus dem Vertrag zu ziehen, können als Tippgeber auftreten. Diese Rolle ist verlockend, weil keine Vermittlererlaubnis nötig ist. Sie ist aber eng definiert: Schon der Satz „Das passt bestimmt zu Ihrem Bedarf“ kann eine Beratung darstellen und eine Vollerlaubnis auslösen. Entsprechend wichtig ist eine klare Prozessbeschreibung, die allen Beteiligten exakt vorgibt, wo die Grenze verläuft.

Datenschutz als Dreh- und Angelpunkt

Embedded-Projekte sind datengetrieben. Händler liefern Absatz- und Warenkorbinformationen, Versicherer werten sie aus, um Prämien zu kalkulieren. Dabei greifen gleich mehrere Regelwerke: die europäische Datenschutzgrundverordnung, nationale Datenschutzgesetze und branchenspezifische Leitlinien der Aufsicht. Zentrale Anforderungen sind Transparenz, Zweckbindung, Datensparsamkeit und ein wirksames Einwilligungsmanagement. Häufig liegt zwischen Händler und Versicherer eine gemeinsame Verantwortlichkeit vor, sodass eine Joint-Controller-Vereinbarung nötig ist. Wer das Thema unterschätzt, riskiert Strafzahlungen und Reputationsschäden.

Technische Integration

Damit der Schutz wirklich „unsichtbar“ wird, müssen die entsprechenden Systeme, wie etwa Web-Checkouts oder App-Stores mit den Backend-Systemen des Versicherers kommunizieren. Gleichzeitig sollte die Architektur offen genug sein, um künftige Kanäle – etwa Sprachassistenten oder vernetzte Geräte – aufzunehmen.

Bedeutung für klassische Vermittler

Für traditionelle Makler bedeutet Embedded Insurance nicht zwangsläufig Margenverlust, wohl aber eine Verschiebung ihres Wertbeitrags. Standardrisiken könnten in den Massenkanal wandern; individuelle, komplexe Versicherungsbedürfnisse bleiben beratungsintensiv. Makler können ihre Position festigen, indem sie sich auf betriebliche Sonderdeckungen, Spezialrisiken oder holistische Risikostrategien konzentrieren. Darüber hinaus können sie als kuratierende Instanz auftreten, die Embedded-Projekte ihrer Firmenkunden prüft und begleitet – etwa wenn ein Hersteller eine Geräteschutz-Police in den eigenen Online-Shop integrieren will.

Chancen für große Industriemakler

Häuser, die ohnehin auf maßgeschneiderte Deckungen für Industriekunden spezialisiert sind, spüren die Konkurrenz durch Embedded-Modelle weniger direkt. Dennoch profitieren auch sie von den technologischen Fortschritten. Künstliche Intelligenz verbessert die Risikoselektion, Blockchain schafft transparente Transaktionsketten, Parametric-Produkte zahlen automatisch aus, sobald ein vordefinierter Trigger eintritt. Diese Instrumente können das Kerngeschäft effizienter machen oder neue Services ermöglichen, etwa Echtzeit-Deckungsbestätigungen für Transportgüter.

Grenzüberschreitende Aspekte

Wer Policen in mehreren Staaten vertreibt, stößt auf zusätzliche Hürden. Zwar hat die europäische Richtlinie für den Versicherungsvertrieb (IDD) vieles harmonisiert, doch landesspezifische Vorgaben bleiben: Informationspflichten, Widerrufsrechte, Besteuerung von Prämien oder Besonderheiten bei Zahlungsströmen. Deshalb braucht jedes internationale Vorhaben eine gründliche rechtliche Analyse, ein payment-sicheres Setup und lokales Monitoring.

Ausblick: Verschmelzung von Produkt und Schutz

Die nächsten Entwicklungsschritte zeichnen sich ab. Hersteller integrieren digitale Zwillinge ihrer Produkte, in denen Kaufdatum, Zustand und Versicherungsstatus fälschungssicher gespeichert sind. Sensoren melden Störungen, Smart Contracts stoßen automatisch eine Schadenregulierung an. In Mobilitätsszenarien könnten Fahrer per Tankstopp-Terminal einen Versicherungswechsel anstoßen, der dann in der App finalisiert wird. Voice-Assistenten im Haushalt fragen, ob der neue Mixer eine Motorbruch-Abdeckung erhalten soll.

Handlungsempfehlungen

Versicherer sollten Governance-Modelle aufsetzen, die Rollen, Haftung und Datenflüsse mit Handelspartnern eindeutig regeln. Ein skalierbares API-Framework verkürzt Implementierungszeiten und erhöht Marktspeed. Händler wiederum müssen interne Schulungen, Pflichtinformationen und Protokolle zuverlässig nachhalten. Ein zentrales Dashboard, das Schulungsstände, Beratungsnachweise und Audit-Events bündelt, schafft Transparenz und minimiert Haftungsrisiken.

Fazit

Embedded Insurance ist mehr als ein Modetrend. Sie reagiert auf veränderte Kundenerwartungen, auf einen saturierten Markt und auf neue Datenmöglichkeiten. Wer die strengen Vorgaben zu Bedarfsermittlung, Transparenz, Datenschutz und Rollentrennung erfüllt, erhält Zugang zu einem vielversprechenden Wachstumspfad. Dabei entscheidet nicht allein die technische Eleganz, sondern vor allem eine lückenlose Compliance-Architektur, ob aus der Vision ein nachhaltiges Geschäftsmodell wird.

 
Ein Artikel von
Dr. Ulrich Keunecke