Nach dem Tod eines nahen Angehörigen sind viele zuvor alltägliche Dinge plötzlich anders. Das Telefonat jeden Samstag, der gemeinsame Kaffee am Morgen oder der Besuch zu Weihnachten – alles verschwunden. Weil derjenige nicht mehr da ist, den man anrufen möchte oder vor dessen Wohnungstür man unvermittelt steht. Selbst das einst behagliche Zuhause kann fremd werden, wenn es nur noch mit dem Verlust assoziiert wird – und krank machen kann es auch.
Eigenes Haus verstärkte Depression und Angstzustände
So geschehen bei einer Frau, die 2017 nach dem Tod ihres Ehemannes das gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus zur Hälfte geerbt hatte. Zunächst plante sie, auch weiterhin in dem Haus zu wohnen, aber ihr Mann war in dem Haus gestorben. Damit kam sie nicht zurecht. Sie wurde von Angstzuständen geplagt und litt auch unter einer Depression. 2018 verkaufte sie schließlich ihren Anteil an dem Haus und zog in eine Eigentumswohnung.
Finanzamt hebt Steuerbefreiung auf
Da die Frau das geerbte Haus jedoch nicht weiterhin selbst zu Wohnzwecken nutzte, änderte das Finanzamt den Erbschaftssteuerbescheid und hob die Steuerbefreiung für das Erbe auf. Dagegen klagte die Frau. Immerhin habe ihr Arzt ihr geraten, die Wohnumgebung zu wechseln, um ihre Depression und die Angstzustände in den Griff zu bekommen. Sie machte dementsprechend geltend, dass sie aus zwingenden Gründen an der weiteren Selbstnutzung gehindert wäre.
Kein zwingender Grund für die Veräußerung gegeben
Das Finanzgericht (FG) Münster entschied nun, dass die Frau trotz ihrer gesundheitlichen Situation auf die Steuerbefreiung verzichten muss. Die Befreiung von der Erbschaftssteuer greife nur, wenn sie das Haus zehn Jahre lang zu eigenen Wohnzwecken nutze, bevor sie es veräußere. Die einzige Ausnahme davon liege vor, wenn sie aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert sei. Bei der psychischen Belastung der Frau handele es sich jedoch nicht um einen zwingenden Grund im Sinne des Gesetzes. Der Gesetzgeber habe die Ausnahme nur für wenige Extremfälle vorgesehen. Etwa, wenn es dem Erben aufgrund von Pflegebedürftigkeit unmöglich sei, den Haushalt zu führen.
Grundgesetz gebietet strikte Auslegung
Das Gericht führt auch aus, weshalb es in solchen Fällen gezwungen ist, derart strikt zu urteilen. Die Steuerbefreiung für Familienheime bevorzuge Grundeigentümer gegenüber Inhabern anderer Vermögenswerte. Aus diesem Grund sei eine restriktive Gesetzesauslegung auch verfassungsrechtlich geboten. (tku)
FG Münster, Urteil vom 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb
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